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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.

Es kann auch das Gesetz neben seiner eigenen vollständigen Be-
stimmung der Servitut die Verwaltung ermächtigen, Abweichungen
von seinen Regeln im Einzelfall anzuordnen durch Ermäßigung oder
Beschränkung der Dienstbarkeit. Das wird dann durch eine Ver-
fügung
geschehen, die der Dienstbarkeit erst ihre endgültige Ge-
stalt giebt; entstanden war sie in der vom Gesetze bestimmten Gestalt
schon vorher8.

Das Gesetz kann es auch dem Verwaltungsakte überlassen zu
bestimmen, daß und in welchem Maße die Dienstbarkeit im Einzel-
fall ins Leben treten soll. Zum Unterschied von der Polizei giebt
aber das Gesetz die zu treffenden Maßregeln hier nie durch all-
gemeine Ermächtigungen an die Behörde so völlig aus der Hand.
Es bestimmt immer die Servitut wenigstens im allgemeinen durch
Bezeichnung der Art des Unternehmens, zu dessen Gunsten sie auf-
erlegt werden kann, und der Art der Belastung, die in Anspruch ge-
nommen werden darf. Innerhalb dieses Spielraums schafft dann die
Behörde die Dienstbarkeit für das von ihr gewählte Grundstück durch
ihre Verfügung. Mit der Kundgabe dieser Verfügung an den be-
troffenen Besitzer entsteht sie9.

fügung, sondern eine Entscheidung, die nur ausspricht, was durch das Gesetz nach
erfüllter Bedingung desselben bereits begründet ist.
8 So bei der Rayonservitut gemäß Reichsges. § 23. Ebenso kann nach
franz. R. der Leinpfad durch Beschluß des Präfekten gegenüber der gesetzlichen
Breite verengert werden (Dekret v. 22. Jan. 1808 art. 4).
9 Das Recht der Entnahme von Straßenbaumaterialien aus dazu geeigneten
Grundstücken bezeichnet das Preuß. Enteignungsgesetz v. 11. Juni 1874 als "Eigen-
tumsbeschränkung" (§ 52). Der Name thut nichts zur Sache. Diese Eigentums-
beschränkung wird dem Grundstück auferlegt durch eine "Entscheidung" der Ver-
waltungsbehörde (§ 53). Eger, Ges. über die Enteignung von Grundeigentum II
S. 512, meint: "das Recht braucht nicht besonders verliehen, bzw. die Pflicht nicht
besonders auferlegt zu werden, ... beides besteht vielmehr ex lege". Er meint
das aber nur im Gegensatz zu dem "Recht zu enteignen", d. h. betreibender Teil
zu sein im Enteignungsverfahren, welches ja allerdings besonders "verliehen" wird,
wenn man so sagen will, gemäß der diesem Verfahren eigentümlichen Ordnung.
Derartiges geht hier nicht voraus. Den obrigkeitlichen Ausspruch, der das bestimmte
Grundstück belastet, können wir aber hier so wenig entbehren wie dort den Ent-
eignungsausspruch; erst durch diesen entsteht die Belastung. Fehlt es daran, so
begründet die Entnahme von Materialien einfach eine civilrechtliche Schadensersatz-
pflicht (R.G. 12. Dez. 1883). Das "Recht", das Eger daneben so sehr betont und das
ex lege bestehen soll, ist nichts anderes als die Möglichkeit, durch die nach freiem
Ermessen zu erlassende Verfügung das Recht zur Entnahme von Materialien zu
erwerben. Es scheint uns aber keinen großen Nutzen zu haben, das schon ein
Recht zu nennen. -- Der Entnahme von Straßenmaterialien ähnlich werden "vor-
übergehende Beschränkungen"
des Grundstückeigentums zu Gunsten eines
§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.

Es kann auch das Gesetz neben seiner eigenen vollständigen Be-
stimmung der Servitut die Verwaltung ermächtigen, Abweichungen
von seinen Regeln im Einzelfall anzuordnen durch Ermäßigung oder
Beschränkung der Dienstbarkeit. Das wird dann durch eine Ver-
fügung
geschehen, die der Dienstbarkeit erst ihre endgültige Ge-
stalt giebt; entstanden war sie in der vom Gesetze bestimmten Gestalt
schon vorher8.

Das Gesetz kann es auch dem Verwaltungsakte überlassen zu
bestimmen, daß und in welchem Maße die Dienstbarkeit im Einzel-
fall ins Leben treten soll. Zum Unterschied von der Polizei giebt
aber das Gesetz die zu treffenden Maßregeln hier nie durch all-
gemeine Ermächtigungen an die Behörde so völlig aus der Hand.
Es bestimmt immer die Servitut wenigstens im allgemeinen durch
Bezeichnung der Art des Unternehmens, zu dessen Gunsten sie auf-
erlegt werden kann, und der Art der Belastung, die in Anspruch ge-
nommen werden darf. Innerhalb dieses Spielraums schafft dann die
Behörde die Dienstbarkeit für das von ihr gewählte Grundstück durch
ihre Verfügung. Mit der Kundgabe dieser Verfügung an den be-
troffenen Besitzer entsteht sie9.

fügung, sondern eine Entscheidung, die nur ausspricht, was durch das Gesetz nach
erfüllter Bedingung desselben bereits begründet ist.
8 So bei der Rayonservitut gemäß Reichsges. § 23. Ebenso kann nach
franz. R. der Leinpfad durch Beschluß des Präfekten gegenüber der gesetzlichen
Breite verengert werden (Dekret v. 22. Jan. 1808 art. 4).
9 Das Recht der Entnahme von Straßenbaumaterialien aus dazu geeigneten
Grundstücken bezeichnet das Preuß. Enteignungsgesetz v. 11. Juni 1874 als „Eigen-
tumsbeschränkung“ (§ 52). Der Name thut nichts zur Sache. Diese Eigentums-
beschränkung wird dem Grundstück auferlegt durch eine „Entscheidung“ der Ver-
waltungsbehörde (§ 53). Eger, Ges. über die Enteignung von Grundeigentum II
S. 512, meint: „das Recht braucht nicht besonders verliehen, bzw. die Pflicht nicht
besonders auferlegt zu werden, … beides besteht vielmehr ex lege“. Er meint
das aber nur im Gegensatz zu dem „Recht zu enteignen“, d. h. betreibender Teil
zu sein im Enteignungsverfahren, welches ja allerdings besonders „verliehen“ wird,
wenn man so sagen will, gemäß der diesem Verfahren eigentümlichen Ordnung.
Derartiges geht hier nicht voraus. Den obrigkeitlichen Ausspruch, der das bestimmte
Grundstück belastet, können wir aber hier so wenig entbehren wie dort den Ent-
eignungsausspruch; erst durch diesen entsteht die Belastung. Fehlt es daran, so
begründet die Entnahme von Materialien einfach eine civilrechtliche Schadensersatz-
pflicht (R.G. 12. Dez. 1883). Das „Recht“, das Eger daneben so sehr betont und das
ex lege bestehen soll, ist nichts anderes als die Möglichkeit, durch die nach freiem
Ermessen zu erlassende Verfügung das Recht zur Entnahme von Materialien zu
erwerben. Es scheint uns aber keinen großen Nutzen zu haben, das schon ein
Recht zu nennen. — Der Entnahme von Straßenmaterialien ähnlich werden „vor-
übergehende Beschränkungen“
des Grundstückeigentums zu Gunsten eines
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[171/0183] § 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten. Es kann auch das Gesetz neben seiner eigenen vollständigen Be- stimmung der Servitut die Verwaltung ermächtigen, Abweichungen von seinen Regeln im Einzelfall anzuordnen durch Ermäßigung oder Beschränkung der Dienstbarkeit. Das wird dann durch eine Ver- fügung geschehen, die der Dienstbarkeit erst ihre endgültige Ge- stalt giebt; entstanden war sie in der vom Gesetze bestimmten Gestalt schon vorher 8. Das Gesetz kann es auch dem Verwaltungsakte überlassen zu bestimmen, daß und in welchem Maße die Dienstbarkeit im Einzel- fall ins Leben treten soll. Zum Unterschied von der Polizei giebt aber das Gesetz die zu treffenden Maßregeln hier nie durch all- gemeine Ermächtigungen an die Behörde so völlig aus der Hand. Es bestimmt immer die Servitut wenigstens im allgemeinen durch Bezeichnung der Art des Unternehmens, zu dessen Gunsten sie auf- erlegt werden kann, und der Art der Belastung, die in Anspruch ge- nommen werden darf. Innerhalb dieses Spielraums schafft dann die Behörde die Dienstbarkeit für das von ihr gewählte Grundstück durch ihre Verfügung. Mit der Kundgabe dieser Verfügung an den be- troffenen Besitzer entsteht sie 9. 7 8 So bei der Rayonservitut gemäß Reichsges. § 23. Ebenso kann nach franz. R. der Leinpfad durch Beschluß des Präfekten gegenüber der gesetzlichen Breite verengert werden (Dekret v. 22. Jan. 1808 art. 4). 9 Das Recht der Entnahme von Straßenbaumaterialien aus dazu geeigneten Grundstücken bezeichnet das Preuß. Enteignungsgesetz v. 11. Juni 1874 als „Eigen- tumsbeschränkung“ (§ 52). Der Name thut nichts zur Sache. Diese Eigentums- beschränkung wird dem Grundstück auferlegt durch eine „Entscheidung“ der Ver- waltungsbehörde (§ 53). Eger, Ges. über die Enteignung von Grundeigentum II S. 512, meint: „das Recht braucht nicht besonders verliehen, bzw. die Pflicht nicht besonders auferlegt zu werden, … beides besteht vielmehr ex lege“. Er meint das aber nur im Gegensatz zu dem „Recht zu enteignen“, d. h. betreibender Teil zu sein im Enteignungsverfahren, welches ja allerdings besonders „verliehen“ wird, wenn man so sagen will, gemäß der diesem Verfahren eigentümlichen Ordnung. Derartiges geht hier nicht voraus. Den obrigkeitlichen Ausspruch, der das bestimmte Grundstück belastet, können wir aber hier so wenig entbehren wie dort den Ent- eignungsausspruch; erst durch diesen entsteht die Belastung. Fehlt es daran, so begründet die Entnahme von Materialien einfach eine civilrechtliche Schadensersatz- pflicht (R.G. 12. Dez. 1883). Das „Recht“, das Eger daneben so sehr betont und das ex lege bestehen soll, ist nichts anderes als die Möglichkeit, durch die nach freiem Ermessen zu erlassende Verfügung das Recht zur Entnahme von Materialien zu erwerben. Es scheint uns aber keinen großen Nutzen zu haben, das schon ein Recht zu nennen. — Der Entnahme von Straßenmaterialien ähnlich werden „vor- übergehende Beschränkungen“ des Grundstückeigentums zu Gunsten eines 7 fügung, sondern eine Entscheidung, die nur ausspricht, was durch das Gesetz nach erfüllter Bedingung desselben bereits begründet ist.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/183>, abgerufen am 26.04.2024.