Einunddreissigstes Kapitel. Geldkapital und wirkliches Kapital. II.
(Fortsetzung.)
Wir sind noch immer nicht zu Ende mit der Frage, wie weit die Akkumulation des Kapitals in Form von leihbarem Geldkapital zusammenfällt mit der wirklichen Akkumulation, der Erweiterung des Reproduktionsprocesses.
Die Verwandlung von Geld in leihbares Geldkapital ist eine viel einfachere Geschichte, als die Verwandlung von Geld in pro- duktives Kapital. Aber wir haben hier zweierlei zu unterscheiden.
1) Die blosse Verwandlung von Geld in Leihkapital;
2) die Verwandlung von Kapital oder Revenue in Geld, das in Leihkapital verwandelt wird.
Es ist bloss der letztere Punkt, der eine, mit der wirklichen Akkumulation des industriellen Kapitals zusammenhängende, posi- tive Akkumulation des Leihkapitals einschliessen kann.
1) Verwandlung von Geld in Leihkapital.
Wir haben bereits gesehn, dass eine Anhäufung, eine Ueber- reichlichkeit von Leihkapital stattfinden kann, die nur insofern mit der produktiven Akkumulation zusammenhängt, als sie im um- gekehrten Verhältniss dazu steht. Dies ist in zwei Phasen des indu- striellen Cyklus der Fall, nämlich erstens zur Zeit, wo das indu- strielle Kapital, in den beiden Formen des produktiven und des Waarenkapitals, kontrahirt ist, also am Beginn des Cyklus nach der Krise; und zweitens zur Zeit, wo die Besserung beginnt, aber der kommercielle Kredit den Bankkredit noch wenig in Anspruch nimmt. Im ersten Fall erscheint das Geldkapitel, das früher in Produktion und Handel angewandt war, als unbeschäftigtes Leih- kapital; im zweiten Fall erscheint es in steigendem Maß ange- wandt, aber zu sehr niedrigem Zinsfuss, weil jetzt der industrielle und kommercielle Kapitalist dem Geldkapitalisten die Bedingungen vorschreibt. Der Ueberfluss an Leihkapital drückt im ersten Fall eine Stagnation des industriellen Kapitals aus, und im zweiten relative Unabhängigkeit des kommerciellen Kredits vom Bankkredit, beruhend auf Flüssigkeit des Rückstroms, kurzen Kreditterminen, und vorwiegendem Arbeiten mit eignem Kapital. Die Spekulanten, die auf fremdes Kreditkapital rechnen, sind noch nicht ins Feld gerückt; die Leute, die mit eignem Kapital arbeiten, sind noch weit entfernt von annähernd reinen Kreditoperationen. In der ersteren Phase ist der Ueberfluss an Leihkapital das gerade Gegen-
Einunddreissigstes Kapitel. Geldkapital und wirkliches Kapital. II.
(Fortsetzung.)
Wir sind noch immer nicht zu Ende mit der Frage, wie weit die Akkumulation des Kapitals in Form von leihbarem Geldkapital zusammenfällt mit der wirklichen Akkumulation, der Erweiterung des Reproduktionsprocesses.
Die Verwandlung von Geld in leihbares Geldkapital ist eine viel einfachere Geschichte, als die Verwandlung von Geld in pro- duktives Kapital. Aber wir haben hier zweierlei zu unterscheiden.
1) Die blosse Verwandlung von Geld in Leihkapital;
2) die Verwandlung von Kapital oder Revenue in Geld, das in Leihkapital verwandelt wird.
Es ist bloss der letztere Punkt, der eine, mit der wirklichen Akkumulation des industriellen Kapitals zusammenhängende, posi- tive Akkumulation des Leihkapitals einschliessen kann.
1) Verwandlung von Geld in Leihkapital.
Wir haben bereits gesehn, dass eine Anhäufung, eine Ueber- reichlichkeit von Leihkapital stattfinden kann, die nur insofern mit der produktiven Akkumulation zusammenhängt, als sie im um- gekehrten Verhältniss dazu steht. Dies ist in zwei Phasen des indu- striellen Cyklus der Fall, nämlich erstens zur Zeit, wo das indu- strielle Kapital, in den beiden Formen des produktiven und des Waarenkapitals, kontrahirt ist, also am Beginn des Cyklus nach der Krise; und zweitens zur Zeit, wo die Besserung beginnt, aber der kommercielle Kredit den Bankkredit noch wenig in Anspruch nimmt. Im ersten Fall erscheint das Geldkapitel, das früher in Produktion und Handel angewandt war, als unbeschäftigtes Leih- kapital; im zweiten Fall erscheint es in steigendem Maß ange- wandt, aber zu sehr niedrigem Zinsfuss, weil jetzt der industrielle und kommercielle Kapitalist dem Geldkapitalisten die Bedingungen vorschreibt. Der Ueberfluss an Leihkapital drückt im ersten Fall eine Stagnation des industriellen Kapitals aus, und im zweiten relative Unabhängigkeit des kommerciellen Kredits vom Bankkredit, beruhend auf Flüssigkeit des Rückstroms, kurzen Kreditterminen, und vorwiegendem Arbeiten mit eignem Kapital. Die Spekulanten, die auf fremdes Kreditkapital rechnen, sind noch nicht ins Feld gerückt; die Leute, die mit eignem Kapital arbeiten, sind noch weit entfernt von annähernd reinen Kreditoperationen. In der ersteren Phase ist der Ueberfluss an Leihkapital das gerade Gegen-
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Einunddreissigstes Kapitel.
Geldkapital und wirkliches Kapital. II.
(Fortsetzung.)
Wir sind noch immer nicht zu Ende mit der Frage, wie weit
die Akkumulation des Kapitals in Form von leihbarem Geldkapital
zusammenfällt mit der wirklichen Akkumulation, der Erweiterung
des Reproduktionsprocesses.
Die Verwandlung von Geld in leihbares Geldkapital ist eine
viel einfachere Geschichte, als die Verwandlung von Geld in pro-
duktives Kapital. Aber wir haben hier zweierlei zu unterscheiden.
1) Die blosse Verwandlung von Geld in Leihkapital;
2) die Verwandlung von Kapital oder Revenue in Geld, das in
Leihkapital verwandelt wird.
Es ist bloss der letztere Punkt, der eine, mit der wirklichen
Akkumulation des industriellen Kapitals zusammenhängende, posi-
tive Akkumulation des Leihkapitals einschliessen kann.
1) Verwandlung von Geld in Leihkapital.
Wir haben bereits gesehn, dass eine Anhäufung, eine Ueber-
reichlichkeit von Leihkapital stattfinden kann, die nur insofern
mit der produktiven Akkumulation zusammenhängt, als sie im um-
gekehrten Verhältniss dazu steht. Dies ist in zwei Phasen des indu-
striellen Cyklus der Fall, nämlich erstens zur Zeit, wo das indu-
strielle Kapital, in den beiden Formen des produktiven und des
Waarenkapitals, kontrahirt ist, also am Beginn des Cyklus nach
der Krise; und zweitens zur Zeit, wo die Besserung beginnt, aber
der kommercielle Kredit den Bankkredit noch wenig in Anspruch
nimmt. Im ersten Fall erscheint das Geldkapitel, das früher in
Produktion und Handel angewandt war, als unbeschäftigtes Leih-
kapital; im zweiten Fall erscheint es in steigendem Maß ange-
wandt, aber zu sehr niedrigem Zinsfuss, weil jetzt der industrielle
und kommercielle Kapitalist dem Geldkapitalisten die Bedingungen
vorschreibt. Der Ueberfluss an Leihkapital drückt im ersten Fall
eine Stagnation des industriellen Kapitals aus, und im zweiten
relative Unabhängigkeit des kommerciellen Kredits vom Bankkredit,
beruhend auf Flüssigkeit des Rückstroms, kurzen Kreditterminen,
und vorwiegendem Arbeiten mit eignem Kapital. Die Spekulanten,
die auf fremdes Kreditkapital rechnen, sind noch nicht ins Feld
gerückt; die Leute, die mit eignem Kapital arbeiten, sind noch
weit entfernt von annähernd reinen Kreditoperationen. In der
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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