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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Erstes Buch. Drittes Hauptstück.
Collegiums. In einigen Monarchien ist ein Gemisch c)
von Wahl und Erbrecht, wie in Rußland, sofern die Ukase
Peter I. noch als verbindliches Grundgesetz anzusehn ist c),
und in der Türkey, sofern dem Divan aus mehreren Nach-
kommen des Propheten einen Thronfolger zu ernennen
zusteht e).

a) Wie diese bestimmt sey, lehrt das Staatsrecht der einzelnen
Reiche; doch verdient hier angemerkt zu werden, daß jetzt in
allen Erbreichen dem Mannsstamm vor den weiblichen Nach-
kommen ein Vorzug eingeräumt sey; entweder mit gänzlichem
Ausschluß der letzteren, wie bisher in Frankreich, und jetzt in
Schweden und Sardinien, oder so daß erst nach Aussterben des
Mannsstamms in allen Linien die Prinzessinnen folgen, wie in
Dänemark, Spanien, Sicilien, Preußen, oder so, daß nur in
einer Linie der Mannsstamm den weiblichen Descendenten vor-
geht, wie in Großbritannien und Ireland und in Portugal.
b) Auffallende Beyspiele neuerer Zeit liefert hiervon die spanische
Erbfolge nach dem Tode Carls II. und die Oesterreichische nach
dem Tode Carls VI.
c) Gemischte Erbfolge wird sonst insbesondere diejenige genannt,
nach welcher der Thronerbe nicht ehe ein völliges Recht auf
den Thron hat, bis er von der Nation bestädtiget worden.
Achenwall de regnis mixtae successionis. Gottingae 1762. 4. Von
dieser ehemals häufigen Art der Erbfolge haben sich nur noch
hin und wieder schwache Spuren in den Krönungsceremonien
einzelner Könige erhalten.
d) Dieß leugnet Schlötzer in: historische Untersuchungen über
Rußlands Reichsgrundgesetze. Gotha 1777. 8. hingegen Bü-
sching
i. s. Magazin
Th. X. u. Currius über das russische
Successionsgesetz, in Dohms Materialien 3te Lieferung be-
jahen es.
e) Doch kann man wohl darum nicht mit Herrn Neyron Principet
du droit des gens
p.
97. den Türkischen Thron als das Patri-
monium des Mufti ansehen.
§. 22.
Despotische, unumschränkte, eingeschränkte Monarchien.

Wenn in monarchischen Staaten dem Regenten der
ganze Inbegriff der höchsten Gewalt ohne positive Be-

schränkun-

Erſtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Collegiums. In einigen Monarchien iſt ein Gemiſch c)
von Wahl und Erbrecht, wie in Rußland, ſofern die Ukaſe
Peter I. noch als verbindliches Grundgeſetz anzuſehn iſt c),
und in der Tuͤrkey, ſofern dem Divan aus mehreren Nach-
kommen des Propheten einen Thronfolger zu ernennen
zuſteht e).

a) Wie dieſe beſtimmt ſey, lehrt das Staatsrecht der einzelnen
Reiche; doch verdient hier angemerkt zu werden, daß jetzt in
allen Erbreichen dem Mannsſtamm vor den weiblichen Nach-
kommen ein Vorzug eingeraͤumt ſey; entweder mit gaͤnzlichem
Ausſchluß der letzteren, wie bisher in Frankreich, und jetzt in
Schweden und Sardinien, oder ſo daß erſt nach Ausſterben des
Mannsſtamms in allen Linien die Prinzeſſinnen folgen, wie in
Daͤnemark, Spanien, Sicilien, Preußen, oder ſo, daß nur in
einer Linie der Mannsſtamm den weiblichen Deſcendenten vor-
geht, wie in Großbritannien und Ireland und in Portugal.
b) Auffallende Beyſpiele neuerer Zeit liefert hiervon die ſpaniſche
Erbfolge nach dem Tode Carls II. und die Oeſterreichiſche nach
dem Tode Carls VI.
c) Gemiſchte Erbfolge wird ſonſt insbeſondere diejenige genannt,
nach welcher der Thronerbe nicht ehe ein voͤlliges Recht auf
den Thron hat, bis er von der Nation beſtaͤdtiget worden.
Achenwall de regnis mixtae ſucceſſionis. Gottingae 1762. 4. Von
dieſer ehemals haͤufigen Art der Erbfolge haben ſich nur noch
hin und wieder ſchwache Spuren in den Kroͤnungsceremonien
einzelner Koͤnige erhalten.
d) Dieß leugnet Schloͤtzer in: hiſtoriſche Unterſuchungen uͤber
Rußlands Reichsgrundgeſetze. Gotha 1777. 8. hingegen Buͤ-
ſching
i. ſ. Magazin
Th. X. u. Currius uͤber das ruſſiſche
Succeſſionsgeſetz, in Dohms Materialien 3te Lieferung be-
jahen es.
e) Doch kann man wohl darum nicht mit Herrn Neyron Principet
du droit des gens
p.
97. den Tuͤrkiſchen Thron als das Patri-
monium des Mufti anſehen.
§. 22.
Deſpotiſche, unumſchraͤnkte, eingeſchraͤnkte Monarchien.

Wenn in monarchiſchen Staaten dem Regenten der
ganze Inbegriff der hoͤchſten Gewalt ohne poſitive Be-

ſchraͤnkun-
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[34/0062] Erſtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck. Collegiums. In einigen Monarchien iſt ein Gemiſch c) von Wahl und Erbrecht, wie in Rußland, ſofern die Ukaſe Peter I. noch als verbindliches Grundgeſetz anzuſehn iſt c), und in der Tuͤrkey, ſofern dem Divan aus mehreren Nach- kommen des Propheten einen Thronfolger zu ernennen zuſteht e). a⁾ Wie dieſe beſtimmt ſey, lehrt das Staatsrecht der einzelnen Reiche; doch verdient hier angemerkt zu werden, daß jetzt in allen Erbreichen dem Mannsſtamm vor den weiblichen Nach- kommen ein Vorzug eingeraͤumt ſey; entweder mit gaͤnzlichem Ausſchluß der letzteren, wie bisher in Frankreich, und jetzt in Schweden und Sardinien, oder ſo daß erſt nach Ausſterben des Mannsſtamms in allen Linien die Prinzeſſinnen folgen, wie in Daͤnemark, Spanien, Sicilien, Preußen, oder ſo, daß nur in einer Linie der Mannsſtamm den weiblichen Deſcendenten vor- geht, wie in Großbritannien und Ireland und in Portugal. b⁾ Auffallende Beyſpiele neuerer Zeit liefert hiervon die ſpaniſche Erbfolge nach dem Tode Carls II. und die Oeſterreichiſche nach dem Tode Carls VI. c⁾ Gemiſchte Erbfolge wird ſonſt insbeſondere diejenige genannt, nach welcher der Thronerbe nicht ehe ein voͤlliges Recht auf den Thron hat, bis er von der Nation beſtaͤdtiget worden. Achenwall de regnis mixtae ſucceſſionis. Gottingae 1762. 4. Von dieſer ehemals haͤufigen Art der Erbfolge haben ſich nur noch hin und wieder ſchwache Spuren in den Kroͤnungsceremonien einzelner Koͤnige erhalten. d⁾ Dieß leugnet Schloͤtzer in: hiſtoriſche Unterſuchungen uͤber Rußlands Reichsgrundgeſetze. Gotha 1777. 8. hingegen Buͤ- ſching i. ſ. Magazin Th. X. u. Currius uͤber das ruſſiſche Succeſſionsgeſetz, in Dohms Materialien 3te Lieferung be- jahen es. e⁾ Doch kann man wohl darum nicht mit Herrn Neyron Principet du droit des gens p. 97. den Tuͤrkiſchen Thron als das Patri- monium des Mufti anſehen. §. 22. Deſpotiſche, unumſchraͤnkte, eingeſchraͤnkte Monarchien. Wenn in monarchiſchen Staaten dem Regenten der ganze Inbegriff der hoͤchſten Gewalt ohne poſitive Be- ſchraͤnkun-

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/62>, abgerufen am 21.11.2024.