Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch. Viertes Hauptstück.
deln zu können. Unläugbar entfernt sich Frankreichs Ver-
fahren in dem gegenwärtigen Kriege in manchen, wenn
gleich nicht in allen Puncten, von der bisher eingeführten
Kriegsmanier, und wiefern dieses und die dawider hin und
wieder ergriffene Gegen-Maaßregeln in der Folge auf eine
veränderte Art Krieg zu führen wirken werden, kann erst die
Folge Zeit lehren.

a) Ungeachtet man in den Kriegserklärungen noch die alte Formel
de courre faus a l'ennemi beybehalten hat, so ist allgemein aner-
kannt, daß diese ihre Kraft verloren habe. Vattel L. III. chap.
XV.
§. 227.
b) Vattel droit des Gens a. a. O. §. 223.
c) Offenbar widerrechtlich war die Erklärung des österreichischen
Obersten Menzel als er 1742 in Bayern einrückte, s. Moser
Versuch
. B. IX. Th. I. S. 268.
d) Ein Beyspiel eines solchen allgemeinen Aufgebots gab der Kö-
nig von Sardinien 1742. Moser Versuch Th. IX. S. 206.
§. 267.
Von dem Recht auf das Leben des Feindes.

Sobald der Krieg ausgebrochen ist, werden zwar alle
Unterthanen des feindlichen Staats unsere Feinde, und es
ist erlaubt unsere Genugthuung wider sie zu verfolgen. Da
aber wegen eines rechtmäßigen Kriegs kein Theil den andren
strafen kann, so beruhet in diesem das Recht den Feind zu
verwunden und zu tödten allein auf die Gewalt die er uns
entgegen setzt. Daher dürfen I) diejenigen die an den Ge-
waltthätigkeiten keinen Theil nehmen weder verwundet noch
getödtet werden. Dahin gehören nicht nur 1) Kinder, Greise,
Weiber und überhaupt alle diejenigen welche die Waffen
nicht ergreifen dürfen und wirklich nicht ergriffen haben,
auch 2) die im Gefolge der Armee befindlichen Personen
die nicht zum Wehrstande gezählt werden, wie Feldpredi-
ger, Aerzte, Wundärzte, Marquetenter, auch nach dem
Herkommen quartiermeister, Tambour und Pfeiffer, so-
ern die drey letzteren verschonet werden können. Hingegen

II)

Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
deln zu koͤnnen. Unlaͤugbar entfernt ſich Frankreichs Ver-
fahren in dem gegenwaͤrtigen Kriege in manchen, wenn
gleich nicht in allen Puncten, von der bisher eingefuͤhrten
Kriegsmanier, und wiefern dieſes und die dawider hin und
wieder ergriffene Gegen-Maaßregeln in der Folge auf eine
veraͤnderte Art Krieg zu fuͤhren wirken werden, kann erſt die
Folge Zeit lehren.

a) Ungeachtet man in den Kriegserklaͤrungen noch die alte Formel
de courre fûs à l’ennemi beybehalten hat, ſo iſt allgemein aner-
kannt, daß dieſe ihre Kraft verloren habe. Vattel L. III. chap.
XV.
§. 227.
b) Vattel droit des Gens a. a. O. §. 223.
c) Offenbar widerrechtlich war die Erklaͤrung des oͤſterreichiſchen
Oberſten Menzel als er 1742 in Bayern einruͤckte, ſ. Moſer
Verſuch
. B. IX. Th. I. S. 268.
d) Ein Beyſpiel eines ſolchen allgemeinen Aufgebots gab der Koͤ-
nig von Sardinien 1742. Moſer Verſuch Th. IX. S. 206.
§. 267.
Von dem Recht auf das Leben des Feindes.

Sobald der Krieg ausgebrochen iſt, werden zwar alle
Unterthanen des feindlichen Staats unſere Feinde, und es
iſt erlaubt unſere Genugthuung wider ſie zu verfolgen. Da
aber wegen eines rechtmaͤßigen Kriegs kein Theil den andren
ſtrafen kann, ſo beruhet in dieſem das Recht den Feind zu
verwunden und zu toͤdten allein auf die Gewalt die er uns
entgegen ſetzt. Daher duͤrfen I) diejenigen die an den Ge-
waltthaͤtigkeiten keinen Theil nehmen weder verwundet noch
getoͤdtet werden. Dahin gehoͤren nicht nur 1) Kinder, Greiſe,
Weiber und uͤberhaupt alle diejenigen welche die Waffen
nicht ergreifen duͤrfen und wirklich nicht ergriffen haben,
auch 2) die im Gefolge der Armee befindlichen Perſonen
die nicht zum Wehrſtande gezaͤhlt werden, wie Feldpredi-
ger, Aerzte, Wundaͤrzte, Marquetenter, auch nach dem
Herkommen quartiermeiſter, Tambour und Pfeiffer, ſo-
ern die drey letzteren verſchonet werden koͤnnen. Hingegen

II)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0334" n="306"/><fw place="top" type="header">Achtes Buch. Viertes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</fw><lb/>
deln zu ko&#x0364;nnen. Unla&#x0364;ugbar entfernt &#x017F;ich Frankreichs Ver-<lb/>
fahren in dem gegenwa&#x0364;rtigen Kriege in manchen, wenn<lb/>
gleich nicht in allen Puncten, von der bisher eingefu&#x0364;hrten<lb/>
Kriegsmanier, und wiefern die&#x017F;es und die dawider hin und<lb/>
wieder ergriffene Gegen-Maaßregeln in der Folge auf eine<lb/>
vera&#x0364;nderte Art Krieg zu fu&#x0364;hren wirken werden, kann er&#x017F;t die<lb/>
Folge Zeit lehren.</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">Ungeachtet man in den Kriegserkla&#x0364;rungen noch die alte Formel<lb/><hi rendition="#aq">de courre fûs à l&#x2019;ennemi</hi> beybehalten hat, &#x017F;o i&#x017F;t allgemein aner-<lb/>
kannt, daß die&#x017F;e ihre Kraft verloren habe. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Vattel</hi> L. III. chap.<lb/>
XV.</hi> §. 227.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Vattel</hi><hi rendition="#i">droit des Gens</hi></hi> a. a. O. §. 223.</note><lb/>
            <note place="end" n="c)">Offenbar widerrechtlich war die Erkla&#x0364;rung des o&#x0364;&#x017F;terreichi&#x017F;chen<lb/>
Ober&#x017F;ten Menzel als er 1742 in Bayern einru&#x0364;ckte, &#x017F;. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi><lb/>
Ver&#x017F;uch</hi>. B. <hi rendition="#aq">IX.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 268.</note><lb/>
            <note place="end" n="d)">Ein Bey&#x017F;piel eines &#x017F;olchen allgemeinen Aufgebots gab der Ko&#x0364;-<lb/>
nig von Sardinien 1742. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> Ver&#x017F;uch</hi> Th. <hi rendition="#aq">IX.</hi> S. 206.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 267.<lb/><hi rendition="#fr">Von dem Recht auf das Leben des Feindes</hi>.</head><lb/>
            <p>Sobald der Krieg ausgebrochen i&#x017F;t, werden zwar alle<lb/>
Unterthanen des feindlichen Staats un&#x017F;ere Feinde, und es<lb/>
i&#x017F;t erlaubt un&#x017F;ere Genugthuung wider &#x017F;ie zu verfolgen. Da<lb/>
aber wegen eines rechtma&#x0364;ßigen Kriegs kein Theil den andren<lb/>
&#x017F;trafen kann, &#x017F;o beruhet in die&#x017F;em das Recht den Feind zu<lb/>
verwunden und zu to&#x0364;dten allein auf die Gewalt die er uns<lb/>
entgegen &#x017F;etzt. Daher du&#x0364;rfen <hi rendition="#aq">I</hi>) diejenigen die an den Ge-<lb/>
walttha&#x0364;tigkeiten keinen Theil nehmen weder verwundet noch<lb/>
geto&#x0364;dtet werden. Dahin geho&#x0364;ren nicht nur 1) Kinder, Grei&#x017F;e,<lb/>
Weiber und u&#x0364;berhaupt alle diejenigen welche die Waffen<lb/>
nicht ergreifen du&#x0364;rfen und wirklich nicht ergriffen haben,<lb/>
auch 2) die im Gefolge der Armee befindlichen Per&#x017F;onen<lb/>
die nicht zum Wehr&#x017F;tande geza&#x0364;hlt werden, wie Feldpredi-<lb/>
ger, Aerzte, Wunda&#x0364;rzte, Marquetenter, auch nach dem<lb/>
Herkommen quartiermei&#x017F;ter, Tambour und Pfeiffer, &#x017F;o-<lb/>
ern die drey letzteren ver&#x017F;chonet werden ko&#x0364;nnen. Hingegen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">II</hi>)</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0334] Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck. deln zu koͤnnen. Unlaͤugbar entfernt ſich Frankreichs Ver- fahren in dem gegenwaͤrtigen Kriege in manchen, wenn gleich nicht in allen Puncten, von der bisher eingefuͤhrten Kriegsmanier, und wiefern dieſes und die dawider hin und wieder ergriffene Gegen-Maaßregeln in der Folge auf eine veraͤnderte Art Krieg zu fuͤhren wirken werden, kann erſt die Folge Zeit lehren. a⁾ Ungeachtet man in den Kriegserklaͤrungen noch die alte Formel de courre fûs à l’ennemi beybehalten hat, ſo iſt allgemein aner- kannt, daß dieſe ihre Kraft verloren habe. Vattel L. III. chap. XV. §. 227. b⁾ Vattel droit des Gens a. a. O. §. 223. c⁾ Offenbar widerrechtlich war die Erklaͤrung des oͤſterreichiſchen Oberſten Menzel als er 1742 in Bayern einruͤckte, ſ. Moſer Verſuch. B. IX. Th. I. S. 268. d⁾ Ein Beyſpiel eines ſolchen allgemeinen Aufgebots gab der Koͤ- nig von Sardinien 1742. Moſer Verſuch Th. IX. S. 206. §. 267. Von dem Recht auf das Leben des Feindes. Sobald der Krieg ausgebrochen iſt, werden zwar alle Unterthanen des feindlichen Staats unſere Feinde, und es iſt erlaubt unſere Genugthuung wider ſie zu verfolgen. Da aber wegen eines rechtmaͤßigen Kriegs kein Theil den andren ſtrafen kann, ſo beruhet in dieſem das Recht den Feind zu verwunden und zu toͤdten allein auf die Gewalt die er uns entgegen ſetzt. Daher duͤrfen I) diejenigen die an den Ge- waltthaͤtigkeiten keinen Theil nehmen weder verwundet noch getoͤdtet werden. Dahin gehoͤren nicht nur 1) Kinder, Greiſe, Weiber und uͤberhaupt alle diejenigen welche die Waffen nicht ergreifen duͤrfen und wirklich nicht ergriffen haben, auch 2) die im Gefolge der Armee befindlichen Perſonen die nicht zum Wehrſtande gezaͤhlt werden, wie Feldpredi- ger, Aerzte, Wundaͤrzte, Marquetenter, auch nach dem Herkommen quartiermeiſter, Tambour und Pfeiffer, ſo- ern die drey letzteren verſchonet werden koͤnnen. Hingegen II)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/334
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/334>, abgerufen am 21.11.2024.