Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Buch. Zweytes Hauptstück.
§. 248.
Anwendung auf teutsche Reichsstände.

Ansprüche gegen Stände des teutschen Reichs, sie mö-
gen von Mitständen, oder von Auswärtigen gemacht werden,
gehören zwar der Regel nach vor die Reichsgerichte, so daß
hier das Beweißverfahren nach Grundsätzen des positiven
bürgerlichen Rechts zu beurtheilen ist a); doch giebt es un-
läugbar Ausnahmen von dieser Regel, wo nicht nur bey
Anforderungen Auswärtiger, sondern selbst teutscher Mit-
stände die Reichsgerichte entweder überhaupt, oder nach den
Umständen nicht erkennen können, und daher der Beweis
nur auf den Fuß des Völkerrechts sich führen läßt.

Eben dies tritt allgemein bey Anforderungen teutscher
Reichsstände gegen Auswärtige ein, sie mögen von dem be-
schwerten Theile allein, oder mit Vertretung des Reichs
verfolget werden.

a) Hier kann also die in dem Herkommen gegründete juristische Be-
weißkraft der Archive in ganz anderem Betracht kommen als zwi-
schen freyen Völkern. Die Schriften über diese Beweißkraft s.
in Pütter jurist. Litteratur Th. III. S. 202 u. f.
Zweytes Hauptstück.
Retorsion und Represalien
.
§. 249.
Grade der Selbsthülfe.

Ist die Anforderung gehörig ins Licht gesetzt, so muß
der Regel nach eine gütliche Anmahnung, sie geschehe un-
mittelbar, oder mittelbar durch einen dritten, vor den wirk-
lichen Thätlichkeiten hergehn; doch ist bey einer gegründeten
Anforderung eine Nation so wenig einen Schidesrichter, als
überhaupt einen Vergleich sich gefallen zu lassen schuldig.
Schlägt daher der Weg der Güte nicht an, oder man sieht
voraus, daß er nicht gelingen werde, so bleibt unter freyen
Völkern, da sie keinen höheren Richter über sich erkennen,

kein
Achtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
§. 248.
Anwendung auf teutſche Reichsſtaͤnde.

Anſpruͤche gegen Staͤnde des teutſchen Reichs, ſie moͤ-
gen von Mitſtaͤnden, oder von Auswaͤrtigen gemacht werden,
gehoͤren zwar der Regel nach vor die Reichsgerichte, ſo daß
hier das Beweißverfahren nach Grundſaͤtzen des poſitiven
buͤrgerlichen Rechts zu beurtheilen iſt a); doch giebt es un-
laͤugbar Ausnahmen von dieſer Regel, wo nicht nur bey
Anforderungen Auswaͤrtiger, ſondern ſelbſt teutſcher Mit-
ſtaͤnde die Reichsgerichte entweder uͤberhaupt, oder nach den
Umſtaͤnden nicht erkennen koͤnnen, und daher der Beweis
nur auf den Fuß des Voͤlkerrechts ſich fuͤhren laͤßt.

Eben dies tritt allgemein bey Anforderungen teutſcher
Reichsſtaͤnde gegen Auswaͤrtige ein, ſie moͤgen von dem be-
ſchwerten Theile allein, oder mit Vertretung des Reichs
verfolget werden.

a) Hier kann alſo die in dem Herkommen gegruͤndete juriſtiſche Be-
weißkraft der Archive in ganz anderem Betracht kommen als zwi-
ſchen freyen Voͤlkern. Die Schriften uͤber dieſe Beweißkraft ſ.
in Puͤtter juriſt. Litteratur Th. III. S. 202 u. f.
Zweytes Hauptſtuͤck.
Retorſion und Repreſalien
.
§. 249.
Grade der Selbſthuͤlfe.

Iſt die Anforderung gehoͤrig ins Licht geſetzt, ſo muß
der Regel nach eine guͤtliche Anmahnung, ſie geſchehe un-
mittelbar, oder mittelbar durch einen dritten, vor den wirk-
lichen Thaͤtlichkeiten hergehn; doch iſt bey einer gegruͤndeten
Anforderung eine Nation ſo wenig einen Schidesrichter, als
uͤberhaupt einen Vergleich ſich gefallen zu laſſen ſchuldig.
Schlaͤgt daher der Weg der Guͤte nicht an, oder man ſieht
voraus, daß er nicht gelingen werde, ſo bleibt unter freyen
Voͤlkern, da ſie keinen hoͤheren Richter uͤber ſich erkennen,

kein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0318" n="290"/>
          <fw place="top" type="header">Achtes Buch. Zweytes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 248.<lb/><hi rendition="#fr">Anwendung auf teut&#x017F;che Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde</hi>.</head><lb/>
            <p>An&#x017F;pru&#x0364;che gegen Sta&#x0364;nde des teut&#x017F;chen Reichs, &#x017F;ie mo&#x0364;-<lb/>
gen von Mit&#x017F;ta&#x0364;nden, oder von Auswa&#x0364;rtigen gemacht werden,<lb/>
geho&#x0364;ren zwar der Regel nach vor die Reichsgerichte, &#x017F;o daß<lb/>
hier das Beweißverfahren nach Grund&#x017F;a&#x0364;tzen des po&#x017F;itiven<lb/>
bu&#x0364;rgerlichen Rechts zu beurtheilen i&#x017F;t <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>); doch giebt es un-<lb/>
la&#x0364;ugbar Ausnahmen von die&#x017F;er Regel, wo nicht nur bey<lb/>
Anforderungen Auswa&#x0364;rtiger, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t teut&#x017F;cher Mit-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde die Reichsgerichte entweder u&#x0364;berhaupt, oder nach den<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden nicht erkennen ko&#x0364;nnen, und daher der Beweis<lb/>
nur auf den Fuß des Vo&#x0364;lkerrechts &#x017F;ich fu&#x0364;hren la&#x0364;ßt.</p><lb/>
            <p>Eben dies tritt allgemein bey Anforderungen teut&#x017F;cher<lb/>
Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde gegen Auswa&#x0364;rtige ein, &#x017F;ie mo&#x0364;gen von dem be-<lb/>
&#x017F;chwerten Theile allein, oder mit Vertretung des Reichs<lb/>
verfolget werden.</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">Hier kann al&#x017F;o die in dem Herkommen gegru&#x0364;ndete juri&#x017F;ti&#x017F;che Be-<lb/>
weißkraft der Archive in ganz anderem Betracht kommen als zwi-<lb/>
&#x017F;chen freyen Vo&#x0364;lkern. Die Schriften u&#x0364;ber die&#x017F;e Beweißkraft &#x017F;.<lb/>
in <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Pu&#x0364;tter</hi> juri&#x017F;t. Litteratur</hi> Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 202 u. f.</note>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Zweytes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck</hi>.<lb/>
Retor&#x017F;ion und Repre&#x017F;alien</hi>.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 249.<lb/><hi rendition="#fr">Grade der Selb&#x017F;thu&#x0364;lfe</hi>.</head><lb/>
            <p>I&#x017F;t die Anforderung geho&#x0364;rig ins Licht ge&#x017F;etzt, &#x017F;o muß<lb/>
der Regel nach eine gu&#x0364;tliche Anmahnung, &#x017F;ie ge&#x017F;chehe un-<lb/>
mittelbar, oder mittelbar durch einen dritten, vor den wirk-<lb/>
lichen Tha&#x0364;tlichkeiten hergehn; doch i&#x017F;t bey einer gegru&#x0364;ndeten<lb/>
Anforderung eine Nation &#x017F;o wenig einen Schidesrichter, als<lb/>
u&#x0364;berhaupt einen Vergleich &#x017F;ich gefallen zu la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chuldig.<lb/>
Schla&#x0364;gt daher der Weg der Gu&#x0364;te nicht an, oder man &#x017F;ieht<lb/>
voraus, daß er nicht gelingen werde, &#x017F;o bleibt unter freyen<lb/>
Vo&#x0364;lkern, da &#x017F;ie keinen ho&#x0364;heren Richter u&#x0364;ber &#x017F;ich erkennen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kein</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0318] Achtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck. §. 248. Anwendung auf teutſche Reichsſtaͤnde. Anſpruͤche gegen Staͤnde des teutſchen Reichs, ſie moͤ- gen von Mitſtaͤnden, oder von Auswaͤrtigen gemacht werden, gehoͤren zwar der Regel nach vor die Reichsgerichte, ſo daß hier das Beweißverfahren nach Grundſaͤtzen des poſitiven buͤrgerlichen Rechts zu beurtheilen iſt a); doch giebt es un- laͤugbar Ausnahmen von dieſer Regel, wo nicht nur bey Anforderungen Auswaͤrtiger, ſondern ſelbſt teutſcher Mit- ſtaͤnde die Reichsgerichte entweder uͤberhaupt, oder nach den Umſtaͤnden nicht erkennen koͤnnen, und daher der Beweis nur auf den Fuß des Voͤlkerrechts ſich fuͤhren laͤßt. Eben dies tritt allgemein bey Anforderungen teutſcher Reichsſtaͤnde gegen Auswaͤrtige ein, ſie moͤgen von dem be- ſchwerten Theile allein, oder mit Vertretung des Reichs verfolget werden. a⁾ Hier kann alſo die in dem Herkommen gegruͤndete juriſtiſche Be- weißkraft der Archive in ganz anderem Betracht kommen als zwi- ſchen freyen Voͤlkern. Die Schriften uͤber dieſe Beweißkraft ſ. in Puͤtter juriſt. Litteratur Th. III. S. 202 u. f. Zweytes Hauptſtuͤck. Retorſion und Repreſalien. §. 249. Grade der Selbſthuͤlfe. Iſt die Anforderung gehoͤrig ins Licht geſetzt, ſo muß der Regel nach eine guͤtliche Anmahnung, ſie geſchehe un- mittelbar, oder mittelbar durch einen dritten, vor den wirk- lichen Thaͤtlichkeiten hergehn; doch iſt bey einer gegruͤndeten Anforderung eine Nation ſo wenig einen Schidesrichter, als uͤberhaupt einen Vergleich ſich gefallen zu laſſen ſchuldig. Schlaͤgt daher der Weg der Guͤte nicht an, oder man ſieht voraus, daß er nicht gelingen werde, ſo bleibt unter freyen Voͤlkern, da ſie keinen hoͤheren Richter uͤber ſich erkennen, kein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/318
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/318>, abgerufen am 21.12.2024.