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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Siebentes Buch. Fünftes Hauptstück.
stament einer Person ihres Gefolges aufnehmen und dadurch die-
sem die Kraft eines gerichtlichen Testaments beylegen können,
scheint mir ungezweifelt; ob aber eben dieses statt habe wenn ein
Fremder bey ihm ein Testament niederlegt, scheint, sofern dazu die
Competenz des Richters nicht erfordert wird, von der Frage abzu-
hängen, ob dem Gesandten überhaupt völlige Gerichtbarkeit aner-
kannt werde.
f) Das Recht in seinem Hotel ein Criminial-Urtheil zu sprechen
und zu vollziehn wird jetzt kein Gesandter der christlichen Mächte
leicht behaupten, ob es gleich ehemahls Beyspiele der Art gege-
ben und noch jetzt die türkischen Gesandten sich dergleichen zuwei-
len erlaubt haben, wenn schon die ausgedehntere Gerichtbarkeit
die man zu Constantinopel den auswärtigen Gesandten gestattet,
sich nicht bis dahin erstreckt. Moser Versuch Th. IV. Cap. 19.
Dieses Recht würde man selbst den fremden Souverainen wenn sie
in Person kämen nicht einräumen, und mehr als diese können die
Gesandten nicht begehren. Frankreich würde über das Betragen
der Königinn Christina gegen Monaldeschi gewiß selbst dann sich
beschwert haben, wenn sie auch noch regierende Königinn gewe-
sen wäre.
§. 217.
Ius asyli.

Die Befreyung des Gesandten von der Gerichtbar-
keit erstreckt sich auch in sofern auf sein Hotel, daß den
gemeinen Polizey- Zoll- und anderen Bedienten des Staats
in dasselbige einzudringen und hier Durchsuchungen so wie
in dem Hause eines bloßen Privatmanns anzustellen nicht
zusteht. Dieser Punct ist außer Streit a). Kann aber
der Gesandte sein Haus zum Zufluchtsort b) für Verbre-
cher machen, und der Obrigkeit die sie verfolgt ihre Auslie-
ferung verweigern, und wie weit gehn in diesem Fall die
Rechte der letzteren?

Wäre der Grundsatz der Exterritorialität in seiner
ganzen Ausdehnung gegründet, so würde ein Verbrecher
der in das Haus eines Gesandten geflüchtet ist angesehn
werden müssen, als ob er außer Landes geflohen wäre, und

daher
Siebentes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
ſtament einer Perſon ihres Gefolges aufnehmen und dadurch die-
ſem die Kraft eines gerichtlichen Teſtaments beylegen koͤnnen,
ſcheint mir ungezweifelt; ob aber eben dieſes ſtatt habe wenn ein
Fremder bey ihm ein Teſtament niederlegt, ſcheint, ſofern dazu die
Competenz des Richters nicht erfordert wird, von der Frage abzu-
haͤngen, ob dem Geſandten uͤberhaupt voͤllige Gerichtbarkeit aner-
kannt werde.
f) Das Recht in ſeinem Hotel ein Criminial-Urtheil zu ſprechen
und zu vollziehn wird jetzt kein Geſandter der chriſtlichen Maͤchte
leicht behaupten, ob es gleich ehemahls Beyſpiele der Art gege-
ben und noch jetzt die tuͤrkiſchen Geſandten ſich dergleichen zuwei-
len erlaubt haben, wenn ſchon die ausgedehntere Gerichtbarkeit
die man zu Conſtantinopel den auswaͤrtigen Geſandten geſtattet,
ſich nicht bis dahin erſtreckt. Moſer Verſuch Th. IV. Cap. 19.
Dieſes Recht wuͤrde man ſelbſt den fremden Souverainen wenn ſie
in Perſon kaͤmen nicht einraͤumen, und mehr als dieſe koͤnnen die
Geſandten nicht begehren. Frankreich wuͤrde uͤber das Betragen
der Koͤniginn Chriſtina gegen Monaldeſchi gewiß ſelbſt dann ſich
beſchwert haben, wenn ſie auch noch regierende Koͤniginn gewe-
ſen waͤre.
§. 217.
Ius aſyli.

Die Befreyung des Geſandten von der Gerichtbar-
keit erſtreckt ſich auch in ſofern auf ſein Hotel, daß den
gemeinen Polizey- Zoll- und anderen Bedienten des Staats
in daſſelbige einzudringen und hier Durchſuchungen ſo wie
in dem Hauſe eines bloßen Privatmanns anzuſtellen nicht
zuſteht. Dieſer Punct iſt außer Streit a). Kann aber
der Geſandte ſein Haus zum Zufluchtsort b) fuͤr Verbre-
cher machen, und der Obrigkeit die ſie verfolgt ihre Auslie-
ferung verweigern, und wie weit gehn in dieſem Fall die
Rechte der letzteren?

Waͤre der Grundſatz der Exterritorialitaͤt in ſeiner
ganzen Ausdehnung gegruͤndet, ſo wuͤrde ein Verbrecher
der in das Haus eines Geſandten gefluͤchtet iſt angeſehn
werden muͤſſen, als ob er außer Landes geflohen waͤre, und

daher
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[258/0286] Siebentes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck. e⁾ ſtament einer Perſon ihres Gefolges aufnehmen und dadurch die- ſem die Kraft eines gerichtlichen Teſtaments beylegen koͤnnen, ſcheint mir ungezweifelt; ob aber eben dieſes ſtatt habe wenn ein Fremder bey ihm ein Teſtament niederlegt, ſcheint, ſofern dazu die Competenz des Richters nicht erfordert wird, von der Frage abzu- haͤngen, ob dem Geſandten uͤberhaupt voͤllige Gerichtbarkeit aner- kannt werde. f⁾ Das Recht in ſeinem Hotel ein Criminial-Urtheil zu ſprechen und zu vollziehn wird jetzt kein Geſandter der chriſtlichen Maͤchte leicht behaupten, ob es gleich ehemahls Beyſpiele der Art gege- ben und noch jetzt die tuͤrkiſchen Geſandten ſich dergleichen zuwei- len erlaubt haben, wenn ſchon die ausgedehntere Gerichtbarkeit die man zu Conſtantinopel den auswaͤrtigen Geſandten geſtattet, ſich nicht bis dahin erſtreckt. Moſer Verſuch Th. IV. Cap. 19. Dieſes Recht wuͤrde man ſelbſt den fremden Souverainen wenn ſie in Perſon kaͤmen nicht einraͤumen, und mehr als dieſe koͤnnen die Geſandten nicht begehren. Frankreich wuͤrde uͤber das Betragen der Koͤniginn Chriſtina gegen Monaldeſchi gewiß ſelbſt dann ſich beſchwert haben, wenn ſie auch noch regierende Koͤniginn gewe- ſen waͤre. §. 217. Ius aſyli. Die Befreyung des Geſandten von der Gerichtbar- keit erſtreckt ſich auch in ſofern auf ſein Hotel, daß den gemeinen Polizey- Zoll- und anderen Bedienten des Staats in daſſelbige einzudringen und hier Durchſuchungen ſo wie in dem Hauſe eines bloßen Privatmanns anzuſtellen nicht zuſteht. Dieſer Punct iſt außer Streit a). Kann aber der Geſandte ſein Haus zum Zufluchtsort b) fuͤr Verbre- cher machen, und der Obrigkeit die ſie verfolgt ihre Auslie- ferung verweigern, und wie weit gehn in dieſem Fall die Rechte der letzteren? Waͤre der Grundſatz der Exterritorialitaͤt in ſeiner ganzen Ausdehnung gegruͤndet, ſo wuͤrde ein Verbrecher der in das Haus eines Geſandten gefluͤchtet iſt angeſehn werden muͤſſen, als ob er außer Landes geflohen waͤre, und daher

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/286>, abgerufen am 21.11.2024.