Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

Bild:
<< vorherige Seite
CAP. VIII.
Von den Bey-Wörtern oder
Zusatz.

1.

BEy-Wörter müssen solche Copulativa seyn/ wel-
che der Sachen eine Farbe/ anstreichen/ und
diese sind nicht allein den Poeten erlaubet/ sondern
auch von der günstigen Lehr-Meisterin/ der Natur
anbefohlen/ umb die Sachen dadurch desto vollkomm-
ner und lebhaffter vorzustellen. Auch müssen sol-
che cum judicio nach Beschaffenheit der Sachen an-
gehefftet werden.

2. Ein fügliches Zusatz-Wort/ giebt dem Versse
eine sonderbahre Zierde/ also legt Hoffmanswaldau
zn gelegner Materie der Sünde das Epitheton zu:
Die schöne Sünde. vid. Helden-Brieffe pag. 137. Ze-
sius
dem Schnee/ der heilige Schnee/ pag. 202. sei-
nes Helicons/ Caspari dem Glaße das Wort schwir-
rend in seiner Cleopatra vs. 299. Die Grüffte nennt
er/ die mosichten Grüffte/ und Opitz die Carthaunen/
die donnernde etc. Allein das ist nur nach Gelegen-
heit der Materie und Invention cum grano salis zu
appliciren/ nicht aber auff jedem Marckte aufzufüh-
ren/ denn es geht den Worten/ nach Sforzae Pallavicini
Urtheil/ wie den Menschen/ die ihre Ehre oder Schan-
de erlangen von denjenigen Personen/ mit welchen sie
sich gemein machen. vid. Harsdörffer Poet. Trichter
Part. 3. pag. 20. Epithetis utendum non tanquam

cibis
CAP. VIII.
Von den Bey-Woͤrtern oder
Zuſatz.

1.

BEy-Woͤrter muͤſſen ſolche Copulativa ſeyn/ wel-
che der Sachen eine Farbe/ anſtreichen/ und
dieſe ſind nicht allein den Poeten erlaubet/ ſondern
auch von der guͤnſtigen Lehr-Meiſterin/ der Natur
anbefohlen/ umb die Sachen dadurch deſto vollkom̃-
ner und lebhaffter vorzuſtellen. Auch muͤſſen ſol-
che cum judicio nach Beſchaffenheit der Sachen an-
gehefftet werden.

2. Ein fuͤgliches Zuſatz-Wort/ giebt dem Verſſe
eine ſonderbahre Zierde/ alſo legt Hoffmanswaldau
zn gelegner Materie der Suͤnde das Epitheton zu:
Die ſchoͤne Suͤnde. vid. Helden-Brieffe pag. 137. Ze-
ſius
dem Schnee/ der heilige Schnee/ pag. 202. ſei-
nes Helicons/ Caſpari dem Glaße das Wort ſchwir-
rend in ſeiner Cleopatra vſ. 299. Die Gruͤffte nennt
er/ die moſichten Gruͤffte/ und Opitz die Carthaunen/
die donnernde etc. Allein das iſt nur nach Gelegen-
heit der Materie und Invention cum grano ſalis zu
appliciren/ nicht aber auff jedem Marckte aufzufuͤh-
ren/ denn es geht den Worten/ nach Sforzæ Pallavicini
Urtheil/ wie den Menſchen/ die ihre Ehre oder Schan-
de erlangen von denjenigen Perſonen/ mit welchen ſie
ſich gemein machen. vid. Harsdoͤrffer Poet. Trichter
Part. 3. pag. 20. Epithetis utendum non tanquam

cibis
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0066" n="54"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">CAP. VIII.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Von den Bey-Wo&#x0364;rtern oder<lb/>
Zu&#x017F;atz.</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">1.</hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#in">B</hi>Ey-Wo&#x0364;rter mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Copulativa</hi> &#x017F;eyn/ wel-<lb/>
che der Sachen eine Farbe/ an&#x017F;treichen/ und<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;ind nicht allein den Poeten erlaubet/ &#x017F;ondern<lb/>
auch von der gu&#x0364;n&#x017F;tigen Lehr-Mei&#x017F;terin/ der Natur<lb/>
anbefohlen/ umb die Sachen dadurch de&#x017F;to vollkom&#x0303;-<lb/>
ner und lebhaffter vorzu&#x017F;tellen. Auch mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ol-<lb/>
che <hi rendition="#aq">cum judicio</hi> nach Be&#x017F;chaffenheit der Sachen an-<lb/>
gehefftet werden.</p><lb/>
          <p>2. Ein fu&#x0364;gliches Zu&#x017F;atz-Wort/ giebt dem Ver&#x017F;&#x017F;e<lb/>
eine &#x017F;onderbahre Zierde/ al&#x017F;o legt Hoffmanswaldau<lb/>
zn gelegner Materie der Su&#x0364;nde das <hi rendition="#aq">Epitheton</hi> zu:<lb/>
Die &#x017F;cho&#x0364;ne Su&#x0364;nde. <hi rendition="#aq">vid.</hi> Helden-Brieffe <hi rendition="#aq">pag. 137. Ze-<lb/>
&#x017F;ius</hi> dem Schnee/ der heilige Schnee/ <hi rendition="#aq">pag.</hi> 202. &#x017F;ei-<lb/>
nes Helicons/ Ca&#x017F;pari dem Glaße das Wort &#x017F;chwir-<lb/>
rend in &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Cleopatra v&#x017F;.</hi> 299. Die Gru&#x0364;ffte nennt<lb/>
er/ die mo&#x017F;ichten Gru&#x0364;ffte/ und Opitz die Carthaunen/<lb/>
die donnernde etc. Allein das i&#x017F;t nur nach Gelegen-<lb/>
heit der Materie und <hi rendition="#aq">Invention cum grano &#x017F;alis</hi> zu<lb/><hi rendition="#aq">applici</hi>ren/ nicht aber auff jedem Marckte aufzufu&#x0364;h-<lb/>
ren/ denn es geht den Worten/ nach <hi rendition="#aq">Sforzæ Pallavicini</hi><lb/>
Urtheil/ wie den Men&#x017F;chen/ die ihre Ehre oder Schan-<lb/>
de erlangen von denjenigen Per&#x017F;onen/ mit welchen &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich gemein machen. <hi rendition="#aq">vid.</hi> Harsdo&#x0364;rffer Poet. Trichter<lb/><hi rendition="#aq">Part. 3. pag. 20. Epithetis utendum non tanquam</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">cibis</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0066] CAP. VIII. Von den Bey-Woͤrtern oder Zuſatz. 1. BEy-Woͤrter muͤſſen ſolche Copulativa ſeyn/ wel- che der Sachen eine Farbe/ anſtreichen/ und dieſe ſind nicht allein den Poeten erlaubet/ ſondern auch von der guͤnſtigen Lehr-Meiſterin/ der Natur anbefohlen/ umb die Sachen dadurch deſto vollkom̃- ner und lebhaffter vorzuſtellen. Auch muͤſſen ſol- che cum judicio nach Beſchaffenheit der Sachen an- gehefftet werden. 2. Ein fuͤgliches Zuſatz-Wort/ giebt dem Verſſe eine ſonderbahre Zierde/ alſo legt Hoffmanswaldau zn gelegner Materie der Suͤnde das Epitheton zu: Die ſchoͤne Suͤnde. vid. Helden-Brieffe pag. 137. Ze- ſius dem Schnee/ der heilige Schnee/ pag. 202. ſei- nes Helicons/ Caſpari dem Glaße das Wort ſchwir- rend in ſeiner Cleopatra vſ. 299. Die Gruͤffte nennt er/ die moſichten Gruͤffte/ und Opitz die Carthaunen/ die donnernde etc. Allein das iſt nur nach Gelegen- heit der Materie und Invention cum grano ſalis zu appliciren/ nicht aber auff jedem Marckte aufzufuͤh- ren/ denn es geht den Worten/ nach Sforzæ Pallavicini Urtheil/ wie den Menſchen/ die ihre Ehre oder Schan- de erlangen von denjenigen Perſonen/ mit welchen ſie ſich gemein machen. vid. Harsdoͤrffer Poet. Trichter Part. 3. pag. 20. Epithetis utendum non tanquam cibis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe von 1704 handelt es sich, um die … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/66
Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/66>, abgerufen am 21.12.2024.