schenswerth, wenn sich die Vermuthung rechtfertigt, dass die Haut der Blutgefässcapillaren und die der feinsten Drüsengänge aus elastischem Gewebe gebildet ist.
4. Ernährung. a) Die Zusammensetzung des festen Stoffs beweist, dass er aus eiweissartigen Atomen hervorgegangen sein muss; eine Hin- deutung auf die hierbei vorkommende chemische Umsetzung gewährt die eben mitgetheilte Erfahrung von Zollikofer, welche darthut, dass aus dem Eiweiss, indem es in elastisches Gewebe übergegangen, die Atom- gruppe entfernt wurde, aus der das Tyrosin hervorgeht bei der durch Schwefelsäure eingeleiteten Eiweisszersetzung. -- Die Formfolge, welche bei der Hervorbildung des elastischen Stoffs aus der Flüssigkeit auftritt, ist bis dahin noch Gegenstand des Streites; einige Anatomen, unter ihnen Schwann, Kölliker, Virchow und Donders, behaupten, dass es ein Umwandelungsprodukt vorgängig entstandener Zellen sei, während Henle*) aus der Untersuchung des Nackenbrandes die Berechtigung für eine solche Annahme bestreitet. Bei der bekannten Gründlichkeit beider Parteien kann die Ursache der Abweichung nur in der noch mangelhaften Methodik gefunden werden. Die elastischen Gewebsformen gehören zu denjenigen, welche sich auch im ausgewachsenen Organismus neu bilden können. -- b) Von den Veränderungen des einmal aufgebauten Gewebes ist wenig bekannt. Seine Armuth an Blutgefässen lässt schliessen, dass sein Umsatz während des Lebens gering sei; hiermit in Uebereinstimmung steht die Thatsache, dass es bei Abmagerung aller übrigen Körperbestand- theile an Gewicht und Umfang nicht beträchtlich abnimmt. Von einer jeglichen Veränderung während des Lebens ist es jedoch nicht ausge- schlossen, denn es kann an einzelnen Orten unter günstigen Umständen schwinden, wie dieses thatsächlich an den Wandungen solcher Gefässe, deren Lumen verschlossen wurde, feststeht. -- Einen besondern Weg würde die sich in ihm verbreitende Flüssigkeit finden, wenn die Röhrennatur der sog. Kernfasern festgestellt würde; in diesem kleinen geschlossenen Canal- system würde sich die Flüssigkeit, nachdem sie in dasselbe auf endosmo- tischem Wege eingedrungen wäre, leicht verbreiten können.
Bindegewebe.
1) Der anatomischen Untersuchung **) nach besteht das Bindegewebe aus strukturlosen sehr dünnen Häutchen (Reichert), in welche feinste Fasern eingewebt sind; diese verlaufen, zu Bündeln vereinigt, der homo- genen Grundlage bald gleichgerichtet und bald gekreuzt. Wo das Binde- gewebe in grössern Massen zusammengehäuft auftritt, sind die Faserbün- del in mehr oder weniger regelmässigen Abständen inniger zusammen- geballt, so dass auf dem Querschnitt relativ faserfreie mit faserhaltigen
*) l. c. 1851. p 29.
**) Siehe die Litteratur des elastischen Gewebes.
Elastisches Gewebe.
schenswerth, wenn sich die Vermuthung rechtfertigt, dass die Haut der Blutgefässcapillaren und die der feinsten Drüsengänge aus elastischem Gewebe gebildet ist.
4. Ernährung. a) Die Zusammensetzung des festen Stoffs beweist, dass er aus eiweissartigen Atomen hervorgegangen sein muss; eine Hin- deutung auf die hierbei vorkommende chemische Umsetzung gewährt die eben mitgetheilte Erfahrung von Zollikofer, welche darthut, dass aus dem Eiweiss, indem es in elastisches Gewebe übergegangen, die Atom- gruppe entfernt wurde, aus der das Tyrosin hervorgeht bei der durch Schwefelsäure eingeleiteten Eiweisszersetzung. — Die Formfolge, welche bei der Hervorbildung des elastischen Stoffs aus der Flüssigkeit auftritt, ist bis dahin noch Gegenstand des Streites; einige Anatomen, unter ihnen Schwann, Kölliker, Virchow und Donders, behaupten, dass es ein Umwandelungsprodukt vorgängig entstandener Zellen sei, während Henle*) aus der Untersuchung des Nackenbrandes die Berechtigung für eine solche Annahme bestreitet. Bei der bekannten Gründlichkeit beider Parteien kann die Ursache der Abweichung nur in der noch mangelhaften Methodik gefunden werden. Die elastischen Gewebsformen gehören zu denjenigen, welche sich auch im ausgewachsenen Organismus neu bilden können. — b) Von den Veränderungen des einmal aufgebauten Gewebes ist wenig bekannt. Seine Armuth an Blutgefässen lässt schliessen, dass sein Umsatz während des Lebens gering sei; hiermit in Uebereinstimmung steht die Thatsache, dass es bei Abmagerung aller übrigen Körperbestand- theile an Gewicht und Umfang nicht beträchtlich abnimmt. Von einer jeglichen Veränderung während des Lebens ist es jedoch nicht ausge- schlossen, denn es kann an einzelnen Orten unter günstigen Umständen schwinden, wie dieses thatsächlich an den Wandungen solcher Gefässe, deren Lumen verschlossen wurde, feststeht. — Einen besondern Weg würde die sich in ihm verbreitende Flüssigkeit finden, wenn die Röhrennatur der sog. Kernfasern festgestellt würde; in diesem kleinen geschlossenen Canal- system würde sich die Flüssigkeit, nachdem sie in dasselbe auf endosmo- tischem Wege eingedrungen wäre, leicht verbreiten können.
Bindegewebe.
1) Der anatomischen Untersuchung **) nach besteht das Bindegewebe aus strukturlosen sehr dünnen Häutchen (Reichert), in welche feinste Fasern eingewebt sind; diese verlaufen, zu Bündeln vereinigt, der homo- genen Grundlage bald gleichgerichtet und bald gekreuzt. Wo das Binde- gewebe in grössern Massen zusammengehäuft auftritt, sind die Faserbün- del in mehr oder weniger regelmässigen Abständen inniger zusammen- geballt, so dass auf dem Querschnitt relativ faserfreie mit faserhaltigen
*) l. c. 1851. p 29.
**) Siehe die Litteratur des elastischen Gewebes.
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Elastisches Gewebe.
schenswerth, wenn sich die Vermuthung rechtfertigt, dass die Haut der
Blutgefässcapillaren und die der feinsten Drüsengänge aus elastischem
Gewebe gebildet ist.
4. Ernährung. a) Die Zusammensetzung des festen Stoffs beweist,
dass er aus eiweissartigen Atomen hervorgegangen sein muss; eine Hin-
deutung auf die hierbei vorkommende chemische Umsetzung gewährt die
eben mitgetheilte Erfahrung von Zollikofer, welche darthut, dass aus
dem Eiweiss, indem es in elastisches Gewebe übergegangen, die Atom-
gruppe entfernt wurde, aus der das Tyrosin hervorgeht bei der durch
Schwefelsäure eingeleiteten Eiweisszersetzung. — Die Formfolge, welche
bei der Hervorbildung des elastischen Stoffs aus der Flüssigkeit auftritt,
ist bis dahin noch Gegenstand des Streites; einige Anatomen, unter ihnen
Schwann, Kölliker, Virchow und Donders, behaupten, dass es
ein Umwandelungsprodukt vorgängig entstandener Zellen sei, während
Henle *) aus der Untersuchung des Nackenbrandes die Berechtigung für
eine solche Annahme bestreitet. Bei der bekannten Gründlichkeit beider
Parteien kann die Ursache der Abweichung nur in der noch mangelhaften
Methodik gefunden werden. Die elastischen Gewebsformen gehören zu
denjenigen, welche sich auch im ausgewachsenen Organismus neu bilden
können. — b) Von den Veränderungen des einmal aufgebauten Gewebes
ist wenig bekannt. Seine Armuth an Blutgefässen lässt schliessen, dass
sein Umsatz während des Lebens gering sei; hiermit in Uebereinstimmung
steht die Thatsache, dass es bei Abmagerung aller übrigen Körperbestand-
theile an Gewicht und Umfang nicht beträchtlich abnimmt. Von einer
jeglichen Veränderung während des Lebens ist es jedoch nicht ausge-
schlossen, denn es kann an einzelnen Orten unter günstigen Umständen
schwinden, wie dieses thatsächlich an den Wandungen solcher Gefässe, deren
Lumen verschlossen wurde, feststeht. — Einen besondern Weg würde die
sich in ihm verbreitende Flüssigkeit finden, wenn die Röhrennatur der sog.
Kernfasern festgestellt würde; in diesem kleinen geschlossenen Canal-
system würde sich die Flüssigkeit, nachdem sie in dasselbe auf endosmo-
tischem Wege eingedrungen wäre, leicht verbreiten können.
Bindegewebe.
1) Der anatomischen Untersuchung **) nach besteht das Bindegewebe
aus strukturlosen sehr dünnen Häutchen (Reichert), in welche feinste
Fasern eingewebt sind; diese verlaufen, zu Bündeln vereinigt, der homo-
genen Grundlage bald gleichgerichtet und bald gekreuzt. Wo das Binde-
gewebe in grössern Massen zusammengehäuft auftritt, sind die Faserbün-
del in mehr oder weniger regelmässigen Abständen inniger zusammen-
geballt, so dass auf dem Querschnitt relativ faserfreie mit faserhaltigen
*) l. c. 1851. p 29.
**) Siehe die Litteratur des elastischen Gewebes.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/194>, abgerufen am 21.11.2024.
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