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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Muskelstarren; Wärmestarre.
kräfte sein. -- Dieses mag genügen um auf die Aufgabe der eigentlich
wissenschaftlichen Maassbestimmung hinzudeuten; ihre Lösung ist
noch niemals auch nur andeutungsweise versucht worden.

C. Muskelstarren.

Zwei eigenthümliche Erscheinungsformen des Muskels die Wärme-
und die Todtenstarre, in welchen derselbe in eine andauernde Steif-
heit geräth sind endlich noch zu betrachten. Obwohl der lebende
Körper selten oder niemals die Bedingungen einschliesst, unter denen
jene Zustände sich erzeugen, so sind sie doch für uns von Wichtig-
keit weil sie überhaupt über das Wesen des Muskels Aufschluss ver-
sprechen.

1. Wärmestarre *). Verweilt ein Froschmuskel in Wasser
von 65° R. 25 Sekunden, (Pickford,) oder mehrere Minuten in Wasser
von 30° R., so wird derselbe, indem er sich verkürzt, steif und kann
durch die gewöhnlichen Muskelerreger nicht mehr in Zuckungen ver-
setzt werden. In diesem Zustande lenkt er die Magnetnadel nach
einer Richtung ab, welche darauf hinweisst, dass der Querschnitt
positiv und der Längenschnitt negativ sei; du Bois. Dieses Zusam-
mentreffen der Verkürzung mit einer constanten Umdrehung der elek-
trischen Molekeln ist bedeutsam genug. -- Diese Starre löst sich
jedesmal nach einigen Minuten, vorausgesetzt dass die sie erzeu-
gende Temperatureinwirkung auf die oben bezeichneten Grade und
Zeiten sich beschränkte. Pickford.

Einen ganz analogen Zustand hat du Bois an den Nerven ent-
deckt und weiter verfolgt; setzte er einen Nerven den Strahlen eines
stark glühenden Körpers aus so kehrte sich der Strom des Nerven
um, und versetzte er in diesem Zustand den Nerven in Erregung, so
verstärkte sich dieser verkehrt gerichtete Strom noch. Wurde der
Nerv in Muskelfleisch eingebettet der Ruhe überlassen, so kehrte
nach einiger Zeit die normale Strömungsrichtung wieder.

2. Todtenstarre **). Der Muskel geht unter Bedingungen die
im todten Thiere gewöhnlich, im lebenden nur selten eintreten, eine
eigenthümliche Veränderung ein, bei der er seine Leistungsfähigkeit
einbüsst. Von den Eigenschaften die der todtenstarre Muskel bietet
sind folgende aufgedeckt worden:

a. Die optischen Erscheinungen der Muskelröhren sind nicht
wesentlich geändert; er erscheint etwas undurchsichtiger als wäh-
rend des Lebens und die Querstreifen sind deutlicher hervorgehoben.
Ausserdem sollen sich auch die Röhren wie bei der Zusammenziehung

*) du Bois II. Bd. 1. Abth. p. 178 u. 550. -- Pickford, Zeitschrift für rat. Medizin. Neue Folge.
I. 110.
**) Valentin, Lehrbuch der Physiologie II. a. 113. -- Stannius, Untersuchungen über Lei-
stungsfähigkeit d. Muskeln u. Todtenstarre. Archiv f. phys. Heilkunde XI. -- Brown-Sequard,
Compt. rend. Juni u. August 1851. -- du Bois, Thier. Electr. II. Bd. 1. Abth. 156.

Muskelstarren; Wärmestarre.
kräfte sein. — Dieses mag genügen um auf die Aufgabe der eigentlich
wissenschaftlichen Maassbestimmung hinzudeuten; ihre Lösung ist
noch niemals auch nur andeutungsweise versucht worden.

C. Muskelstarren.

Zwei eigenthümliche Erscheinungsformen des Muskels die Wärme-
und die Todtenstarre, in welchen derselbe in eine andauernde Steif-
heit geräth sind endlich noch zu betrachten. Obwohl der lebende
Körper selten oder niemals die Bedingungen einschliesst, unter denen
jene Zustände sich erzeugen, so sind sie doch für uns von Wichtig-
keit weil sie überhaupt über das Wesen des Muskels Aufschluss ver-
sprechen.

1. Wärmestarre *). Verweilt ein Froschmuskel in Wasser
von 65° R. 25 Sekunden, (Pickford,) oder mehrere Minuten in Wasser
von 30° R., so wird derselbe, indem er sich verkürzt, steif und kann
durch die gewöhnlichen Muskelerreger nicht mehr in Zuckungen ver-
setzt werden. In diesem Zustande lenkt er die Magnetnadel nach
einer Richtung ab, welche darauf hinweisst, dass der Querschnitt
positiv und der Längenschnitt negativ sei; du Bois. Dieses Zusam-
mentreffen der Verkürzung mit einer constanten Umdrehung der elek-
trischen Molekeln ist bedeutsam genug. — Diese Starre löst sich
jedesmal nach einigen Minuten, vorausgesetzt dass die sie erzeu-
gende Temperatureinwirkung auf die oben bezeichneten Grade und
Zeiten sich beschränkte. Pickford.

Einen ganz analogen Zustand hat du Bois an den Nerven ent-
deckt und weiter verfolgt; setzte er einen Nerven den Strahlen eines
stark glühenden Körpers aus so kehrte sich der Strom des Nerven
um, und versetzte er in diesem Zustand den Nerven in Erregung, so
verstärkte sich dieser verkehrt gerichtete Strom noch. Wurde der
Nerv in Muskelfleisch eingebettet der Ruhe überlassen, so kehrte
nach einiger Zeit die normale Strömungsrichtung wieder.

2. Todtenstarre **). Der Muskel geht unter Bedingungen die
im todten Thiere gewöhnlich, im lebenden nur selten eintreten, eine
eigenthümliche Veränderung ein, bei der er seine Leistungsfähigkeit
einbüsst. Von den Eigenschaften die der todtenstarre Muskel bietet
sind folgende aufgedeckt worden:

a. Die optischen Erscheinungen der Muskelröhren sind nicht
wesentlich geändert; er erscheint etwas undurchsichtiger als wäh-
rend des Lebens und die Querstreifen sind deutlicher hervorgehoben.
Ausserdem sollen sich auch die Röhren wie bei der Zusammenziehung

*) du Bois II. Bd. 1. Abth. p. 178 u. 550. — Pickford, Zeitschrift für rat. Medizin. Neue Folge.
I. 110.
**) Valentin, Lehrbuch der Physiologie II. a. 113. — Stannius, Untersuchungen über Lei-
stungsfähigkeit d. Muskeln u. Todtenstarre. Archiv f. phys. Heilkunde XI. — Brown-Sequard,
Compt. rend. Juni u. August 1851. — du Bois, Thier. Electr. II. Bd. 1. Abth. 156.
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[345/0359] Muskelstarren; Wärmestarre. kräfte sein. — Dieses mag genügen um auf die Aufgabe der eigentlich wissenschaftlichen Maassbestimmung hinzudeuten; ihre Lösung ist noch niemals auch nur andeutungsweise versucht worden. C. Muskelstarren. Zwei eigenthümliche Erscheinungsformen des Muskels die Wärme- und die Todtenstarre, in welchen derselbe in eine andauernde Steif- heit geräth sind endlich noch zu betrachten. Obwohl der lebende Körper selten oder niemals die Bedingungen einschliesst, unter denen jene Zustände sich erzeugen, so sind sie doch für uns von Wichtig- keit weil sie überhaupt über das Wesen des Muskels Aufschluss ver- sprechen. 1. Wärmestarre *). Verweilt ein Froschmuskel in Wasser von 65° R. 25 Sekunden, (Pickford,) oder mehrere Minuten in Wasser von 30° R., so wird derselbe, indem er sich verkürzt, steif und kann durch die gewöhnlichen Muskelerreger nicht mehr in Zuckungen ver- setzt werden. In diesem Zustande lenkt er die Magnetnadel nach einer Richtung ab, welche darauf hinweisst, dass der Querschnitt positiv und der Längenschnitt negativ sei; du Bois. Dieses Zusam- mentreffen der Verkürzung mit einer constanten Umdrehung der elek- trischen Molekeln ist bedeutsam genug. — Diese Starre löst sich jedesmal nach einigen Minuten, vorausgesetzt dass die sie erzeu- gende Temperatureinwirkung auf die oben bezeichneten Grade und Zeiten sich beschränkte. Pickford. Einen ganz analogen Zustand hat du Bois an den Nerven ent- deckt und weiter verfolgt; setzte er einen Nerven den Strahlen eines stark glühenden Körpers aus so kehrte sich der Strom des Nerven um, und versetzte er in diesem Zustand den Nerven in Erregung, so verstärkte sich dieser verkehrt gerichtete Strom noch. Wurde der Nerv in Muskelfleisch eingebettet der Ruhe überlassen, so kehrte nach einiger Zeit die normale Strömungsrichtung wieder. 2. Todtenstarre **). Der Muskel geht unter Bedingungen die im todten Thiere gewöhnlich, im lebenden nur selten eintreten, eine eigenthümliche Veränderung ein, bei der er seine Leistungsfähigkeit einbüsst. Von den Eigenschaften die der todtenstarre Muskel bietet sind folgende aufgedeckt worden: a. Die optischen Erscheinungen der Muskelröhren sind nicht wesentlich geändert; er erscheint etwas undurchsichtiger als wäh- rend des Lebens und die Querstreifen sind deutlicher hervorgehoben. Ausserdem sollen sich auch die Röhren wie bei der Zusammenziehung *) du Bois II. Bd. 1. Abth. p. 178 u. 550. — Pickford, Zeitschrift für rat. Medizin. Neue Folge. I. 110. **) Valentin, Lehrbuch der Physiologie II. a. 113. — Stannius, Untersuchungen über Lei- stungsfähigkeit d. Muskeln u. Todtenstarre. Archiv f. phys. Heilkunde XI. — Brown-Sequard, Compt. rend. Juni u. August 1851. — du Bois, Thier. Electr. II. Bd. 1. Abth. 156.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/359>, abgerufen am 26.04.2024.