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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Vermeidung d. sphär. Abweichung; Bewegungen d. Iris; Linsenschichtung.
des Pupillendurchmessers am unverletzten Auge die Vergrösserung nicht ver-
nachlässigen dürfe, welche dieselbe für die Beobachtung durch die Cornea des
beobachteten Auges erfährt, die als eine vergrössernde Linse vor der Pupille sitzt;
das einfache empirische Mittel, um diese Wirkung der Cornea zu eliminiren, besteht
darin, dass man das Auge unter Wasser bringt dessen freie Oberfläche eben ist. --

Der Radialmuskel verkürzt sich, d. h. die Pupille wird erweitert
a) bei einigen Krankheiten und b) nach dem Einbringen von extractum
Belladonnae, Hyoscyami, Stramonii und aqua Laurocerasi in das Auge.
Diese Mittel wirken, gleichgiltig ob man sie direkt auf die conjuntiva
bulbi angewendet, oder sie in den Blutlauf gebracht hat. Die Dauer und
Stärke der Zusammenziehung nach dem Belladonnagebrauch wächst all-
mälig mit der Menge des angewendeten Giftes, und kann einen solchen
Grad erreichen, dass Stunde und Tage hindurch die Iris nur noch als
ein schmaler Streifen erscheint. Bei Säugethieren, denen der Halstheil
des n. sympathicus durchschnitten ist, wirkt die Belladonna weniger
kräftig. Diese Erscheinung hat man ableiten wollen von der Lähmung
des n. opticus, weil die Giftwirkung sich auch auf diesen erstreckt
und ihn namentlich unempfindlich macht; Himly widerlegte diese
Annahme durch die Beobachtung, dass auch an solchen Individuen,
deren Gesichtsnerv vollkommen gelähmt war, noch Pupillenerweiter-
ung eintrat. -- Ferner wollte man sie erläutern durch Annahme einer
Lähmung des Kreismuskels; man übersah aber, dass während der
Belladonnawirkung ein starker Lichteinfluss noch eine Pupillenver-
engerung bewirken könne. -- Man ist darum jetzt geneigt zu behaup-
ten, dass die Belladonna den Radialmuskel örtlich errege; zu dem Zu-
satz, dass diese Erregung eine örtliche und nicht durch das Hirn ver-
mittelte sei, wird man veranlasst, weil durch Anwendung des Giftes
auf nur ein Auge auch die Pupillenerweiterung auf dasselbe beschränkt
werden kann.

Ueber den Einfluss der Wärme auf die Irisbewegung, siehe Brown -- Sequard
compt. rend. XXV. 508. -- Die Iris der Vögel, welche aus quergestreiften Muskelfa-
sern besteht, wird durch Belladonna nicht angegriffen; Kieser. --

b. Linsenschichtung. Wenn die Lichtintensität der Leucht-
punkte sich mindert, welche ihre Strahlen in das Auge senden, so
erweitert sich die Pupille, indem die Zusammenziehung des Sphincter
iridis an Stärke einbüsst. Hiermit vergrössert sich zugleich aber die
Basis des Strahlenkegels, die sogenannte Linsenöffnung, welcher auf der
Retina seine Spitze finden soll. Um auch unter diesen Bedingungen
die Strahlen zu einem Zusammenschluss zu bringen, muss eine Ein-
richtung gegeben sein, welche den von der Form der brechenden
Flächen herrührenden Umstand, dass die näher dem Rande auffallenden
Strahlen eine stärkere Neigung zur Achse erhalten, als die um die letz-
tere einfallenden, aufheben Dieses Hilfsmittel ist darin gefunden, dass
die Linsensubstanz gegen ihren Rand hin mit einem geringeren Bre-
chungsverhältniss begabt ist, als in ihrer Mitte. Die Ursache dieses

Vermeidung d. sphär. Abweichung; Bewegungen d. Iris; Linsenschichtung.
des Pupillendurchmessers am unverletzten Auge die Vergrösserung nicht ver-
nachlässigen dürfe, welche dieselbe für die Beobachtung durch die Cornea des
beobachteten Auges erfährt, die als eine vergrössernde Linse vor der Pupille sitzt;
das einfache empirische Mittel, um diese Wirkung der Cornea zu eliminiren, besteht
darin, dass man das Auge unter Wasser bringt dessen freie Oberfläche eben ist. —

Der Radialmuskel verkürzt sich, d. h. die Pupille wird erweitert
α) bei einigen Krankheiten und β) nach dem Einbringen von extractum
Belladonnae, Hyoscyami, Stramonii und aqua Laurocerasi in das Auge.
Diese Mittel wirken, gleichgiltig ob man sie direkt auf die conjuntiva
bulbi angewendet, oder sie in den Blutlauf gebracht hat. Die Dauer und
Stärke der Zusammenziehung nach dem Belladonnagebrauch wächst all-
mälig mit der Menge des angewendeten Giftes, und kann einen solchen
Grad erreichen, dass Stunde und Tage hindurch die Iris nur noch als
ein schmaler Streifen erscheint. Bei Säugethieren, denen der Halstheil
des n. sympathicus durchschnitten ist, wirkt die Belladonna weniger
kräftig. Diese Erscheinung hat man ableiten wollen von der Lähmung
des n. opticus, weil die Giftwirkung sich auch auf diesen erstreckt
und ihn namentlich unempfindlich macht; Himly widerlegte diese
Annahme durch die Beobachtung, dass auch an solchen Individuen,
deren Gesichtsnerv vollkommen gelähmt war, noch Pupillenerweiter-
ung eintrat. — Ferner wollte man sie erläutern durch Annahme einer
Lähmung des Kreismuskels; man übersah aber, dass während der
Belladonnawirkung ein starker Lichteinfluss noch eine Pupillenver-
engerung bewirken könne. — Man ist darum jetzt geneigt zu behaup-
ten, dass die Belladonna den Radialmuskel örtlich errege; zu dem Zu-
satz, dass diese Erregung eine örtliche und nicht durch das Hirn ver-
mittelte sei, wird man veranlasst, weil durch Anwendung des Giftes
auf nur ein Auge auch die Pupillenerweiterung auf dasselbe beschränkt
werden kann.

Ueber den Einfluss der Wärme auf die Irisbewegung, siehe Brown — Sequard
compt. rend. XXV. 508. — Die Iris der Vögel, welche aus quergestreiften Muskelfa-
sern besteht, wird durch Belladonna nicht angegriffen; Kieser.

b. Linsenschichtung. Wenn die Lichtintensität der Leucht-
punkte sich mindert, welche ihre Strahlen in das Auge senden, so
erweitert sich die Pupille, indem die Zusammenziehung des Sphincter
iridis an Stärke einbüsst. Hiermit vergrössert sich zugleich aber die
Basis des Strahlenkegels, die sogenannte Linsenöffnung, welcher auf der
Retina seine Spitze finden soll. Um auch unter diesen Bedingungen
die Strahlen zu einem Zusammenschluss zu bringen, muss eine Ein-
richtung gegeben sein, welche den von der Form der brechenden
Flächen herrührenden Umstand, dass die näher dem Rande auffallenden
Strahlen eine stärkere Neigung zur Achse erhalten, als die um die letz-
tere einfallenden, aufheben Dieses Hilfsmittel ist darin gefunden, dass
die Linsensubstanz gegen ihren Rand hin mit einem geringeren Bre-
chungsverhältniss begabt ist, als in ihrer Mitte. Die Ursache dieses

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[218/0232] Vermeidung d. sphär. Abweichung; Bewegungen d. Iris; Linsenschichtung. des Pupillendurchmessers am unverletzten Auge die Vergrösserung nicht ver- nachlässigen dürfe, welche dieselbe für die Beobachtung durch die Cornea des beobachteten Auges erfährt, die als eine vergrössernde Linse vor der Pupille sitzt; das einfache empirische Mittel, um diese Wirkung der Cornea zu eliminiren, besteht darin, dass man das Auge unter Wasser bringt dessen freie Oberfläche eben ist. — Der Radialmuskel verkürzt sich, d. h. die Pupille wird erweitert α) bei einigen Krankheiten und β) nach dem Einbringen von extractum Belladonnae, Hyoscyami, Stramonii und aqua Laurocerasi in das Auge. Diese Mittel wirken, gleichgiltig ob man sie direkt auf die conjuntiva bulbi angewendet, oder sie in den Blutlauf gebracht hat. Die Dauer und Stärke der Zusammenziehung nach dem Belladonnagebrauch wächst all- mälig mit der Menge des angewendeten Giftes, und kann einen solchen Grad erreichen, dass Stunde und Tage hindurch die Iris nur noch als ein schmaler Streifen erscheint. Bei Säugethieren, denen der Halstheil des n. sympathicus durchschnitten ist, wirkt die Belladonna weniger kräftig. Diese Erscheinung hat man ableiten wollen von der Lähmung des n. opticus, weil die Giftwirkung sich auch auf diesen erstreckt und ihn namentlich unempfindlich macht; Himly widerlegte diese Annahme durch die Beobachtung, dass auch an solchen Individuen, deren Gesichtsnerv vollkommen gelähmt war, noch Pupillenerweiter- ung eintrat. — Ferner wollte man sie erläutern durch Annahme einer Lähmung des Kreismuskels; man übersah aber, dass während der Belladonnawirkung ein starker Lichteinfluss noch eine Pupillenver- engerung bewirken könne. — Man ist darum jetzt geneigt zu behaup- ten, dass die Belladonna den Radialmuskel örtlich errege; zu dem Zu- satz, dass diese Erregung eine örtliche und nicht durch das Hirn ver- mittelte sei, wird man veranlasst, weil durch Anwendung des Giftes auf nur ein Auge auch die Pupillenerweiterung auf dasselbe beschränkt werden kann. Ueber den Einfluss der Wärme auf die Irisbewegung, siehe Brown — Sequard compt. rend. XXV. 508. — Die Iris der Vögel, welche aus quergestreiften Muskelfa- sern besteht, wird durch Belladonna nicht angegriffen; Kieser. — b. Linsenschichtung. Wenn die Lichtintensität der Leucht- punkte sich mindert, welche ihre Strahlen in das Auge senden, so erweitert sich die Pupille, indem die Zusammenziehung des Sphincter iridis an Stärke einbüsst. Hiermit vergrössert sich zugleich aber die Basis des Strahlenkegels, die sogenannte Linsenöffnung, welcher auf der Retina seine Spitze finden soll. Um auch unter diesen Bedingungen die Strahlen zu einem Zusammenschluss zu bringen, muss eine Ein- richtung gegeben sein, welche den von der Form der brechenden Flächen herrührenden Umstand, dass die näher dem Rande auffallenden Strahlen eine stärkere Neigung zur Achse erhalten, als die um die letz- tere einfallenden, aufheben Dieses Hilfsmittel ist darin gefunden, dass die Linsensubstanz gegen ihren Rand hin mit einem geringeren Bre- chungsverhältniss begabt ist, als in ihrer Mitte. Die Ursache dieses

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/232>, abgerufen am 19.03.2024.