dem sie erwogen, daß die Verführung der Waaren nach dem novogrodischen Contoire sehr beschwerlich, und unter der Ge- walt so vieler mächtiger Potentaten geschehen müßte, den Kö- nig Gustav Adolphen in Schweden dahin zu vermögen gesucht, daß sie wieder zu Narva freyen Handel mit den Russen anstel- len dürften (§. 243.); solches auch, obwol erst nach seinem To- de, in den Jahren 1643 und 1645 erhalten: so hat von solcher Zeit an die Handlung auf Novogrod allmählich wieder abge- nommen, dergestalt, daß sie gegenwärtig nur einem Schatten von dem Handel der Hansestädte daselbst in den ersten Zeiten, ähnlich sieht, gleichwie hingegen die Handlung nach Narva und andern liefländischen Städten, so wie nach Archangel, zuge- nommen.
§. 247.
Erneuerung der Hand- lung zwischen Rußland u. Schweden.
Jm Jahre 1617 den 27sten Februar wurde auch der Han- del, so ehedem zwischen Schweden und Rußland war geführet, und durch Krieg unterbrochen worden, durch den zu Stolbova geschlossenen Frieden wiederum auf einen festen Fuß gesetzet. Einige von den Artikeln dieses Friedens, welche insbesondere die Handlung betreffen, eröffnen den Unterthanen beyder Rei- che von neuem einen freyen und ungehinderten Kaufhandel mit einander, und versprechen, daß, da die schwedischen Kaufleute ehedem ein freyes Handelshaus in Novogrod, und so im Ge- gentheile, da die rußischen Kaufleute zuvor ein freyes Handels- haus in Reval gehabt, beyde Häuser hinwiederum zu ihrem vo- rigen Gebrauche eingeräumet werden sollen.
§. 248.
Handlung der Russen nach China.
Aus diesem allen erhellet, daß die Russen bis hieher zwar wol einigen Handel mit etlichen europäischen Nationen getrie- ben; nunmehr aber, nachdem Peter der I, oder der Große, das rußische Scepter, welches er seit 1682 mit seinem Bruder Jwan gemeinschaftlich geführet, 1688 allein in die Hand genommen hatte, fing die rußische Handlung an, eine ganz andere Ge- stalt zu gewinnen, und durch ihre Verbreitung in andere Län- der groß zu werden. Wir gedenken hier nicht allererst, daß dieser glückliche Beherrscher der Russen bald anfangs seiner Re- gierung die oben (§. 242.) gedachte alte Gewohnheit, vermöge welcher die Reisen der Fremden nach Rußland nicht allerdings frey gewesen, aufgehoben; sondern vielmehr, daß er im Jahre 1693 den Handel der Russen nach China, vermittelst der Cara- vanen, zu Stande gebracht und reguliret habe, siehe den 270 §.
§. 249.
Grundle- gung zur rußischen Schifffahrt.
Doch dieses war nur ein Handel, der zwar über die Grän- zen von Europa gieng, der aber noch nicht die Wasser belebte, indem damals Rußland noch nichts von großen Schiffen, ge- schweige von einer Seemacht, wußte, und die Russen keine an- dern Schiffe hatten, als Barken und andere kleine Fahrzeuge, welche sie auf der Wolga und dem Don gebrauchten. Allein nachdem Peter der I bey der Belagerung der Stadt Asoff, die 1696 übergieng, die Vortheile und die Nothwendigkeit einer wohl-
ein-
11 Cap. Von der
dem ſie erwogen, daß die Verfuͤhrung der Waaren nach dem novogrodiſchen Contoire ſehr beſchwerlich, und unter der Ge- walt ſo vieler maͤchtiger Potentaten geſchehen muͤßte, den Koͤ- nig Guſtav Adolphen in Schweden dahin zu vermoͤgen geſucht, daß ſie wieder zu Narva freyen Handel mit den Ruſſen anſtel- len duͤrften (§. 243.); ſolches auch, obwol erſt nach ſeinem To- de, in den Jahren 1643 und 1645 erhalten: ſo hat von ſolcher Zeit an die Handlung auf Novogrod allmaͤhlich wieder abge- nommen, dergeſtalt, daß ſie gegenwaͤrtig nur einem Schatten von dem Handel der Hanſeſtaͤdte daſelbſt in den erſten Zeiten, aͤhnlich ſieht, gleichwie hingegen die Handlung nach Narva und andern lieflaͤndiſchen Staͤdten, ſo wie nach Archangel, zuge- nommen.
§. 247.
Erneuerung der Hand- lung zwiſchē Rußland u. Schweden.
Jm Jahre 1617 den 27ſten Februar wurde auch der Han- del, ſo ehedem zwiſchen Schweden und Rußland war gefuͤhret, und durch Krieg unterbrochen worden, durch den zu Stolbova geſchloſſenen Frieden wiederum auf einen feſten Fuß geſetzet. Einige von den Artikeln dieſes Friedens, welche insbeſondere die Handlung betreffen, eroͤffnen den Unterthanen beyder Rei- che von neuem einen freyen und ungehinderten Kaufhandel mit einander, und verſprechen, daß, da die ſchwediſchen Kaufleute ehedem ein freyes Handelshaus in Novogrod, und ſo im Ge- gentheile, da die rußiſchen Kaufleute zuvor ein freyes Handels- haus in Reval gehabt, beyde Haͤuſer hinwiederum zu ihrem vo- rigen Gebrauche eingeraͤumet werden ſollen.
§. 248.
Handlung der Ruſſen nach China.
Aus dieſem allen erhellet, daß die Ruſſen bis hieher zwar wol einigen Handel mit etlichen europaͤiſchen Nationen getrie- ben; nunmehr aber, nachdem Peter der I, oder der Große, das rußiſche Scepter, welches er ſeit 1682 mit ſeinem Bruder Jwan gemeinſchaftlich gefuͤhret, 1688 allein in die Hand genommen hatte, fing die rußiſche Handlung an, eine ganz andere Ge- ſtalt zu gewinnen, und durch ihre Verbreitung in andere Laͤn- der groß zu werden. Wir gedenken hier nicht allererſt, daß dieſer gluͤckliche Beherrſcher der Ruſſen bald anfangs ſeiner Re- gierung die oben (§. 242.) gedachte alte Gewohnheit, vermoͤge welcher die Reiſen der Fremden nach Rußland nicht allerdings frey geweſen, aufgehoben; ſondern vielmehr, daß er im Jahre 1693 den Handel der Ruſſen nach China, vermittelſt der Cara- vanen, zu Stande gebracht und reguliret habe, ſiehe den 270 §.
§. 249.
Grundle- gung zur rußiſchen Schifffahrt.
Doch dieſes war nur ein Handel, der zwar uͤber die Graͤn- zen von Europa gieng, der aber noch nicht die Waſſer belebte, indem damals Rußland noch nichts von großen Schiffen, ge- ſchweige von einer Seemacht, wußte, und die Ruſſen keine an- dern Schiffe hatten, als Barken und andere kleine Fahrzeuge, welche ſie auf der Wolga und dem Don gebrauchten. Allein nachdem Peter der I bey der Belagerung der Stadt Aſoff, die 1696 uͤbergieng, die Vortheile und die Nothwendigkeit einer wohl-
ein-
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nig Guſtav Adolphen in Schweden dahin zu vermoͤgen geſucht,
daß ſie wieder zu Narva freyen Handel mit den Ruſſen anſtel-
len duͤrften (§. 243.); ſolches auch, obwol erſt nach ſeinem To-
de, in den Jahren 1643 und 1645 erhalten: ſo hat von ſolcher
Zeit an die Handlung auf Novogrod allmaͤhlich wieder abge-
nommen, dergeſtalt, daß ſie gegenwaͤrtig nur einem Schatten
von dem Handel der Hanſeſtaͤdte daſelbſt in den erſten Zeiten,
aͤhnlich ſieht, gleichwie hingegen die Handlung nach Narva und
andern lieflaͤndiſchen Staͤdten, ſo wie nach Archangel, zuge-
nommen.
§. 247.
Jm Jahre 1617 den 27ſten Februar wurde auch der Han-
del, ſo ehedem zwiſchen Schweden und Rußland war gefuͤhret,
und durch Krieg unterbrochen worden, durch den zu Stolbova
geſchloſſenen Frieden wiederum auf einen feſten Fuß geſetzet.
Einige von den Artikeln dieſes Friedens, welche insbeſondere
die Handlung betreffen, eroͤffnen den Unterthanen beyder Rei-
che von neuem einen freyen und ungehinderten Kaufhandel mit
einander, und verſprechen, daß, da die ſchwediſchen Kaufleute
ehedem ein freyes Handelshaus in Novogrod, und ſo im Ge-
gentheile, da die rußiſchen Kaufleute zuvor ein freyes Handels-
haus in Reval gehabt, beyde Haͤuſer hinwiederum zu ihrem vo-
rigen Gebrauche eingeraͤumet werden ſollen.
§. 248.
Aus dieſem allen erhellet, daß die Ruſſen bis hieher zwar
wol einigen Handel mit etlichen europaͤiſchen Nationen getrie-
ben; nunmehr aber, nachdem Peter der I, oder der Große, das
rußiſche Scepter, welches er ſeit 1682 mit ſeinem Bruder Jwan
gemeinſchaftlich gefuͤhret, 1688 allein in die Hand genommen
hatte, fing die rußiſche Handlung an, eine ganz andere Ge-
ſtalt zu gewinnen, und durch ihre Verbreitung in andere Laͤn-
der groß zu werden. Wir gedenken hier nicht allererſt, daß
dieſer gluͤckliche Beherrſcher der Ruſſen bald anfangs ſeiner Re-
gierung die oben (§. 242.) gedachte alte Gewohnheit, vermoͤge
welcher die Reiſen der Fremden nach Rußland nicht allerdings
frey geweſen, aufgehoben; ſondern vielmehr, daß er im Jahre
1693 den Handel der Ruſſen nach China, vermittelſt der Cara-
vanen, zu Stande gebracht und reguliret habe, ſiehe den 270 §.
§. 249.
Doch dieſes war nur ein Handel, der zwar uͤber die Graͤn-
zen von Europa gieng, der aber noch nicht die Waſſer belebte,
indem damals Rußland noch nichts von großen Schiffen, ge-
ſchweige von einer Seemacht, wußte, und die Ruſſen keine an-
dern Schiffe hatten, als Barken und andere kleine Fahrzeuge,
welche ſie auf der Wolga und dem Don gebrauchten. Allein
nachdem Peter der I bey der Belagerung der Stadt Aſoff, die
1696 uͤbergieng, die Vortheile und die Nothwendigkeit einer wohl-
ein-
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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/1178>, abgerufen am 21.11.2024.
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