Wie die deutsche Hansa noch im blühenden Zustande war (§. 70.), so, daß sie die Handlung von ganz Europa an sich bringen konnte, hatte sie unter andern zur Handlung bequemen Ländern auch Rußland mit in Betrachtung gezogen, und von dem Großfürsten die Erlaubniß erhalten, zu Novogrod ein Contoir anzulegen, welches die Hansestädte insgesamt, insbe- sondere aber die Stadt Lübeck, als das Haupt solcher Städte, gar bald zu einer Niederlage aller Waaren aus Deutschland, Polen, Schweden, und dem Oriente machten, so, daß man Novogrod insgemein das große Magazin nannte. Dieses wäh- rete eine geraume Zeit, bis daß der Großfürst Jvan auf die Kaufleute von Reval, einer damals gleichfalls in dem hansea- tischen Bunde stehenden Stadt, von wegen allerhand bey ihm angebrachten Beschuldigungen einen Widerwillen warf, und solchen auch alle deutsche Kaufleute fühlen ließ, die sich zu der Zeit zu Novogrod befanden, indem er im Jahre 1495 alle han- seatische Güter einziehen, und 49 deutsche Kaufleute in harte Gefängnisse werfen ließ, aus welchen sie erst 1498 loskamen, aber doch auf der Heimreise alle ertrunken. Von solcher Zeit an, war den Deutschen der Handel nach Rußland verbothen, und es wendeten sich dieselben, namentlich die Lübecker, nach 2) Reval.Reval in Liefland, wo sie mit den Russen so lange ihren Han- del trieben, bis den Kaufleuten zu Reval die Lust ankam, daß sie den besten Profit der rußischen Handlung an sich ziehen woll- ten, und endlich, aller hanseatischen Verträge ungeachtet, gar verlangten, daß beyde Nationen, die Deutschen und die Rus- sen, als Fremde, nicht mehr in der Stadt mit einander han- deln, sondern erst die Waaren an sie verkaufen, und andere Waaren wieder dagegen aus ihrer Hand kaufen sollten. Die- ses bewog die Lübecker und die andern Hansestädte, daß sie von 3) Nerva.Reval weggiengen, und 1558 zu Narva eine neue Niederlage, oder Stapel anlegten, welchen die andern Nationen gar bald nachfolgten. Allein auch dieser Handel war von kurzer Dauer, indem der König Erich in Schweden der Hansestädte Handlung mit den Russen dadurch zerstörete, daß er die deutschen, von Narva zurück kommenden reich beladenen Schiffe wegnahm, siehe den 246 §.
§. 244.
Handlung der Eng- länder zu Archangel.
Jmmittelst hatten sich die Engländer durch einen ungefäh- ren Zufall einen Weg zur Handlung nach Rußland gebahnet. Denn als 1553 Hough Willoughby, ein englischer Ritter, drey Schiffe ausgerüstet hatte, in der Absicht, mit solchen durch Norden einen Weg nach China und Ostindien zu suchen, wurden diese Schiffe durch Sturm von einander zerstreuet, und das eine davon, worauf der Schiffshauptmann Richard Chancellier commandirte, in das weiße Meer nach dem Meerbusen zu St. Nicolas, nicht weit davon, wo itzo Archangel steht, verschla- gen, indem eben die von dem gedachten Chancellier entdeckte Bequemlichkeit des Ausflusses der Dwina zu einem Hafen, die
Ge-
11 Cap. Von der
§. 243.
Handlung der deutſchē Hanſa zu 1) Novogrod
Wie die deutſche Hanſa noch im bluͤhenden Zuſtande war (§. 70.), ſo, daß ſie die Handlung von ganz Europa an ſich bringen konnte, hatte ſie unter andern zur Handlung bequemen Laͤndern auch Rußland mit in Betrachtung gezogen, und von dem Großfuͤrſten die Erlaubniß erhalten, zu Novogrod ein Contoir anzulegen, welches die Hanſeſtaͤdte insgeſamt, insbe- ſondere aber die Stadt Luͤbeck, als das Haupt ſolcher Staͤdte, gar bald zu einer Niederlage aller Waaren aus Deutſchland, Polen, Schweden, und dem Oriente machten, ſo, daß man Novogrod insgemein das große Magazin nannte. Dieſes waͤh- rete eine geraume Zeit, bis daß der Großfuͤrſt Jvan auf die Kaufleute von Reval, einer damals gleichfalls in dem hanſea- tiſchen Bunde ſtehenden Stadt, von wegen allerhand bey ihm angebrachten Beſchuldigungen einen Widerwillen warf, und ſolchen auch alle deutſche Kaufleute fuͤhlen ließ, die ſich zu der Zeit zu Novogrod befanden, indem er im Jahre 1495 alle han- ſeatiſche Guͤter einziehen, und 49 deutſche Kaufleute in harte Gefaͤngniſſe werfen ließ, aus welchen ſie erſt 1498 loskamen, aber doch auf der Heimreiſe alle ertrunken. Von ſolcher Zeit an, war den Deutſchen der Handel nach Rußland verbothen, und es wendeten ſich dieſelben, namentlich die Luͤbecker, nach 2) Reval.Reval in Liefland, wo ſie mit den Ruſſen ſo lange ihren Han- del trieben, bis den Kaufleuten zu Reval die Luſt ankam, daß ſie den beſten Profit der rußiſchen Handlung an ſich ziehen woll- ten, und endlich, aller hanſeatiſchen Vertraͤge ungeachtet, gar verlangten, daß beyde Nationen, die Deutſchen und die Ruſ- ſen, als Fremde, nicht mehr in der Stadt mit einander han- deln, ſondern erſt die Waaren an ſie verkaufen, und andere Waaren wieder dagegen aus ihrer Hand kaufen ſollten. Die- ſes bewog die Luͤbecker und die andern Hanſeſtaͤdte, daß ſie von 3) Nerva.Reval weggiengen, und 1558 zu Narva eine neue Niederlage, oder Stapel anlegten, welchen die andern Nationen gar bald nachfolgten. Allein auch dieſer Handel war von kurzer Dauer, indem der Koͤnig Erich in Schweden der Hanſeſtaͤdte Handlung mit den Ruſſen dadurch zerſtoͤrete, daß er die deutſchen, von Narva zuruͤck kommenden reich beladenen Schiffe wegnahm, ſiehe den 246 §.
§. 244.
Handlung der Eng- laͤnder zu Archangel.
Jmmittelſt hatten ſich die Englaͤnder durch einen ungefaͤh- ren Zufall einen Weg zur Handlung nach Rußland gebahnet. Denn als 1553 Hough Willoughby, ein engliſcher Ritter, drey Schiffe ausgeruͤſtet hatte, in der Abſicht, mit ſolchen durch Norden einen Weg nach China und Oſtindien zu ſuchen, wurden dieſe Schiffe durch Sturm von einander zerſtreuet, und das eine davon, worauf der Schiffshauptmann Richard Chancellier commandirte, in das weiße Meer nach dem Meerbuſen zu St. Nicolas, nicht weit davon, wo itzo Archangel ſteht, verſchla- gen, indem eben die von dem gedachten Chancellier entdeckte Bequemlichkeit des Ausfluſſes der Dwina zu einem Hafen, die
Ge-
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f1176"n="572"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">11 Cap. Von der</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 243.</head><lb/><noteplace="left">Handlung<lb/>
der deutſchē<lb/>
Hanſa zu<lb/>
1) Novogrod</note><p>Wie die <hirendition="#fr">deutſche Hanſa</hi> noch im bluͤhenden Zuſtande war<lb/>
(§. 70.), ſo, daß ſie die Handlung von ganz Europa an ſich<lb/>
bringen konnte, hatte ſie unter andern zur Handlung bequemen<lb/>
Laͤndern auch Rußland mit in Betrachtung gezogen, und von<lb/>
dem Großfuͤrſten die Erlaubniß erhalten, zu <hirendition="#fr">Novogrod</hi> ein<lb/>
Contoir anzulegen, welches die Hanſeſtaͤdte insgeſamt, insbe-<lb/>ſondere aber die Stadt Luͤbeck, als das Haupt ſolcher Staͤdte,<lb/>
gar bald zu einer Niederlage aller Waaren aus Deutſchland,<lb/>
Polen, Schweden, und dem Oriente machten, ſo, daß man<lb/>
Novogrod insgemein das große Magazin nannte. Dieſes waͤh-<lb/>
rete eine geraume Zeit, bis daß der Großfuͤrſt Jvan auf die<lb/>
Kaufleute von Reval, einer damals gleichfalls in dem hanſea-<lb/>
tiſchen Bunde ſtehenden Stadt, von wegen allerhand bey ihm<lb/>
angebrachten Beſchuldigungen einen Widerwillen warf, und<lb/>ſolchen auch alle deutſche Kaufleute fuͤhlen ließ, die ſich zu der<lb/>
Zeit zu Novogrod befanden, indem er im Jahre 1495 alle han-<lb/>ſeatiſche Guͤter einziehen, und 49 deutſche Kaufleute in harte<lb/>
Gefaͤngniſſe werfen ließ, aus welchen ſie erſt 1498 loskamen,<lb/>
aber doch auf der Heimreiſe alle ertrunken. Von ſolcher Zeit<lb/>
an, war den Deutſchen der Handel nach Rußland verbothen,<lb/>
und es wendeten ſich dieſelben, namentlich die Luͤbecker, nach<lb/><noteplace="left">2) Reval.</note><hirendition="#fr">Reval</hi> in Liefland, wo ſie mit den Ruſſen ſo lange ihren Han-<lb/>
del trieben, bis den Kaufleuten zu Reval die Luſt ankam, daß<lb/>ſie den beſten Profit der rußiſchen Handlung an ſich ziehen woll-<lb/>
ten, und endlich, aller hanſeatiſchen Vertraͤge ungeachtet, gar<lb/>
verlangten, daß beyde Nationen, die Deutſchen und die Ruſ-<lb/>ſen, als Fremde, nicht mehr in der Stadt mit einander han-<lb/>
deln, ſondern erſt die Waaren an ſie verkaufen, und andere<lb/>
Waaren wieder dagegen aus ihrer Hand kaufen ſollten. Die-<lb/>ſes bewog die Luͤbecker und die andern Hanſeſtaͤdte, daß ſie von<lb/><noteplace="left">3) Nerva.</note>Reval weggiengen, und 1558 zu <hirendition="#fr">Narva</hi> eine neue Niederlage,<lb/>
oder Stapel anlegten, welchen die andern Nationen gar bald<lb/>
nachfolgten. Allein auch dieſer Handel war von kurzer Dauer,<lb/>
indem der Koͤnig Erich in Schweden der Hanſeſtaͤdte Handlung<lb/>
mit den Ruſſen dadurch zerſtoͤrete, daß er die deutſchen, von<lb/>
Narva zuruͤck kommenden reich beladenen Schiffe wegnahm, ſiehe<lb/>
den 246 §.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 244.</head><lb/><noteplace="left">Handlung<lb/>
der Eng-<lb/>
laͤnder zu<lb/>
Archangel.</note><p>Jmmittelſt hatten ſich die <hirendition="#fr">Englaͤnder</hi> durch einen ungefaͤh-<lb/>
ren Zufall einen Weg zur Handlung nach Rußland gebahnet.<lb/>
Denn als 1553 Hough Willoughby, ein engliſcher Ritter, drey<lb/>
Schiffe ausgeruͤſtet hatte, in der Abſicht, mit ſolchen durch<lb/>
Norden einen Weg nach China und Oſtindien zu ſuchen, wurden<lb/>
dieſe Schiffe durch Sturm von einander zerſtreuet, und das<lb/>
eine davon, worauf der Schiffshauptmann Richard Chancellier<lb/>
commandirte, in das weiße Meer nach dem Meerbuſen zu St.<lb/>
Nicolas, nicht weit davon, wo itzo Archangel ſteht, verſchla-<lb/>
gen, indem eben die von dem gedachten Chancellier entdeckte<lb/>
Bequemlichkeit des Ausfluſſes der Dwina zu einem Hafen, die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ge-</fw><lb/></p></div></div></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[572/1176]
11 Cap. Von der
§. 243.
Wie die deutſche Hanſa noch im bluͤhenden Zuſtande war
(§. 70.), ſo, daß ſie die Handlung von ganz Europa an ſich
bringen konnte, hatte ſie unter andern zur Handlung bequemen
Laͤndern auch Rußland mit in Betrachtung gezogen, und von
dem Großfuͤrſten die Erlaubniß erhalten, zu Novogrod ein
Contoir anzulegen, welches die Hanſeſtaͤdte insgeſamt, insbe-
ſondere aber die Stadt Luͤbeck, als das Haupt ſolcher Staͤdte,
gar bald zu einer Niederlage aller Waaren aus Deutſchland,
Polen, Schweden, und dem Oriente machten, ſo, daß man
Novogrod insgemein das große Magazin nannte. Dieſes waͤh-
rete eine geraume Zeit, bis daß der Großfuͤrſt Jvan auf die
Kaufleute von Reval, einer damals gleichfalls in dem hanſea-
tiſchen Bunde ſtehenden Stadt, von wegen allerhand bey ihm
angebrachten Beſchuldigungen einen Widerwillen warf, und
ſolchen auch alle deutſche Kaufleute fuͤhlen ließ, die ſich zu der
Zeit zu Novogrod befanden, indem er im Jahre 1495 alle han-
ſeatiſche Guͤter einziehen, und 49 deutſche Kaufleute in harte
Gefaͤngniſſe werfen ließ, aus welchen ſie erſt 1498 loskamen,
aber doch auf der Heimreiſe alle ertrunken. Von ſolcher Zeit
an, war den Deutſchen der Handel nach Rußland verbothen,
und es wendeten ſich dieſelben, namentlich die Luͤbecker, nach
Reval in Liefland, wo ſie mit den Ruſſen ſo lange ihren Han-
del trieben, bis den Kaufleuten zu Reval die Luſt ankam, daß
ſie den beſten Profit der rußiſchen Handlung an ſich ziehen woll-
ten, und endlich, aller hanſeatiſchen Vertraͤge ungeachtet, gar
verlangten, daß beyde Nationen, die Deutſchen und die Ruſ-
ſen, als Fremde, nicht mehr in der Stadt mit einander han-
deln, ſondern erſt die Waaren an ſie verkaufen, und andere
Waaren wieder dagegen aus ihrer Hand kaufen ſollten. Die-
ſes bewog die Luͤbecker und die andern Hanſeſtaͤdte, daß ſie von
Reval weggiengen, und 1558 zu Narva eine neue Niederlage,
oder Stapel anlegten, welchen die andern Nationen gar bald
nachfolgten. Allein auch dieſer Handel war von kurzer Dauer,
indem der Koͤnig Erich in Schweden der Hanſeſtaͤdte Handlung
mit den Ruſſen dadurch zerſtoͤrete, daß er die deutſchen, von
Narva zuruͤck kommenden reich beladenen Schiffe wegnahm, ſiehe
den 246 §.
2) Reval.
3) Nerva.
§. 244.
Jmmittelſt hatten ſich die Englaͤnder durch einen ungefaͤh-
ren Zufall einen Weg zur Handlung nach Rußland gebahnet.
Denn als 1553 Hough Willoughby, ein engliſcher Ritter, drey
Schiffe ausgeruͤſtet hatte, in der Abſicht, mit ſolchen durch
Norden einen Weg nach China und Oſtindien zu ſuchen, wurden
dieſe Schiffe durch Sturm von einander zerſtreuet, und das
eine davon, worauf der Schiffshauptmann Richard Chancellier
commandirte, in das weiße Meer nach dem Meerbuſen zu St.
Nicolas, nicht weit davon, wo itzo Archangel ſteht, verſchla-
gen, indem eben die von dem gedachten Chancellier entdeckte
Bequemlichkeit des Ausfluſſes der Dwina zu einem Hafen, die
Ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/1176>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.