Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 6. Die sechste Quelle
Schmeichle dir selber nicht lang wegen deiner gut-
scheinenden Vorsätzen und Empfindungen: Sie
sind zwar himmlische Gnaden-Züge und englische
Kriegs-Posaunen, dir zu einem überwindenden
Streit aufzublasen; so lang du aber noch nicht vom
Gesetz der Sünden frey bist, so lang kan das Wort
GOttes nicht in dir bleiben, und du folglich auch
den Bösewicht nicht überwinden, 1 Joh. 2, 14.

§. 23.

III. Nach der Versuchung must du

1) GOtt vor seine Hülffe dancken/ und
deine überstandene Versuchung dir da-
zu dienen lassen, daß du dein verderbtes
Hertz daraus erkennest/ und aufs künff-
tige immer vorsichtiger und klüger wer-
dest.

Kinder haben grosse Freude, wann sie etwa ein
heßlich Thier erleget haben.

Ein neun-jähriger adelicher Knab wollte Sperlinge und
dergleichen kleine Vögelein schiessen, und erblickte einsmals
einen grossen Bären, der sich durch einen Grünhaag hin-
durch gearbeitet, und gegen ihn, weil er so nahe ware, sei-
nen Rachen aufgesperret: Der Knab steckte ihm das Rohr
in den Rachen, und jagte dem wilden Thier Feuer, Rauch
und Schrot den Hals hinunter, und tödtete ihn: Sprang
darauf mit Freuden dem Schloß zu, und rühmete es sei-
nem Vater, der ein Baron ware, in der Meynung, er soll-
te für seine Helden-That wohl eine güldene Kette kriegen.

Also gehet es auch dir, wann du nur kleine
Sünden tödten wilst, nach dem Maaß deines Al-
ters, Verstands und empfangenen Gnade; so kan
es der allmächtige GOtt fügen, daß dir ein herr-

licher

Cap. 6. Die ſechſte Quelle
Schmeichle dir ſelber nicht lang wegen deiner gut-
ſcheinenden Vorſaͤtzen und Empfindungen: Sie
ſind zwar himmliſche Gnaden-Zuͤge und engliſche
Kriegs-Poſaunen, dir zu einem uͤberwindenden
Streit aufzublaſen; ſo lang du aber noch nicht vom
Geſetz der Suͤnden frey biſt, ſo lang kan das Wort
GOttes nicht in dir bleiben, und du folglich auch
den Boͤſewicht nicht uͤberwinden, 1 Joh. 2, 14.

§. 23.

III. Nach der Verſuchung muſt du

1) GOtt vor ſeine Huͤlffe dancken/ und
deine uͤberſtandene Verſuchung dir da-
zu dienen laſſen, daß du dein verderbtes
Hertz daraus erkenneſt/ und aufs kuͤnff-
tige immer vorſichtiger und kluͤger wer-
deſt.

Kinder haben groſſe Freude, wann ſie etwa ein
heßlich Thier erleget haben.

Ein neun-jaͤhriger adelicher Knab wollte Sperlinge und
dergleichen kleine Voͤgelein ſchieſſen, und erblickte einsmals
einen groſſen Baͤren, der ſich durch einen Gruͤnhaag hin-
durch gearbeitet, und gegen ihn, weil er ſo nahe ware, ſei-
nen Rachen aufgeſperret: Der Knab ſteckte ihm das Rohr
in den Rachen, und jagte dem wilden Thier Feuer, Rauch
und Schrot den Hals hinunter, und toͤdtete ihn: Sprang
darauf mit Freuden dem Schloß zu, und ruͤhmete es ſei-
nem Vater, der ein Baron ware, in der Meynung, er ſoll-
te fuͤr ſeine Helden-That wohl eine guͤldene Kette kriegen.

Alſo gehet es auch dir, wann du nur kleine
Suͤnden toͤdten wilſt, nach dem Maaß deines Al-
ters, Verſtands und empfangenen Gnade; ſo kan
es der allmaͤchtige GOtt fuͤgen, daß dir ein herr-

licher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0362" n="344"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 6. Die &#x017F;ech&#x017F;te Quelle</hi></fw><lb/>
Schmeichle dir &#x017F;elber nicht lang wegen deiner gut-<lb/>
&#x017F;cheinenden Vor&#x017F;a&#x0364;tzen und Empfindungen: Sie<lb/>
&#x017F;ind zwar himmli&#x017F;che Gnaden-Zu&#x0364;ge und engli&#x017F;che<lb/>
Kriegs-Po&#x017F;aunen, dir zu einem u&#x0364;berwindenden<lb/>
Streit aufzubla&#x017F;en; &#x017F;o lang du aber noch nicht vom<lb/>
Ge&#x017F;etz der Su&#x0364;nden frey bi&#x017F;t, &#x017F;o lang kan das Wort<lb/>
GOttes nicht in dir bleiben, und du folglich auch<lb/>
den Bo&#x0364;&#x017F;ewicht nicht u&#x0364;berwinden, 1 Joh. 2, 14.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 23.</head><lb/>
          <p> <hi rendition="#aq">III.</hi> <hi rendition="#fr">Nach der Ver&#x017F;uchung mu&#x017F;t du</hi> </p><lb/>
          <p>1) <hi rendition="#fr">GOtt vor &#x017F;eine Hu&#x0364;lffe dancken/ und<lb/>
deine u&#x0364;ber&#x017F;tandene Ver&#x017F;uchung dir da-<lb/>
zu dienen la&#x017F;&#x017F;en, daß du dein verderbtes<lb/>
Hertz daraus erkenne&#x017F;t/ und aufs ku&#x0364;nff-<lb/>
tige immer vor&#x017F;ichtiger und klu&#x0364;ger wer-<lb/>
de&#x017F;t.</hi></p><lb/>
          <p>Kinder haben gro&#x017F;&#x017F;e Freude, wann &#x017F;ie etwa ein<lb/>
heßlich Thier erleget haben.</p><lb/>
          <p>Ein neun-ja&#x0364;hriger adelicher Knab wollte Sperlinge und<lb/>
dergleichen kleine Vo&#x0364;gelein &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en, und erblickte einsmals<lb/>
einen gro&#x017F;&#x017F;en Ba&#x0364;ren, der &#x017F;ich durch einen Gru&#x0364;nhaag hin-<lb/>
durch gearbeitet, und gegen ihn, weil er &#x017F;o nahe ware, &#x017F;ei-<lb/>
nen Rachen aufge&#x017F;perret: Der Knab &#x017F;teckte ihm das Rohr<lb/>
in den Rachen, und jagte dem wilden Thier Feuer, Rauch<lb/>
und Schrot den Hals hinunter, und to&#x0364;dtete ihn: Sprang<lb/>
darauf mit Freuden dem Schloß zu, und ru&#x0364;hmete es &#x017F;ei-<lb/>
nem Vater, der ein Baron ware, in der Meynung, er &#x017F;oll-<lb/>
te fu&#x0364;r &#x017F;eine Helden-That wohl eine gu&#x0364;ldene Kette kriegen.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o gehet es auch dir, wann du nur kleine<lb/>
Su&#x0364;nden to&#x0364;dten wil&#x017F;t, nach dem Maaß deines Al-<lb/>
ters, Ver&#x017F;tands und empfangenen Gnade; &#x017F;o kan<lb/>
es der allma&#x0364;chtige GOtt fu&#x0364;gen, daß dir ein herr-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">licher</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0362] Cap. 6. Die ſechſte Quelle Schmeichle dir ſelber nicht lang wegen deiner gut- ſcheinenden Vorſaͤtzen und Empfindungen: Sie ſind zwar himmliſche Gnaden-Zuͤge und engliſche Kriegs-Poſaunen, dir zu einem uͤberwindenden Streit aufzublaſen; ſo lang du aber noch nicht vom Geſetz der Suͤnden frey biſt, ſo lang kan das Wort GOttes nicht in dir bleiben, und du folglich auch den Boͤſewicht nicht uͤberwinden, 1 Joh. 2, 14. §. 23. III. Nach der Verſuchung muſt du 1) GOtt vor ſeine Huͤlffe dancken/ und deine uͤberſtandene Verſuchung dir da- zu dienen laſſen, daß du dein verderbtes Hertz daraus erkenneſt/ und aufs kuͤnff- tige immer vorſichtiger und kluͤger wer- deſt. Kinder haben groſſe Freude, wann ſie etwa ein heßlich Thier erleget haben. Ein neun-jaͤhriger adelicher Knab wollte Sperlinge und dergleichen kleine Voͤgelein ſchieſſen, und erblickte einsmals einen groſſen Baͤren, der ſich durch einen Gruͤnhaag hin- durch gearbeitet, und gegen ihn, weil er ſo nahe ware, ſei- nen Rachen aufgeſperret: Der Knab ſteckte ihm das Rohr in den Rachen, und jagte dem wilden Thier Feuer, Rauch und Schrot den Hals hinunter, und toͤdtete ihn: Sprang darauf mit Freuden dem Schloß zu, und ruͤhmete es ſei- nem Vater, der ein Baron ware, in der Meynung, er ſoll- te fuͤr ſeine Helden-That wohl eine guͤldene Kette kriegen. Alſo gehet es auch dir, wann du nur kleine Suͤnden toͤdten wilſt, nach dem Maaß deines Al- ters, Verſtands und empfangenen Gnade; ſo kan es der allmaͤchtige GOtt fuͤgen, daß dir ein herr- licher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/362
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/362>, abgerufen am 21.11.2024.