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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Weyhnachts-Gedancken.

§. 13. Nun liebster Vatter schencke uns recht diese theure Gabe. OSchluß-
Gebett.

daß wir dieses Kindes Schönheit erblicketen und rechtschaffen darein
verliebt wurden, ihn im Vertrauen an unser Hertz zu trucken! O Ab-
ba! lasse JEsum gebohren werden in uns, daß wir dir in seinem Bilde
wohl gefallen, und dir dancken! Dancket man doch um einen Bissen
Brodts. Erbarme dich unser! Wir warten auf dein lieb Vatter-
Hertz. Nun weiß ich HErr JEsu, daß du der meine seyest, und dancke
GOtt darum ewiglich. Amen, Hallelujah.

Gebett vor einfältige Hertzen, die sich mit dem blos-
sen Lesen, empfindlicher Andacht und dergleichen, nicht vergnü-

gen, sondern zur Sach selber schreiten, und das höchste Gut
gern würcklich in sich besitzen und geniessen möchten.

OLieber Vatter im Himmel, wie leutselig bist du gegen uns Men-
schen! Schencke mir den Sohn deiner Liebe zum Weyhnacht-Ge-
schenck in meine Eyfer-Geist- und Krafft-lose, arme, finstere und todte
Seele; so werde ich dir recht angenehm: sonst bleib ich immer ein Ge-
bett- und Gnaden-loser dürrer Reiß vor dir, ohne Safft und ohne
Frucht, eine vom Wind hin- und her gejagte Flaum-Feder; alle gute
Vorsätz verfliegen ohne Nachsatz. Ach GOtt! was bin ich ohne JEsu?
Du weissest es selbst besser als ich es wissen mag. Aendere mich doch, ich
mag nicht so bleiben; ich möchte deine Werckstatt seyn, und dein Hei-
ligthum. Jst ein anderer und näherer Weg darzu, als die Offenbah-
rung JEsu in mir, so sage es mir, weil ich doch dein Geschöpf bin; er-
barme dich! Du willt ihn ja noch alle Tag geistlich lassen gebohren wer-
den, und auf Erden senden zur Freud und ewigen Vergnügen begie-
riger Seelen; aber wie leicht entrinnt mir das Thier meiner Einbil-
dungs-Krafft! Wann ich meyne, jetzt will ich so und so lang aneinan-
der an nichts gedencken als an JEsum, so kommt ein Bild ins Gemüth
daher geschlichen, das führt mich fast unvermerckt ferne von JEsu
hinweg ins weite Feld von tausenderley Einfällen, daß ich alsdann
dahinden bleibe, und nicht zu deiner Hütten Thür eingehen kan: so bin
ich darneben, leyder! zu faul und zu schwach, mein ausgerissen Thier
so bald wieder anzubinden, habe auch in so langer Zeit mit meinem
eigenen unwiederbringlichen Schaden nicht können witzig werden.
Das klage ich dir demüthig, o Erbarmer! Vergibe die vergangene

Versaum-
Weyhnachts-Gedancken.

§. 13. Nun liebſter Vatter ſchencke uns recht dieſe theure Gabe. OSchluß-
Gebett.

daß wir dieſes Kindes Schoͤnheit erblicketen und rechtſchaffen darein
verliebt wurden, ihn im Vertrauen an unſer Hertz zu trucken! O Ab-
ba! laſſe JEſum gebohren werden in uns, daß wir dir in ſeinem Bilde
wohl gefallen, und dir dancken! Dancket man doch um einen Biſſen
Brodts. Erbarme dich unſer! Wir warten auf dein lieb Vatter-
Hertz. Nun weiß ich HErr JEſu, daß du der meine ſeyeſt, und dancke
GOtt darum ewiglich. Amen, Hallelujah.

Gebett vor einfaͤltige Hertzen, die ſich mit dem bloſ-
ſen Leſen, empfindlicher Andacht und dergleichen, nicht vergnuͤ-

gen, ſondern zur Sach ſelber ſchreiten, und das hoͤchſte Gut
gern wuͤrcklich in ſich beſitzen und genieſſen moͤchten.

OLieber Vatter im Himmel, wie leutſelig biſt du gegen uns Men-
ſchen! Schencke mir den Sohn deiner Liebe zum Weyhnacht-Ge-
ſchenck in meine Eyfer-Geiſt- und Krafft-loſe, arme, finſtere und todte
Seele; ſo werde ich dir recht angenehm: ſonſt bleib ich immer ein Ge-
bett- und Gnaden-loſer duͤrrer Reiß vor dir, ohne Safft und ohne
Frucht, eine vom Wind hin- und her gejagte Flaum-Feder; alle gute
Vorſaͤtz verfliegen ohne Nachſatz. Ach GOtt! was bin ich ohne JEſu?
Du weiſſeſt es ſelbſt beſſer als ich es wiſſen mag. Aendere mich doch, ich
mag nicht ſo bleiben; ich moͤchte deine Werckſtatt ſeyn, und dein Hei-
ligthum. Jſt ein anderer und naͤherer Weg darzu, als die Offenbah-
rung JEſu in mir, ſo ſage es mir, weil ich doch dein Geſchoͤpf bin; er-
barme dich! Du willt ihn ja noch alle Tag geiſtlich laſſen gebohren wer-
den, und auf Erden ſenden zur Freud und ewigen Vergnuͤgen begie-
riger Seelen; aber wie leicht entrinnt mir das Thier meiner Einbil-
dungs-Krafft! Wann ich meyne, jetzt will ich ſo und ſo lang aneinan-
der an nichts gedencken als an JEſum, ſo kommt ein Bild ins Gemuͤth
daher geſchlichen, das fuͤhrt mich faſt unvermerckt ferne von JEſu
hinweg ins weite Feld von tauſenderley Einfaͤllen, daß ich alsdann
dahinden bleibe, und nicht zu deiner Huͤtten Thuͤr eingehen kan: ſo bin
ich darneben, leyder! zu faul und zu ſchwach, mein ausgeriſſen Thier
ſo bald wieder anzubinden, habe auch in ſo langer Zeit mit meinem
eigenen unwiederbringlichen Schaden nicht koͤnnen witzig werden.
Das klage ich dir demuͤthig, o Erbarmer! Vergibe die vergangene

Verſaum-
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[655/0751] Weyhnachts-Gedancken. §. 13. Nun liebſter Vatter ſchencke uns recht dieſe theure Gabe. O daß wir dieſes Kindes Schoͤnheit erblicketen und rechtſchaffen darein verliebt wurden, ihn im Vertrauen an unſer Hertz zu trucken! O Ab- ba! laſſe JEſum gebohren werden in uns, daß wir dir in ſeinem Bilde wohl gefallen, und dir dancken! Dancket man doch um einen Biſſen Brodts. Erbarme dich unſer! Wir warten auf dein lieb Vatter- Hertz. Nun weiß ich HErr JEſu, daß du der meine ſeyeſt, und dancke GOtt darum ewiglich. Amen, Hallelujah. Schluß- Gebett. Gebett vor einfaͤltige Hertzen, die ſich mit dem bloſ- ſen Leſen, empfindlicher Andacht und dergleichen, nicht vergnuͤ- gen, ſondern zur Sach ſelber ſchreiten, und das hoͤchſte Gut gern wuͤrcklich in ſich beſitzen und genieſſen moͤchten. OLieber Vatter im Himmel, wie leutſelig biſt du gegen uns Men- ſchen! Schencke mir den Sohn deiner Liebe zum Weyhnacht-Ge- ſchenck in meine Eyfer-Geiſt- und Krafft-loſe, arme, finſtere und todte Seele; ſo werde ich dir recht angenehm: ſonſt bleib ich immer ein Ge- bett- und Gnaden-loſer duͤrrer Reiß vor dir, ohne Safft und ohne Frucht, eine vom Wind hin- und her gejagte Flaum-Feder; alle gute Vorſaͤtz verfliegen ohne Nachſatz. Ach GOtt! was bin ich ohne JEſu? Du weiſſeſt es ſelbſt beſſer als ich es wiſſen mag. Aendere mich doch, ich mag nicht ſo bleiben; ich moͤchte deine Werckſtatt ſeyn, und dein Hei- ligthum. Jſt ein anderer und naͤherer Weg darzu, als die Offenbah- rung JEſu in mir, ſo ſage es mir, weil ich doch dein Geſchoͤpf bin; er- barme dich! Du willt ihn ja noch alle Tag geiſtlich laſſen gebohren wer- den, und auf Erden ſenden zur Freud und ewigen Vergnuͤgen begie- riger Seelen; aber wie leicht entrinnt mir das Thier meiner Einbil- dungs-Krafft! Wann ich meyne, jetzt will ich ſo und ſo lang aneinan- der an nichts gedencken als an JEſum, ſo kommt ein Bild ins Gemuͤth daher geſchlichen, das fuͤhrt mich faſt unvermerckt ferne von JEſu hinweg ins weite Feld von tauſenderley Einfaͤllen, daß ich alsdann dahinden bleibe, und nicht zu deiner Huͤtten Thuͤr eingehen kan: ſo bin ich darneben, leyder! zu faul und zu ſchwach, mein ausgeriſſen Thier ſo bald wieder anzubinden, habe auch in ſo langer Zeit mit meinem eigenen unwiederbringlichen Schaden nicht koͤnnen witzig werden. Das klage ich dir demuͤthig, o Erbarmer! Vergibe die vergangene Verſaum-

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/751>, abgerufen am 22.12.2024.