Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Weyhnachts-Gedancken.
keit bedürfftig, Göttlicher Hülff nöthig und begierig, so freue dich
und bitte getrost, was du gern haben willt, von GOtt, daß er dir
thüe und gebe, es wird dir um dieses Kindleins willen nichts gutes
abgeschlagen werden vor dem Thron der Gnaden a; Hat dir GOtt
seinen eigenen Sohn geschencket, was sollte er dir hinführo versagen?
Und damit du es fein wohl wissest, dein JEsus kommt nicht nur
darum daß du könntest seelig werden, sondern damit du würcklich
seelig wurdest; sein Rath bestehet und ist unwandelbahr.

Das dritte Capitel.
Die Ursachen dieser armseligen Geburt JESU.
Die Ursa-
chen seiner
armseli-
gen Ge-
burt
seynd:
Weilen er
sich eine
Zeitlang
wollte ver-
borgen
halten.

§. 1. Sagst du aber, warum der ewige GOtt sich so tieff
erniedriget, daß er in der Bärmutter einer armen Magd gelegen,
und in schwacher, blöder, so vielen Ungelegenheiten unterworffener
Kindheit habe wollen aufwachsen; Warum er nicht wie Adam im
Paradieß auf Erden kommen?

§. 2. Antwort. I. Jsraels Erlöser hat sich wollen eine Zeitlang
verborgen halten, und nur von Gläubigen heimlich genossen werden,
theils ein tieff Geheimniß zu bedeuten, worvon jetzt nicht zu reden,
theils damit es ohne Gepräng zugehe b, und die Welt es nicht ach-
te, wer und was er seye, wann er wie ein ander Adams-Kind wach-
se, und von Elteren auferzogen werde c; Kurtz, JEsus hat nicht
grad ein grosses Wesen wollen machen in der Welt mit seiner An-
kunfft, welches geschehen wäre, wann er alsobald erschienen wäre
wie Adam, in vollkommener Grösse. Das ist GOttes Weise, daß
er sein Werck vor der Vernunfft verächtlich vornimmt, und es gar
schlecht anfahet; aus einem kleinem Saamen oder Kern wird zuletzt
ein köstlich Gewächs, ein grosser Baum, wiewohl nicht in einer
Wochen. Wer einen Verklärten am Jüngsten Tag sollte sehen
gläntzen, wie die Sonne ins Vatters Reich, könnte sich nicht ein-
bilden, daß es eben der Mensch seye, den er in den ersten Anfängen
seiner Bekehrung gekannt. Wer hätte gemeynt, den weynenden
Mosen im Bintzen-Kästlein sehend, daß es ein so herrlicher Wun-

der-
a Joh. XIV. Rom. VIII. 32.
b Luc. XVII. 20.
c Amos V. 18.

Weyhnachts-Gedancken.
keit beduͤrfftig, Goͤttlicher Huͤlff noͤthig und begierig, ſo freue dich
und bitte getroſt, was du gern haben willt, von GOtt, daß er dir
thuͤe und gebe, es wird dir um dieſes Kindleins willen nichts gutes
abgeſchlagen werden vor dem Thron der Gnaden a; Hat dir GOtt
ſeinen eigenen Sohn geſchencket, was ſollte er dir hinfuͤhro verſagen?
Und damit du es fein wohl wiſſeſt, dein JEſus kommt nicht nur
darum daß du koͤnnteſt ſeelig werden, ſondern damit du wuͤrcklich
ſeelig wurdeſt; ſein Rath beſtehet und iſt unwandelbahr.

Das dritte Capitel.
Die Urſachen dieſer armſeligen Geburt JESU.
Die Urſa-
chen ſeiner
armſeli-
gen Ge-
burt
ſeynd:
Weilen er
ſich eine
Zeitlang
wollte ver-
borgen
halten.

§. 1. Sagſt du aber, warum der ewige GOtt ſich ſo tieff
erniedriget, daß er in der Baͤrmutter einer armen Magd gelegen,
und in ſchwacher, bloͤder, ſo vielen Ungelegenheiten unterworffener
Kindheit habe wollen aufwachſen; Warum er nicht wie Adam im
Paradieß auf Erden kommen?

§. 2. Antwort. I. Jſraels Erloͤſer hat ſich wollen eine Zeitlang
verborgen halten, und nur von Glaͤubigen heimlich genoſſen werden,
theils ein tieff Geheimniß zu bedeuten, worvon jetzt nicht zu reden,
theils damit es ohne Gepraͤng zugehe b, und die Welt es nicht ach-
te, wer und was er ſeye, wann er wie ein ander Adams-Kind wach-
ſe, und von Elteren auferzogen werde c; Kurtz, JEſus hat nicht
grad ein groſſes Weſen wollen machen in der Welt mit ſeiner An-
kunfft, welches geſchehen waͤre, wann er alſobald erſchienen waͤre
wie Adam, in vollkommener Groͤſſe. Das iſt GOttes Weiſe, daß
er ſein Werck vor der Vernunfft veraͤchtlich vornimmt, und es gar
ſchlecht anfahet; aus einem kleinem Saamen oder Kern wird zuletzt
ein koͤſtlich Gewaͤchs, ein groſſer Baum, wiewohl nicht in einer
Wochen. Wer einen Verklaͤrten am Juͤngſten Tag ſollte ſehen
glaͤntzen, wie die Sonne ins Vatters Reich, koͤnnte ſich nicht ein-
bilden, daß es eben der Menſch ſeye, den er in den erſten Anfaͤngen
ſeiner Bekehrung gekannt. Wer haͤtte gemeynt, den weynenden
Moſen im Bintzen-Kaͤſtlein ſehend, daß es ein ſo herrlicher Wun-

der-
a Joh. XIV. Rom. VIII. 32.
b Luc. XVII. 20.
c Amos V. 18.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0698" n="602"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
keit bedu&#x0364;rfftig, Go&#x0364;ttlicher Hu&#x0364;lff no&#x0364;thig und begierig, &#x017F;o freue dich<lb/>
und bitte getro&#x017F;t, was du gern haben willt, von GOtt, daß er dir<lb/>
thu&#x0364;e und gebe, es wird dir um die&#x017F;es Kindleins willen nichts gutes<lb/>
abge&#x017F;chlagen werden vor dem Thron der Gnaden <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Joh. XIV. Rom. VIII.</hi> 32.</note>; Hat dir GOtt<lb/>
&#x017F;einen eigenen Sohn ge&#x017F;chencket, was &#x017F;ollte er dir hinfu&#x0364;hro ver&#x017F;agen?<lb/>
Und damit du es fein wohl wi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, dein JE&#x017F;us kommt nicht nur<lb/>
darum daß du ko&#x0364;nnte&#x017F;t &#x017F;eelig werden, &#x017F;ondern damit du wu&#x0364;rcklich<lb/>
&#x017F;eelig wurde&#x017F;t; &#x017F;ein Rath be&#x017F;tehet und i&#x017F;t unwandelbahr.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das dritte Capitel.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Die Ur&#x017F;achen die&#x017F;er arm&#x017F;eligen Geburt JESU.</hi> </head><lb/>
          <note place="left">Die Ur&#x017F;a-<lb/>
chen &#x017F;einer<lb/>
arm&#x017F;eli-<lb/>
gen Ge-<lb/>
burt<lb/>
&#x017F;eynd:<lb/>
Weilen er<lb/>
&#x017F;ich eine<lb/>
Zeitlang<lb/>
wollte ver-<lb/>
borgen<lb/>
halten.</note>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 1. Sag&#x017F;t du aber, warum der ewige GOtt &#x017F;ich &#x017F;o tieff<lb/>
erniedriget, daß er in der Ba&#x0364;rmutter einer armen Magd gelegen,<lb/>
und in &#x017F;chwacher, blo&#x0364;der, &#x017F;o vielen Ungelegenheiten unterworffener<lb/>
Kindheit habe wollen aufwach&#x017F;en; Warum er nicht wie Adam im<lb/>
Paradieß auf Erden kommen?</p><lb/>
          <p>§. 2. Antwort. <hi rendition="#aq">I.</hi> J&#x017F;raels Erlo&#x0364;&#x017F;er hat &#x017F;ich wollen eine Zeitlang<lb/>
verborgen halten, und nur von Gla&#x0364;ubigen heimlich geno&#x017F;&#x017F;en werden,<lb/>
theils ein tieff Geheimniß zu bedeuten, worvon jetzt nicht zu reden,<lb/>
theils damit es ohne Gepra&#x0364;ng zugehe <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">Luc. XVII.</hi> 20.</note>, und die Welt es nicht ach-<lb/>
te, wer und was er &#x017F;eye, wann er wie ein ander Adams-Kind wach-<lb/>
&#x017F;e, und von Elteren auferzogen werde <note place="foot" n="c"><hi rendition="#aq">Amos V.</hi> 18.</note>; Kurtz, JE&#x017F;us hat nicht<lb/>
grad ein gro&#x017F;&#x017F;es We&#x017F;en wollen machen in der Welt mit &#x017F;einer An-<lb/>
kunfft, welches ge&#x017F;chehen wa&#x0364;re, wann er al&#x017F;obald er&#x017F;chienen wa&#x0364;re<lb/>
wie Adam, in vollkommener Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Das i&#x017F;t GOttes Wei&#x017F;e, daß<lb/>
er &#x017F;ein Werck vor der Vernunfft vera&#x0364;chtlich vornimmt, und es gar<lb/>
&#x017F;chlecht anfahet; aus einem kleinem Saamen oder Kern wird zuletzt<lb/>
ein ko&#x0364;&#x017F;tlich Gewa&#x0364;chs, ein gro&#x017F;&#x017F;er Baum, wiewohl nicht in einer<lb/>
Wochen. Wer einen Verkla&#x0364;rten am Ju&#x0364;ng&#x017F;ten Tag &#x017F;ollte &#x017F;ehen<lb/>
gla&#x0364;ntzen, wie die Sonne ins Vatters Reich, ko&#x0364;nnte &#x017F;ich nicht ein-<lb/>
bilden, daß es eben der Men&#x017F;ch &#x017F;eye, den er in den er&#x017F;ten Anfa&#x0364;ngen<lb/>
&#x017F;einer Bekehrung gekannt. Wer ha&#x0364;tte gemeynt, den weynenden<lb/>
Mo&#x017F;en im Bintzen-Ka&#x0364;&#x017F;tlein &#x017F;ehend, daß es ein &#x017F;o herrlicher Wun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[602/0698] Weyhnachts-Gedancken. keit beduͤrfftig, Goͤttlicher Huͤlff noͤthig und begierig, ſo freue dich und bitte getroſt, was du gern haben willt, von GOtt, daß er dir thuͤe und gebe, es wird dir um dieſes Kindleins willen nichts gutes abgeſchlagen werden vor dem Thron der Gnaden a; Hat dir GOtt ſeinen eigenen Sohn geſchencket, was ſollte er dir hinfuͤhro verſagen? Und damit du es fein wohl wiſſeſt, dein JEſus kommt nicht nur darum daß du koͤnnteſt ſeelig werden, ſondern damit du wuͤrcklich ſeelig wurdeſt; ſein Rath beſtehet und iſt unwandelbahr. Das dritte Capitel. Die Urſachen dieſer armſeligen Geburt JESU. §. 1. Sagſt du aber, warum der ewige GOtt ſich ſo tieff erniedriget, daß er in der Baͤrmutter einer armen Magd gelegen, und in ſchwacher, bloͤder, ſo vielen Ungelegenheiten unterworffener Kindheit habe wollen aufwachſen; Warum er nicht wie Adam im Paradieß auf Erden kommen? §. 2. Antwort. I. Jſraels Erloͤſer hat ſich wollen eine Zeitlang verborgen halten, und nur von Glaͤubigen heimlich genoſſen werden, theils ein tieff Geheimniß zu bedeuten, worvon jetzt nicht zu reden, theils damit es ohne Gepraͤng zugehe b, und die Welt es nicht ach- te, wer und was er ſeye, wann er wie ein ander Adams-Kind wach- ſe, und von Elteren auferzogen werde c; Kurtz, JEſus hat nicht grad ein groſſes Weſen wollen machen in der Welt mit ſeiner An- kunfft, welches geſchehen waͤre, wann er alſobald erſchienen waͤre wie Adam, in vollkommener Groͤſſe. Das iſt GOttes Weiſe, daß er ſein Werck vor der Vernunfft veraͤchtlich vornimmt, und es gar ſchlecht anfahet; aus einem kleinem Saamen oder Kern wird zuletzt ein koͤſtlich Gewaͤchs, ein groſſer Baum, wiewohl nicht in einer Wochen. Wer einen Verklaͤrten am Juͤngſten Tag ſollte ſehen glaͤntzen, wie die Sonne ins Vatters Reich, koͤnnte ſich nicht ein- bilden, daß es eben der Menſch ſeye, den er in den erſten Anfaͤngen ſeiner Bekehrung gekannt. Wer haͤtte gemeynt, den weynenden Moſen im Bintzen-Kaͤſtlein ſehend, daß es ein ſo herrlicher Wun- der- a Joh. XIV. Rom. VIII. 32. b Luc. XVII. 20. c Amos V. 18.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/698
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/698>, abgerufen am 21.11.2024.