Langwierige Gedult und Fleiß geübet haben, Biß sie zum Glory-Reich sich schwingen hoch empor.
Das acht und zwantzigste Capitel. Gebetter.
§. 1. Klag der Seelen über ihre Saumsee- ligkeit im Guten.
O JEsu! Du tieff verborgenes, himmlisches Liecht-Wesen! du bist schon so lange bey uns mit Wein und Oel, mit sanfften Gnaden- Zügen und ernsten Beängstigungen, und wir kennen dennoch weder dich noch deinen Vatter, welches wir zu unserer Schande bekennen müssen vor deinem heiligen Angesichte, wir flateren mit unseren Sinnen herum in der Eitelkeit, und füllen die kostbaren Gefässe un- serer unsterblichen Geister, mit unnützen Dingen, wo nicht gar mit Gestanck und Unrath, und achten dein Himmelreich nicht, welches du uns mit so blutigem Kampff und Schmertzen geöffnet hast, ver- spahren den Eingang darein muthwilliglich von einer Zeit zur ande- ren, weilen wir so gern unserem eigenen Leben länger schonen, wel- §. 2. Ofen- hertzige Bekannt- nuß der Unacht- samkeit und unge- prüffter Anneh- mung fal- scher Waar.ches bey gewaltigem Durchbruch in dein Liebe-Reich gar untergehen muß, wir aber scheuen die Angst, welche immer grösser seyn wird, je länger wirs aufschieben.
Wir kauffen auch wohl alle Augenblick unsers Lebens ein, aber leider! nicht Gold, Silber, Edelgestein, sondern Holtz, Heu, Stoplen, welches wir so gleich innen werden, so bald das Läuterungs- Feur deiner genauen Untersuchung ein wenig verspührt wird, wir hät- ten zwar lieber gute Perlen, aber das Suchen, Ausreisen, Nach- fragen will uns zu langweilig werden.
§. 3. Eine tieffe Be- schämung der Seelen, darum daß sie dasjeni- ge Ort also sehr scheuet und meidet, wo diese Perl am er- sten u. köst- lichsten ge- funde wird.
Eben darum finden wir dich, O köstliche Perl! niemahls recht, sondern tappen im Mittag wie die Blinden, suchen dich da, wo du nicht bist, in guten Tagen, vielem Geld, Uberfluß, Menschen- Ruhm und Ansehen; Hingegen an das Ort, wo man dich finden könnte am schönsten und besten, da wollen wir nicht hingehen, scheuen das Creutz, Armuth, Kranckheit, Schmach und Verlassung, da du dich am innigsten und reichlichsten offenbahrest.
So
Betrachtungen
Langwierige Gedult und Fleiß geuͤbet haben, Biß ſie zum Glory-Reich ſich ſchwingen hoch empor.
Das acht und zwantzigſte Capitel. Gebetter.
§. 1. Klag der Seelẽ uͤber ihre Saumſee- ligkeit im Guten.
O JEſu! Du tieff verborgenes, himmliſches Liecht-Weſen! du biſt ſchon ſo lange bey uns mit Wein und Oel, mit ſanfften Gnaden- Zuͤgen und ernſten Beaͤngſtigungen, und wir kennen dennoch weder dich noch deinen Vatter, welches wir zu unſerer Schande bekennen muͤſſen vor deinem heiligen Angeſichte, wir flateren mit unſeren Sinnen herum in der Eitelkeit, und fuͤllen die koſtbaren Gefaͤſſe un- ſerer unſterblichen Geiſter, mit unnuͤtzen Dingen, wo nicht gar mit Geſtanck und Unrath, und achten dein Himmelreich nicht, welches du uns mit ſo blutigem Kampff und Schmertzen geoͤffnet haſt, ver- ſpahren den Eingang darein muthwilliglich von einer Zeit zur ande- ren, weilen wir ſo gern unſerem eigenen Leben laͤnger ſchonen, wel- §. 2. Ofen- hertzige Bekannt- nuß der Unacht- ſamkeit und unge- pruͤffter Anneh- mung fal- ſcher Waar.ches bey gewaltigem Durchbruch in dein Liebe-Reich gar untergehen muß, wir aber ſcheuen die Angſt, welche immer groͤſſer ſeyn wird, je laͤnger wirs aufſchieben.
Wir kauffen auch wohl alle Augenblick unſers Lebens ein, aber leider! nicht Gold, Silber, Edelgeſtein, ſondern Holtz, Heu, Stoplen, welches wir ſo gleich innen werden, ſo bald das Laͤuterungs- Feur deiner genauen Unterſuchung ein wenig verſpuͤhrt wird, wir haͤt- ten zwar lieber gute Perlen, aber das Suchen, Ausreiſen, Nach- fragen will uns zu langweilig werden.
§. 3. Eine tieffe Be- ſchaͤmung der Seelen, darum daß ſie dasjeni- ge Ort alſo ſehr ſcheuet und meidet, wo dieſe Perl am er- ſten u. koͤſt- lichſten ge- funde wird.
Eben darum finden wir dich, O koͤſtliche Perl! niemahls recht, ſondern tappen im Mittag wie die Blinden, ſuchen dich da, wo du nicht biſt, in guten Tagen, vielem Geld, Uberfluß, Menſchen- Ruhm und Anſehen; Hingegen an das Ort, wo man dich finden koͤnnte am ſchoͤnſten und beſten, da wollen wir nicht hingehen, ſcheuen das Creutz, Armuth, Kranckheit, Schmach und Verlaſſung, da du dich am innigſten und reichlichſten offenbahreſt.
So
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[906/1002]
Betrachtungen
Langwierige Gedult und Fleiß geuͤbet haben,
Biß ſie zum Glory-Reich ſich ſchwingen hoch empor.
Das acht und zwantzigſte Capitel.
Gebetter.
O JEſu! Du tieff verborgenes, himmliſches Liecht-Weſen! du
biſt ſchon ſo lange bey uns mit Wein und Oel, mit ſanfften Gnaden-
Zuͤgen und ernſten Beaͤngſtigungen, und wir kennen dennoch weder
dich noch deinen Vatter, welches wir zu unſerer Schande bekennen
muͤſſen vor deinem heiligen Angeſichte, wir flateren mit unſeren
Sinnen herum in der Eitelkeit, und fuͤllen die koſtbaren Gefaͤſſe un-
ſerer unſterblichen Geiſter, mit unnuͤtzen Dingen, wo nicht gar mit
Geſtanck und Unrath, und achten dein Himmelreich nicht, welches
du uns mit ſo blutigem Kampff und Schmertzen geoͤffnet haſt, ver-
ſpahren den Eingang darein muthwilliglich von einer Zeit zur ande-
ren, weilen wir ſo gern unſerem eigenen Leben laͤnger ſchonen, wel-
ches bey gewaltigem Durchbruch in dein Liebe-Reich gar untergehen
muß, wir aber ſcheuen die Angſt, welche immer groͤſſer ſeyn wird,
je laͤnger wirs aufſchieben.
§. 2. Ofen-
hertzige
Bekannt-
nuß der
Unacht-
ſamkeit
und unge-
pruͤffter
Anneh-
mung fal-
ſcher
Waar.
Wir kauffen auch wohl alle Augenblick unſers Lebens ein, aber
leider! nicht Gold, Silber, Edelgeſtein, ſondern Holtz, Heu,
Stoplen, welches wir ſo gleich innen werden, ſo bald das Laͤuterungs-
Feur deiner genauen Unterſuchung ein wenig verſpuͤhrt wird, wir haͤt-
ten zwar lieber gute Perlen, aber das Suchen, Ausreiſen, Nach-
fragen will uns zu langweilig werden.
Eben darum finden wir dich, O koͤſtliche Perl! niemahls recht,
ſondern tappen im Mittag wie die Blinden, ſuchen dich da, wo
du nicht biſt, in guten Tagen, vielem Geld, Uberfluß, Menſchen-
Ruhm und Anſehen; Hingegen an das Ort, wo man dich finden
koͤnnte am ſchoͤnſten und beſten, da wollen wir nicht hingehen, ſcheuen
das Creutz, Armuth, Kranckheit, Schmach und Verlaſſung, da
du dich am innigſten und reichlichſten offenbahreſt.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 906. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1002>, abgerufen am 23.11.2024.
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