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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] migen Worten an: Was ihn dieser Verrä-
ther und Uberläuffer zu vertheidigen veranlaß-
te? Dieser rieß ihm hierauff selbst den Helm
vom Haupte/ und gab hiermit zu erkennen/ daß
es die unvergleichliche Fürstin Thußnelde/ Se-
gesthens einige Tochter war. Urtheile/ fing sie
an/ großmüthiger Hertzog: ob das Kriegsrecht
mich mehr den Feind zu verfolgen und dem
Feldherren zu gehorsamen/ oder das Gesetze
der Natur den Vater zu beschützen nöthige?
Sie hatte diese Worte noch halb auff der Zun-
gen/ und die Augen gegen den Feldherrn gerich-
tet/ als sie schon für dem gantz verwirrten Se-
gesthes fußfällig ward/ und ihm das von der Er-
de wieder auffgehobene Schwerdt/ mit Beysez-
zung dieser Worte/ reichte: Straffe Segesthes
deine boßhafftige Thußnelde/ welche nicht mehr
des Tochter-Nahmens werth ist/ nach dem sie
das Mordeisen wider ihren Vater gezuckt hat.
Rom wird diesen Schandfleck nimmermehr
ausleschen/ daß die unmenschliche Tullia über
die blutige Leiche ihres schon todten Vaters die
bestürtzten Pferde gesprenget hat. Und ich ha-
be Deutschland mit diesem Brandmahle besu-
delt/ daß ich dem lebenden das Messer an Hals
gesetzt. Räche Segesthes durch diesen Werck-
zeug meines Verbrechens deines Geschlechtes
und des Vaterlandes Schande/ welche grösser
ist/ als warum Virginius seine Tochter auff öf-
fentlichem Marckte abschlachtete. Diese Re-
de beseelte sie mit einer so erbärmlichen Geber-
dung und Wehmuth/ daß sie dem Segesthes
durch die Seele/ dem Feldherrn durchs Hertze
drang/ und bey diesem eine vielfache Empfind-
ligkeit/ bey jenem aber verursachte/ daß er wie-
der zu sich selbst kam/ und ihr mit dieser Antwort
begegnete: Jch empfinde den Zorn der Göt-
ter und die Bisse meines Gewissens über mein
begangenes Laster/ welches so groß ist/ daß das
Verhängniß meiner eignen Tochter Klinge
wider meine Verrätherey zur Rache geschliffen
hat. Vollführe deinen Streich wider den/
[Spaltenumbruch] der sich selbst verdammet. Kinder sind dem Va-
terlande mehr als ihren Vätern schuldig/ und
die Gesetze haben denen Belohnung und Eh-
renmahle ausgesetzt/ die das befleckte Blut ih-
rer straffbaren Eltern dem gemeinen Wesen
auffopffern. Der Feldherr fiel Segesthen in
die Rede: Es wäre ein allzugroß Glücke für ei-
nen Verräther/ daß er von so edlen Waffen/
entweder einer so unvergleichlichen Heldin o-
der eines deutschen Fürsten sterben solte. Das
Recht des Vaterlandes habe auff Feinde der
Freyheit knechtische Strafen ausgesetzt. Schla-
get diesemnach den/ der sich selbst schon verdam-
met/ in die Eisen. Du aber/ unvergleichliche
Thußnelde/ lasse dich den Verlust eines dem ge-
meinen Wesen ohne diß schon abgestorbnen Va-
ters nicht jammern. Deine Tugend ist der Vä-
terlichen Flecken nicht fähig/ und diese darff sich
für keine Wäyse achten/ welche wegen ihrer Hel-
denthaten das Vaterland selbst zu einer Tochter
auffnehmen muß. Alsobald waren einige dar/ die
dem Segesthes Fessel anlegten; welche die Deut-
schen/ um ihre Gefangenen damit feste zu ma-
chen/ in die Schlachten mitzunehmen gewoh-
net waren; worüber Thußnelde theils wegen
empfangener Wunde/ theils daß ihres Vaters
Zustand ihr so tieff zu Hertzen ging/ in Ohn-
macht sanck/ und auff Befehl des Feldherrn mit
allerhand Erfrischungen erqvicket/ und nach
Deutschburg getragen ward.

Der Feind war durch den Verlust Sege-
sthens überaus bestürtzt/ Hertzog Herrmann a-
ber durch den zweyfachen Sieg dieser deutschen
Amazone gleichsam beschämet/ und dahero zu ei-
nem so eifrigen Gefechte angezündet/ daß kein
Feind seinen Sturm ausdauren konte. Cal-
dus Cälius/ welcher ihm begegnen wolte/ ward
von ihm mit dem Streithammer zu Boden ge-
schlagen und darüber gefangen. Qvintilius
Varus/ als er ihn dem Römischen Haupt-Ad-
ler so nahe kommen sahe/ machte sich mit seiner
Leibwache/ als denen eussersten Kräfften des

Römi-

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] migen Worten an: Was ihn dieſer Verraͤ-
ther und Uberlaͤuffer zu vertheidigen veranlaß-
te? Dieſer rieß ihm hierauff ſelbſt den Helm
vom Haupte/ und gab hiermit zu erkennen/ daß
es die unvergleichliche Fuͤrſtin Thußnelde/ Se-
geſthens einige Tochter war. Urtheile/ fing ſie
an/ großmuͤthiger Hertzog: ob das Kriegsrecht
mich mehr den Feind zu verfolgen und dem
Feldherren zu gehorſamen/ oder das Geſetze
der Natur den Vater zu beſchuͤtzen noͤthige?
Sie hatte dieſe Worte noch halb auff der Zun-
gen/ und die Augen gegen den Feldherrn gerich-
tet/ als ſie ſchon fuͤr dem gantz verwirrten Se-
geſthes fußfaͤllig ward/ und ihm das von der Er-
de wieder auffgehobene Schwerdt/ mit Beyſez-
zung dieſer Worte/ reichte: Straffe Segeſthes
deine boßhafftige Thußnelde/ welche nicht mehr
des Tochter-Nahmens werth iſt/ nach dem ſie
das Mordeiſen wider ihren Vater gezuckt hat.
Rom wird dieſen Schandfleck nimmermehr
ausleſchen/ daß die unmenſchliche Tullia uͤber
die blutige Leiche ihres ſchon todten Vaters die
beſtuͤrtzten Pferde geſprenget hat. Und ich ha-
be Deutſchland mit dieſem Brandmahle beſu-
delt/ daß ich dem lebenden das Meſſer an Hals
geſetzt. Raͤche Segeſthes durch dieſen Werck-
zeug meines Verbrechens deines Geſchlechtes
und des Vaterlandes Schande/ welche groͤſſer
iſt/ als warum Virginius ſeine Tochter auff oͤf-
fentlichem Marckte abſchlachtete. Dieſe Re-
de beſeelte ſie mit einer ſo erbaͤrmlichen Geber-
dung und Wehmuth/ daß ſie dem Segeſthes
durch die Seele/ dem Feldherrn durchs Hertze
drang/ und bey dieſem eine vielfache Empfind-
ligkeit/ bey jenem aber verurſachte/ daß er wie-
der zu ſich ſelbſt kam/ und ihr mit dieſer Antwort
begegnete: Jch empfinde den Zorn der Goͤt-
ter und die Biſſe meines Gewiſſens uͤber mein
begangenes Laſter/ welches ſo groß iſt/ daß das
Verhaͤngniß meiner eignen Tochter Klinge
wider meine Verraͤtherey zur Rache geſchliffen
hat. Vollfuͤhre deinen Streich wider den/
[Spaltenumbruch] der ſich ſelbſt verdammet. Kinder ſind dem Va-
terlande mehr als ihren Vaͤtern ſchuldig/ und
die Geſetze haben denen Belohnung und Eh-
renmahle ausgeſetzt/ die das befleckte Blut ih-
rer ſtraffbaren Eltern dem gemeinen Weſen
auffopffern. Der Feldherr fiel Segeſthen in
die Rede: Es waͤre ein allzugroß Gluͤcke fuͤr ei-
nen Verraͤther/ daß er von ſo edlen Waffen/
entweder einer ſo unvergleichlichen Heldin o-
der eines deutſchen Fuͤrſten ſterben ſolte. Das
Recht des Vaterlandes habe auff Feinde der
Freyheit knechtiſche Strafen ausgeſetzt. Schla-
get dieſemnach den/ der ſich ſelbſt ſchon verdam-
met/ in die Eiſen. Du aber/ unvergleichliche
Thußnelde/ laſſe dich den Verluſt eines dem ge-
meinen Weſen ohne diß ſchon abgeſtorbnen Va-
ters nicht jammern. Deine Tugend iſt der Vaͤ-
terlichen Flecken nicht faͤhig/ und dieſe darff ſich
fuͤr keine Waͤyſe achten/ welche wegen ihrer Hel-
denthaten das Vaterland ſelbſt zu einer Tochter
auffnehmen muß. Alſobald waren einige dar/ die
dem Segeſthes Feſſel anlegten; welche die Deut-
ſchen/ um ihre Gefangenen damit feſte zu ma-
chen/ in die Schlachten mitzunehmen gewoh-
net waren; woruͤber Thußnelde theils wegen
empfangener Wunde/ theils daß ihres Vaters
Zuſtand ihr ſo tieff zu Hertzen ging/ in Ohn-
macht ſanck/ und auff Befehl des Feldherrn mit
allerhand Erfriſchungen erqvicket/ und nach
Deutſchburg getragen ward.

Der Feind war durch den Verluſt Sege-
ſthens uͤberaus beſtuͤrtzt/ Hertzog Herrmann a-
ber durch den zweyfachen Sieg dieſer deutſchen
Amazone gleichſam beſchaͤmet/ und dahero zu ei-
nem ſo eifrigen Gefechte angezuͤndet/ daß kein
Feind ſeinen Sturm ausdauren konte. Cal-
dus Caͤlius/ welcher ihm begegnen wolte/ ward
von ihm mit dem Streithammer zu Boden ge-
ſchlagen und daruͤber gefangen. Qvintilius
Varus/ als er ihn dem Roͤmiſchen Haupt-Ad-
ler ſo nahe kommen ſahe/ machte ſich mit ſeiner
Leibwache/ als denen euſſerſten Kraͤfften des

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/96>, abgerufen am 26.04.2024.