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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] aufstehen/ die GOttheit hätte sein Gebete gnä-
dig aufgenommen/ und das Opfer deutete in
allem an: daß das Verhängnüß seinem Fürha-
ben geneigt wäre. Hertzog Herrmann sprang
hierauf mit gleichen Füssen empor/ neigte sich
gegen dem Altare/ und weil sein Hertze so wenig
die Freude/ als seine grosse Hoffnung eines
glücklichen Außganges verbergen konte/ steckte
er seine lincke Hand gegen dem aufgehenden
Voll-Mond aus/ und thät ein Gelübde: daß
er alle edle Römer/ welche von ihm würden ge-
fangen werden/ aufopfern wolte. Hiemit
wendete er sich gegen die Fürsten und andere
Grossen/ welche unfern von ihm bey dem Opfer
auch ihrer Andacht gepfleget hatten/ und ersuch-
te sie: daß sie ihm/ als einem Wegweiser hinter
den Hügel und Tempel nachfolgen möchten.
Sie hatten aber kaum etliche Schritte fortge-
setzt/ als sie von Westen her gegen dem Tempel
sich einen Todten-Aufzug nähern sahen; wel-
ches sie aus aller Begleitenden schwartzen Trau-
er-Kleidern und ihren umbhülleten Häuptern
erkenneten. Zuförderst giengen zwantzig Edel-
Leute/ welche die Bilder der Sicambrischen
Fürstlichen Ahnen vortrugen; diesen folgten
drey Sicambrische Priester mit Opfer-Beilen/
und hierauf alsofort ein mit Blumen-Kräntzen
über und über bekleideter Sarg/ welcher von
zwölf weisse Wachs-Fackeln tragenden Edel-
Knaben umbgeben/ und von so viel edlen Jung-
frauen getragen ward; die alle so viel Thränen
über ihre Wangen flüssen liessen/ daß es schien/
als hätten ihre Augen sich in das regnende Sie-
ben-Gestirne verwandelt. Jhre Vorgänge-
rin/ eine ansehnliche Frau/ alleine hatte trockene
Augen/ es sahe ihr aber eine heftigere Bestür-
tzung aus dem Gesichte/ als welche mit Weinen
fürzubilden ist. Der Leiche folgten eine ziemli-
che Anzahl Sicambrische Edel-Leute/ und zu-
letzt die Opfer-Thiere/ welche auf denen Be-
gräbnüssen zwar geschlachtet/ nicht aber ver-
brennet/ sondern von denen Leidtragenden
[Spaltenumbruch] verspeiset zu werden pflegen. So bald
sie für den Eingang deß Tempels kamen/ ward
die Baare niedergesetzet/ der Sarg eröffnet/
in welchem eine eingebalsamte Leiche eines
Frauen-Zimmers zu sehen war. Nachdem sie
alle gegen der heiligen Höle sich biß auf die Erde
niedergebückt/ und ein kurtzes Gebete gethan
hatten; kehrte sich die dem Sarche vortretende
edle Frau zu denen anwesenden Fürsten/ und
fieng nach etlichen tieffen Seufzern halb re-
chelnde an zu reden: Wundert euch nicht/ grosse
Helden/ wer ihr auch seyd/ daß so viel bestürtztes
Frauen-Zimmer und traurige Frembdlinge eu-
re heilige Rath-Schläge stören. Unsre Leiche und
Sache verträget nichts als Wehklagen; bey de-
nen Deutschen aber ist den Männern nur das
Andencken/ denen Weibern das Trauren allein
anständig. Lasset euch vielmehr befrembden:
daß mein trockner Schmertz noch das Vermö-
gen hat meine Zunge zu rühren. Dieses Ge-
rippe sind die geringschätzigen Hülsen der über-
irrdischen Walpur gis/ der Sicambrischen Für-
stin; welche ich von Jugend auf durch tugend-
hafte Erziehung zu bedienen das Glücke/ der
boßhafte Varus aber zu ermorden den Vorsatz
gehabt hat. Wolte GOtt aber/ dieser Un-
mensch hätte nur ihr Leben/ nicht aber ihre Tu-
gend auszuleschen sich bemühet! Alleine diese
Heldin hat das erste an ihr selbst hertzhafft aus-
üben müssen/ womit Varus/ der Keuschheit
Tod-Feind/ das andere zu vollbringen gehindert
würde. Denn sie hat lieber in dem Siege-
Strome ertrincken/ als mit diesem lüsternen
Hengste in dem Gewässer der Wollüste schwim-
men wollen. Jch stehe an unsere Walpurgis
der Römischen Lucretia zu gleichen/ welche letz-
tere/ da sie unschuldig gewest ist/ nicht den Tod/
wenn sie aber nur ihr beliebtes Verbrechen mit
dem Blute zu überfirnsen gesuchet/ kein Lob ver-
dienet hat. Sintemal die erstere durch zeitliche
Abschneidung ihres Lebens-Fadens dem Wü-
terich auch das Vermögen sie zu verunehren

abge-
B 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] aufſtehen/ die GOttheit haͤtte ſein Gebete gnaͤ-
dig aufgenommen/ und das Opfer deutete in
allem an: daß das Verhaͤngnuͤß ſeinem Fuͤrha-
ben geneigt waͤre. Hertzog Herrmann ſprang
hierauf mit gleichen Fuͤſſen empor/ neigte ſich
gegen dem Altare/ und weil ſein Hertze ſo wenig
die Freude/ als ſeine groſſe Hoffnung eines
gluͤcklichen Außganges verbergen konte/ ſteckte
er ſeine lincke Hand gegen dem aufgehenden
Voll-Mond aus/ und thaͤt ein Geluͤbde: daß
er alle edle Roͤmer/ welche von ihm wuͤrden ge-
fangen werden/ aufopfern wolte. Hiemit
wendete er ſich gegen die Fuͤrſten und andere
Groſſen/ welche unfern von ihm bey dem Opfer
auch ihrer Andacht gepfleget hatten/ und erſuch-
te ſie: daß ſie ihm/ als einem Wegweiſer hinter
den Huͤgel und Tempel nachfolgen moͤchten.
Sie hatten aber kaum etliche Schritte fortge-
ſetzt/ als ſie von Weſten her gegen dem Tempel
ſich einen Todten-Aufzug naͤhern ſahen; wel-
ches ſie aus aller Begleitenden ſchwartzen Trau-
er-Kleidern und ihren umbhuͤlleten Haͤuptern
erkenneten. Zufoͤrderſt giengen zwantzig Edel-
Leute/ welche die Bilder der Sicambriſchen
Fuͤrſtlichen Ahnen vortrugen; dieſen folgten
drey Sicambriſche Prieſter mit Opfer-Beilen/
und hierauf alſofort ein mit Blumen-Kraͤntzen
uͤber und uͤber bekleideter Sarg/ welcher von
zwoͤlf weiſſe Wachs-Fackeln tragenden Edel-
Knaben umbgeben/ und von ſo viel edlen Jung-
frauen getragen ward; die alle ſo viel Thraͤnen
uͤber ihre Wangen fluͤſſen lieſſen/ daß es ſchien/
als haͤtten ihre Augen ſich in das regnende Sie-
ben-Geſtirne verwandelt. Jhre Vorgaͤnge-
rin/ eine anſehnliche Frau/ alleine hatte trockene
Augen/ es ſahe ihr aber eine heftigere Beſtuͤr-
tzung aus dem Geſichte/ als welche mit Weinen
fuͤrzubilden iſt. Der Leiche folgten eine ziemli-
che Anzahl Sicambriſche Edel-Leute/ und zu-
letzt die Opfer-Thiere/ welche auf denen Be-
graͤbnuͤſſen zwar geſchlachtet/ nicht aber ver-
brennet/ ſondern von denen Leidtragenden
[Spaltenumbruch] verſpeiſet zu werden pflegen. So bald
ſie fuͤr den Eingang deß Tempels kamen/ ward
die Baare niedergeſetzet/ der Sarg eroͤffnet/
in welchem eine eingebalſamte Leiche eines
Frauen-Zimmers zu ſehen war. Nachdem ſie
alle gegen der heiligen Hoͤle ſich biß auf die Erde
niedergebuͤckt/ und ein kurtzes Gebete gethan
hatten; kehrte ſich die dem Sarche vortretende
edle Frau zu denen anweſenden Fuͤrſten/ und
fieng nach etlichen tieffen Seufzern halb re-
chelnde an zu reden: Wundert euch nicht/ groſſe
Helden/ wer ihr auch ſeyd/ daß ſo viel beſtuͤrtztes
Frauen-Zimmer und traurige Frembdlinge eu-
re heilige Rath-Schlaͤge ſtoͤren. Unſre Leiche und
Sache vertraͤget nichts als Wehklagen; bey de-
nen Deutſchen aber iſt den Maͤnnern nur das
Andencken/ denen Weibern das Trauren allein
anſtaͤndig. Laſſet euch vielmehr befrembden:
daß mein trockner Schmertz noch das Vermoͤ-
gen hat meine Zunge zu ruͤhren. Dieſes Ge-
rippe ſind die geringſchaͤtzigen Huͤlſen der uͤber-
irrdiſchen Walpur gis/ der Sicambriſchen Fuͤr-
ſtin; welche ich von Jugend auf durch tugend-
hafte Erziehung zu bedienen das Gluͤcke/ der
boßhafte Varus aber zu ermorden den Vorſatz
gehabt hat. Wolte GOtt aber/ dieſer Un-
menſch haͤtte nur ihr Leben/ nicht aber ihre Tu-
gend auszuleſchen ſich bemuͤhet! Alleine dieſe
Heldin hat das erſte an ihr ſelbſt hertzhafft aus-
uͤben muͤſſen/ womit Varus/ der Keuſchheit
Tod-Feind/ das andere zu vollbringen gehindert
wuͤrde. Denn ſie hat lieber in dem Siege-
Strome ertrincken/ als mit dieſem luͤſternen
Hengſte in dem Gewaͤſſer der Wolluͤſte ſchwim-
men wollen. Jch ſtehe an unſere Walpurgis
der Roͤmiſchen Lucretia zu gleichen/ welche letz-
tere/ da ſie unſchuldig geweſt iſt/ nicht den Tod/
wenn ſie aber nur ihr beliebtes Verbrechen mit
dem Blute zu uͤberfirnſen geſuchet/ kein Lob ver-
dienet hat. Sintemal die erſtere durch zeitliche
Abſchneidung ihres Lebens-Fadens dem Wuͤ-
terich auch das Vermoͤgen ſie zu verunehren

abge-
B 2
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/59>, abgerufen am 27.04.2024.