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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Erstes Buch
[Spaltenumbruch] tzen gegen diesen Helden/ weil er seiner zeither
ver worffenen Liebe sein und seiner Tochter Le-
ben zu dancken gezwungen ward. Also ist man
geneigter/ weniges Unrecht als grosse Wohltha-
ten mit gleichem zu vergelten; Ja wenn Wohl-
thaten schon die Kräffte unserer Vergeltung ü-
bersteigen/ geben wir statt verbindlichen Dan-
ckes unsern Wohlthätern noch Haß zu Lohne.
Uberdiß hatte Hertzog Herrmann vorhin nicht
so wohl den Segesthes/ als dieser jenen belei-
digt/ dahero brachte die Eigenschafft des mensch-
lichen Gemüthes beym Segesthes mit/ den belei-
digten zu hassen/ und zwar/ weil seine Ursachen
hierzu unrechtmäßig waren/ desto hefftiger.
Gleichwohl muste er aus der Noth eine Tu-
gend machen/ und so viel möglich seine gegen
den Feldherrn tragende Feindschafft mit be-
trüglichem Liebkosen bekleiden. Dahero erklär-
te er sich: Daß nachdem es den Göttern beliebet/
die Gemüther des Feldherrn und seiner Toch-
ter zu vereinbarn/ liesse er ihm derselben Verlo-
bung allerdings gefallen/ und ertheile hierzu
seinen väterlichen Willen. Thußnelden stieg
nun allererst die Schamröthe unter die Augen/
entweder weil sie sich erinnerte/ daß sie nach
Art der Sterbenden oder der unvorsichtigen
Liebhaber eine allzufreye Zunge gehabt/ als sie
die Heimligkeit ihres Hertzens nicht nur dem/
welchen sie liebte/ sondern so vielen Zuschauern
offenbahret hatte; oder weil ihre Landes-Art er-
forderte ihre Zucht bey Erkiesung eines Man-
nes mit dieser Farbe als dem schönsten Braut-
schmucke der Jungfrauen zu bezeichnen. Her-
tzog Herrmann/ ob er wohl dem Segesthes den
Zwang seiner Einwilligung unschwer anmerck-
te/ und wohl verstand/ daß der/ welcher ihn vor-
hin nie auffrichtig geliebt hatte/ den hervorbli-
ckenden Unwillen nicht zum Scheine annahm/
fügte sich doch zu ihm mit höfflichster Ehrerbie-
tung/ hob ihn von der Erden auff und danckte
ihm/ daß er ihn für einen würdigen Bräuti-
gam seiner unschätzbaren Tochter beliebt hätte.
[Spaltenumbruch] Hierauff näherte er sich zu Thußnelden mit an-
nehmlichster Liebes-Bezeugung/ und verwech-
selte mit ihr/ zum Zeichen ihrer Verbindung et-
liche Mahlschätze; Worüber Thußneldens
Schamhafftigkeit sie doch so weit nicht verschlis-
sen konte/ daß ihr nicht die Vergnügung ihres
Hertzens aus den Augen gesehen hätte.

Kein Mensch/ ausser der schwermüthige
Segesthes/ war zugegen/ welcher nicht überaus
grosse Freude bezeugte/ daß das Verhängniß
ein dem Vaterlande so heilsames und zu fried-
samer Eintracht des Schwähers und Eydams
dienendes Verbindiß gestifftet/ und die so trau-
rigen Opffer mit so einem frölichen Ausgange
beglückt hatten. Die Priester sprachen mit an-
dächtigen Geberdungen tausenderley Segen
über die Verlobten/ und es war aller einmüthi-
ger Schluß/ daß ehesten Tages das hochzeitliche
Beylager solte vollbracht werden.

Die Fürsten Zeno und Rhemetalces hatten
diesen Begebungen gleichsam auff einer Schau-
Bühne/ zwischen Furcht und Hoffnung/ als de-
nen zwey Wirbeln menschlichen Lebens/ lange
genug zugesehen/ als/ aus der grossen Menge
des frolockenden Volcks/ sich die bey den Deut-
schen heilige/ und so wohl wegen ihrer Weiß-
heit als Wissenschafft künfftiger Dingein gros-
sem Ansehen sich befindende Aurinia/ welche
in eben diesem Heyne/ nebst hundert zu ewiger
Keuschheit verschwornen Jungfrauen/ ihren
Auffenthalt hatte/ auff einer schwibbogichten
Sänffte näherte/ denen Verlobten/ nach Uber-
stehung vielerley seltzamen Zufälle/ grosses
Glück und Auffnehmen ihres Geschlechts
weissagete; auch/ daß die Götter nunmehro
des Bluts überdrüßig wären/ andeutete. Hier-
auff riß sie ihren Krantz vom Haupte/ lösete den
Gürtel von ihren Lenden/ und warff beydes zu
Beschirmung dieser zweyer Fürsten auff ihren
Wagen/ welche Zeichen bey denen andächtigen
Deutschen auch die schon Verdammten vom
Tode zu befreyen und wider alle Gefahr zu

versi-

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] tzen gegen dieſen Helden/ weil er ſeiner zeither
ver worffenen Liebe ſein und ſeiner Tochter Le-
ben zu dancken gezwungen ward. Alſo iſt man
geneigter/ weniges Unrecht als groſſe Wohltha-
ten mit gleichem zu vergelten; Ja wenn Wohl-
thaten ſchon die Kraͤffte unſerer Vergeltung uͤ-
berſteigen/ geben wir ſtatt verbindlichen Dan-
ckes unſern Wohlthaͤtern noch Haß zu Lohne.
Uberdiß hatte Hertzog Herrmann vorhin nicht
ſo wohl den Segeſthes/ als dieſer jenen belei-
digt/ dahero brachte die Eigenſchafft des menſch-
lichen Gemuͤthes beym Segeſthes mit/ den belei-
digten zu haſſen/ und zwar/ weil ſeine Urſachen
hierzu unrechtmaͤßig waren/ deſto hefftiger.
Gleichwohl muſte er aus der Noth eine Tu-
gend machen/ und ſo viel moͤglich ſeine gegen
den Feldherrn tragende Feindſchafft mit be-
truͤglichem Liebkoſen bekleiden. Dahero erklaͤr-
te er ſich: Daß nachdem es den Goͤttern beliebet/
die Gemuͤther des Feldherrn und ſeiner Toch-
ter zu vereinbarn/ lieſſe er ihm derſelben Verlo-
bung allerdings gefallen/ und ertheile hierzu
ſeinen vaͤterlichen Willen. Thußnelden ſtieg
nun allererſt die Schamroͤthe unter die Augen/
entweder weil ſie ſich erinnerte/ daß ſie nach
Art der Sterbenden oder der unvorſichtigen
Liebhaber eine allzufreye Zunge gehabt/ als ſie
die Heimligkeit ihres Hertzens nicht nur dem/
welchen ſie liebte/ ſondern ſo vielen Zuſchauern
offenbahret hatte; oder weil ihre Landes-Art er-
forderte ihre Zucht bey Erkieſung eines Man-
nes mit dieſer Farbe als dem ſchoͤnſten Braut-
ſchmucke der Jungfrauen zu bezeichnen. Her-
tzog Herrmann/ ob er wohl dem Segeſthes den
Zwang ſeiner Einwilligung unſchwer anmeꝛck-
te/ und wohl verſtand/ daß der/ welcher ihn vor-
hin nie auffrichtig geliebt hatte/ den hervorbli-
ckenden Unwillen nicht zum Scheine annahm/
fuͤgte ſich doch zu ihm mit hoͤfflichſter Ehrerbie-
tung/ hob ihn von der Erden auff und danckte
ihm/ daß er ihn fuͤr einen wuͤrdigen Braͤuti-
gam ſeiner unſchaͤtzbaren Tochter beliebt haͤtte.
[Spaltenumbruch] Hierauff naͤherte er ſich zu Thußnelden mit an-
nehmlichſter Liebes-Bezeugung/ und verwech-
ſelte mit ihr/ zum Zeichen ihrer Verbindung et-
liche Mahlſchaͤtze; Woruͤber Thußneldens
Schamhafftigkeit ſie doch ſo weit nicht verſchliſ-
ſen konte/ daß ihr nicht die Vergnuͤgung ihres
Hertzens aus den Augen geſehen haͤtte.

Kein Menſch/ auſſer der ſchwermuͤthige
Segeſthes/ war zugegen/ welcher nicht uͤberaus
groſſe Freude bezeugte/ daß das Verhaͤngniß
ein dem Vaterlande ſo heilſames und zu fried-
ſamer Eintracht des Schwaͤhers und Eydams
dienendes Verbindiß geſtifftet/ und die ſo trau-
rigen Opffer mit ſo einem froͤlichen Ausgange
begluͤckt hatten. Die Prieſter ſprachen mit an-
daͤchtigen Geberdungen tauſenderley Segen
uͤber die Verlobten/ und es war aller einmuͤthi-
ger Schluß/ daß eheſten Tages das hochzeitliche
Beylager ſolte vollbracht werden.

Die Fuͤrſten Zeno und Rhemetalces hatten
dieſen Begebungen gleichſam auff einer Schau-
Buͤhne/ zwiſchen Furcht und Hoffnung/ als de-
nen zwey Wirbeln menſchlichen Lebens/ lange
genug zugeſehen/ als/ aus der groſſen Menge
des frolockenden Volcks/ ſich die bey den Deut-
ſchen heilige/ und ſo wohl wegen ihrer Weiß-
heit als Wiſſenſchafft kuͤnfftiger Dingein groſ-
ſem Anſehen ſich befindende Aurinia/ welche
in eben dieſem Heyne/ nebſt hundert zu ewiger
Keuſchheit verſchwornen Jungfrauen/ ihren
Auffenthalt hatte/ auff einer ſchwibbogichten
Saͤnffte naͤherte/ denen Verlobten/ nach Uber-
ſtehung vielerley ſeltzamen Zufaͤlle/ groſſes
Gluͤck und Auffnehmen ihres Geſchlechts
weiſſagete; auch/ daß die Goͤtter nunmehro
des Bluts uͤberdruͤßig waͤren/ andeutete. Hier-
auff riß ſie ihren Krantz vom Haupte/ loͤſete den
Guͤrtel von ihren Lenden/ und warff beydes zu
Beſchirmung dieſer zweyer Fuͤrſten auff ihren
Wagen/ welche Zeichen bey denen andaͤchtigen
Deutſchen auch die ſchon Verdammten vom
Tode zu befreyen und wider alle Gefahr zu

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[80/0128] Erſtes Buch tzen gegen dieſen Helden/ weil er ſeiner zeither ver worffenen Liebe ſein und ſeiner Tochter Le- ben zu dancken gezwungen ward. Alſo iſt man geneigter/ weniges Unrecht als groſſe Wohltha- ten mit gleichem zu vergelten; Ja wenn Wohl- thaten ſchon die Kraͤffte unſerer Vergeltung uͤ- berſteigen/ geben wir ſtatt verbindlichen Dan- ckes unſern Wohlthaͤtern noch Haß zu Lohne. Uberdiß hatte Hertzog Herrmann vorhin nicht ſo wohl den Segeſthes/ als dieſer jenen belei- digt/ dahero brachte die Eigenſchafft des menſch- lichen Gemuͤthes beym Segeſthes mit/ den belei- digten zu haſſen/ und zwar/ weil ſeine Urſachen hierzu unrechtmaͤßig waren/ deſto hefftiger. Gleichwohl muſte er aus der Noth eine Tu- gend machen/ und ſo viel moͤglich ſeine gegen den Feldherrn tragende Feindſchafft mit be- truͤglichem Liebkoſen bekleiden. Dahero erklaͤr- te er ſich: Daß nachdem es den Goͤttern beliebet/ die Gemuͤther des Feldherrn und ſeiner Toch- ter zu vereinbarn/ lieſſe er ihm derſelben Verlo- bung allerdings gefallen/ und ertheile hierzu ſeinen vaͤterlichen Willen. Thußnelden ſtieg nun allererſt die Schamroͤthe unter die Augen/ entweder weil ſie ſich erinnerte/ daß ſie nach Art der Sterbenden oder der unvorſichtigen Liebhaber eine allzufreye Zunge gehabt/ als ſie die Heimligkeit ihres Hertzens nicht nur dem/ welchen ſie liebte/ ſondern ſo vielen Zuſchauern offenbahret hatte; oder weil ihre Landes-Art er- forderte ihre Zucht bey Erkieſung eines Man- nes mit dieſer Farbe als dem ſchoͤnſten Braut- ſchmucke der Jungfrauen zu bezeichnen. Her- tzog Herrmann/ ob er wohl dem Segeſthes den Zwang ſeiner Einwilligung unſchwer anmeꝛck- te/ und wohl verſtand/ daß der/ welcher ihn vor- hin nie auffrichtig geliebt hatte/ den hervorbli- ckenden Unwillen nicht zum Scheine annahm/ fuͤgte ſich doch zu ihm mit hoͤfflichſter Ehrerbie- tung/ hob ihn von der Erden auff und danckte ihm/ daß er ihn fuͤr einen wuͤrdigen Braͤuti- gam ſeiner unſchaͤtzbaren Tochter beliebt haͤtte. Hierauff naͤherte er ſich zu Thußnelden mit an- nehmlichſter Liebes-Bezeugung/ und verwech- ſelte mit ihr/ zum Zeichen ihrer Verbindung et- liche Mahlſchaͤtze; Woruͤber Thußneldens Schamhafftigkeit ſie doch ſo weit nicht verſchliſ- ſen konte/ daß ihr nicht die Vergnuͤgung ihres Hertzens aus den Augen geſehen haͤtte. Kein Menſch/ auſſer der ſchwermuͤthige Segeſthes/ war zugegen/ welcher nicht uͤberaus groſſe Freude bezeugte/ daß das Verhaͤngniß ein dem Vaterlande ſo heilſames und zu fried- ſamer Eintracht des Schwaͤhers und Eydams dienendes Verbindiß geſtifftet/ und die ſo trau- rigen Opffer mit ſo einem froͤlichen Ausgange begluͤckt hatten. Die Prieſter ſprachen mit an- daͤchtigen Geberdungen tauſenderley Segen uͤber die Verlobten/ und es war aller einmuͤthi- ger Schluß/ daß eheſten Tages das hochzeitliche Beylager ſolte vollbracht werden. Die Fuͤrſten Zeno und Rhemetalces hatten dieſen Begebungen gleichſam auff einer Schau- Buͤhne/ zwiſchen Furcht und Hoffnung/ als de- nen zwey Wirbeln menſchlichen Lebens/ lange genug zugeſehen/ als/ aus der groſſen Menge des frolockenden Volcks/ ſich die bey den Deut- ſchen heilige/ und ſo wohl wegen ihrer Weiß- heit als Wiſſenſchafft kuͤnfftiger Dingein groſ- ſem Anſehen ſich befindende Aurinia/ welche in eben dieſem Heyne/ nebſt hundert zu ewiger Keuſchheit verſchwornen Jungfrauen/ ihren Auffenthalt hatte/ auff einer ſchwibbogichten Saͤnffte naͤherte/ denen Verlobten/ nach Uber- ſtehung vielerley ſeltzamen Zufaͤlle/ groſſes Gluͤck und Auffnehmen ihres Geſchlechts weiſſagete; auch/ daß die Goͤtter nunmehro des Bluts uͤberdruͤßig waͤren/ andeutete. Hier- auff riß ſie ihren Krantz vom Haupte/ loͤſete den Guͤrtel von ihren Lenden/ und warff beydes zu Beſchirmung dieſer zweyer Fuͤrſten auff ihren Wagen/ welche Zeichen bey denen andaͤchtigen Deutſchen auch die ſchon Verdammten vom Tode zu befreyen und wider alle Gefahr zu verſi-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/128>, abgerufen am 26.04.2024.