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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] auf die Gipfel der Bäume/ oder baueten aus de-
nen abgefleischten Knochen Hütten. Andere/ und
insonderheit die unter dem Feldherrn kämpfen-
den Cimbrer/ machten aus denen abgeschnittenen
Haaren Stricke/ und hingen ihre Gefangenen
darmit an die Aeste. Denn die streitbaren
Deutschen lassen insgemein ihre Haare weder
Scheere noch Scheer-Messer berühren/ biß sie
einen Feind erwür get/ und so denn legen sie mit
ihrem Haare zugleich ihr gethanes Gelübde ab;
gleich als wenn sie so denn allererst ihrem Va-
terlande ihr freyes Antlitz zu zeigen/ und sich
eines Deutschen Uhrsprunges zu rühmen be-
rechtigt wären. Die Reiterey hackten vielen
die Köpfe ab/ und steckten sie theils auf ihre Lan-
tzen/ theils auf die Wipfel der Bäume/ theils
schlugen eiserne Haspen in die Köpfe/ und hin-
gen selbte ie zwey und zwey über den Hals ih-
rer Pferde; gleich als wenn diese blutige Merck-
male nicht allein die Kenn-Zeichen ihres Sieges
wären/ sondern auch güldene und Purperfär-
bichte Ausputzungen überträffen. Am aller-
grausamsten aber ward auff die gefangenen
Sach-Redner und Gerichts-Anwälde gewü-
tet. Es war unter denen Kriegsleuten Her-
megildis/ eine Frau Adelichen Standes/ welche
nichts minder ihre angebohrne Hertzhafftigkeit/
als die Rache/ theils wegen ihres ermordeten
Eh- Herrns/ theils ihrer geschändeten Tochter
die Waffen anzulegen bewogen hatte. Denn
es hatte Munatius/ ein Römischer Hauptmann/
den ersten wegen eines geringen Unvernehmens
und daraus gefaßten aber verstellten Grolles
bey seinem eigenen Tische durch Gift hinge-
richtet/ sich auch dieser Mordthat/ als eines
wider einen plumpen Deutschen rühmlich aus-
geübten Kunst - Stückes offentlich gerühmet.
Ob sie nun wol diese Mordthat bey dem Varus
geklaget/ schützte doch Munatius für/ es könte
wider ihn keine grössere Straffe statt finden/
als die Deutschen gegen Frembde und Einhei-
mische in solchen Fällen ausübten. Diese aber
[Spaltenumbruch] büsseten einen Todschlag mit' einem Pferde
oder einem Rinde. Die Klägerin versetzte:
Diese Busse hätte nur im redlichen Zwey-
kampfe/ nicht in heimlichem Meuchel-Morde
statt; Varus hätte auch den Deutschen die
Römischen Straff-Gesetze auffgedrungen; also
müste der Thäter seines Vaterlandes Satzun-
gen so vielmehr unterworffen seyn. Als nun
Munatius nirgends keine Ausflucht wuste/
und die Klägerin sich gleich eines gerechten
Urthels/ dessen sie Varus gegen Abheischung
fast ihres gantzen Vermögens versichert hatte/
versahe/ wischte Munatius mit einem Gna-
den-Briefe herfür/ welchen seine Freunde ihm
auff des Varus selbsteigne Vor-Schrifft beym
Kayser zu Rom ausgebracht hatten. Jhre wun-
derschöne Tochter aber hatte sie dem Antistius/
einem Römischen Jünglinge/ gegen sein bey
ihr betheuerlich gethanes Versprechen/ daß er
beym Varus viel vermöchte/ und ihr zu Aus-
übung gerechter Rache wider den mit ihm oh-
nediß in Feindschafft stehenden Munatius un-
fehlbar verhelffen wolte/ nach ihrer einfältigen
Landes-Art verlobet; ihm auch ihres Vaters
Pferd und Waffen/ ja wider die Gewohnheit
der Deutschen noch ein ansehnliches an Gü-
tern zugebracht. Nach wenigen Tagen aber
verhielt er sie gar geringschätzig/ und erklärte
offentlich/ daß er sie nicht für sein Eh-Weib/
sondern für eine blosse Bey-Schläferin erken-
nete. Die hierdurch höchst - bekümmerte
Mutter und Freundschafft kamen mit ihrer
beschimpften und endlich gar verstossenen
Tochter für den Varus Antistius aber schütz-
te für/ daß die geklagte Heyrath so wol wegen
unterlassener Römischen Verlobungs - Ge-
bräuche/ als seines Vatern ermangelnder
Einwilligung zu solcher Eh von Unkräfften
wäre; ja er hielt sie noch höhnisch/ vorgebende/
daß eine deutsche Sclavin mehr denn zu
viel Ehre erlangt hätte/ wenn sie ein Rö-
mischer Edelmann des Bey-Schlaffs würdigte.

Und
H 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] auf die Gipfel der Baͤume/ oder baueten aus de-
nen abgefleiſchten Knochen Huͤtten. Andere/ und
inſonderheit die unter dem Feldherrn kaͤmpfen-
den Cimbreꝛ/ machten aus denen abgeſchnittenen
Haaren Stricke/ und hingen ihre Gefangenen
darmit an die Aeſte. Denn die ſtreitbaren
Deutſchen laſſen insgemein ihre Haare weder
Scheere noch Scheer-Meſſer beruͤhren/ biß ſie
einen Feind erwuͤr get/ und ſo denn legen ſie mit
ihrem Haare zugleich ihr gethanes Geluͤbde ab;
gleich als wenn ſie ſo denn allererſt ihrem Va-
terlande ihr freyes Antlitz zu zeigen/ und ſich
eines Deutſchen Uhrſprunges zu ruͤhmen be-
rechtigt waͤren. Die Reiterey hackten vielen
die Koͤpfe ab/ und ſteckten ſie theils auf ihre Lan-
tzen/ theils auf die Wipfel der Baͤume/ theils
ſchlugen eiſerne Haſpen in die Koͤpfe/ und hin-
gen ſelbte ie zwey und zwey uͤber den Hals ih-
rer Pferde; gleich als wenn dieſe blutige Merck-
male nicht allein die Kenn-Zeichen ihres Sieges
waͤren/ ſondern auch guͤldene und Purperfaͤr-
bichte Ausputzungen uͤbertraͤffen. Am aller-
grauſamſten aber ward auff die gefangenen
Sach-Redner und Gerichts-Anwaͤlde gewuͤ-
tet. Es war unter denen Kriegsleuten Her-
megildis/ eine Frau Adelichen Standes/ welche
nichts minder ihre angebohrne Hertzhafftigkeit/
als die Rache/ theils wegen ihres ermordeten
Eh- Herrns/ theils ihrer geſchaͤndeten Tochter
die Waffen anzulegen bewogen hatte. Denn
es hatte Munatius/ ein Roͤmiſcher Hauptmann/
den erſten wegen eines geringen Unvernehmens
und daraus gefaßten aber verſtellten Grolles
bey ſeinem eigenen Tiſche durch Gift hinge-
richtet/ ſich auch dieſer Mordthat/ als eines
wider einen plumpen Deutſchen ruͤhmlich aus-
geuͤbten Kunſt - Stuͤckes offentlich geruͤhmet.
Ob ſie nun wol dieſe Mordthat bey dem Varus
geklaget/ ſchuͤtzte doch Munatius fuͤr/ es koͤnte
wider ihn keine groͤſſere Straffe ſtatt finden/
als die Deutſchen gegen Frembde und Einhei-
miſche in ſolchen Faͤllen ausuͤbten. Dieſe aber
[Spaltenumbruch] buͤſſeten einen Todſchlag mit’ einem Pferde
oder einem Rinde. Die Klaͤgerin verſetzte:
Dieſe Buſſe haͤtte nur im redlichen Zwey-
kampfe/ nicht in heimlichem Meuchel-Morde
ſtatt; Varus haͤtte auch den Deutſchen die
Roͤmiſchen Straff-Geſetze auffgedrungen; alſo
muͤſte der Thaͤter ſeines Vaterlandes Satzun-
gen ſo vielmehr unterworffen ſeyn. Als nun
Munatius nirgends keine Ausflucht wuſte/
und die Klaͤgerin ſich gleich eines gerechten
Urthels/ deſſen ſie Varus gegen Abheiſchung
faſt ihres gantzen Vermoͤgens verſichert hatte/
verſahe/ wiſchte Munatius mit einem Gna-
den-Briefe herfuͤr/ welchen ſeine Freunde ihm
auff des Varus ſelbſteigne Vor-Schrifft beym
Kayſer zu Rom ausgebracht hatten. Jhre wun-
derſchoͤne Tochter aber hatte ſie dem Antiſtius/
einem Roͤmiſchen Juͤnglinge/ gegen ſein bey
ihr betheuerlich gethanes Verſprechen/ daß er
beym Varus viel vermoͤchte/ und ihr zu Aus-
uͤbung gerechter Rache wider den mit ihm oh-
nediß in Feindſchafft ſtehenden Munatius un-
fehlbar verhelffen wolte/ nach ihrer einfaͤltigen
Landes-Art verlobet; ihm auch ihres Vaters
Pferd und Waffen/ ja wider die Gewohnheit
der Deutſchen noch ein anſehnliches an Guͤ-
tern zugebracht. Nach wenigen Tagen aber
verhielt er ſie gar geringſchaͤtzig/ und erklaͤrte
offentlich/ daß er ſie nicht fuͤr ſein Eh-Weib/
ſondern fuͤr eine bloſſe Bey-Schlaͤferin erken-
nete. Die hierdurch hoͤchſt - bekuͤmmerte
Mutter und Freundſchafft kamen mit ihrer
beſchimpften und endlich gar verſtoſſenen
Tochter fuͤr den Varus Antiſtius aber ſchuͤtz-
te fuͤr/ daß die geklagte Heyrath ſo wol wegen
unterlaſſener Roͤmiſchen Verlobungs - Ge-
braͤuche/ als ſeines Vatern ermangelnder
Einwilligung zu ſolcher Eh von Unkraͤfften
waͤre; ja er hielt ſie noch hoͤhniſch/ vorgebende/
daß eine deutſche Sclavin mehr denn zu
viel Ehre erlangt haͤtte/ wenn ſie ein Roͤ-
miſcher Edelmann des Bey-Schlaffs wuͤrdigte.

Und
H 3
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[61/0109] Arminius und Thußnelda. auf die Gipfel der Baͤume/ oder baueten aus de- nen abgefleiſchten Knochen Huͤtten. Andere/ und inſonderheit die unter dem Feldherrn kaͤmpfen- den Cimbreꝛ/ machten aus denen abgeſchnittenen Haaren Stricke/ und hingen ihre Gefangenen darmit an die Aeſte. Denn die ſtreitbaren Deutſchen laſſen insgemein ihre Haare weder Scheere noch Scheer-Meſſer beruͤhren/ biß ſie einen Feind erwuͤr get/ und ſo denn legen ſie mit ihrem Haare zugleich ihr gethanes Geluͤbde ab; gleich als wenn ſie ſo denn allererſt ihrem Va- terlande ihr freyes Antlitz zu zeigen/ und ſich eines Deutſchen Uhrſprunges zu ruͤhmen be- rechtigt waͤren. Die Reiterey hackten vielen die Koͤpfe ab/ und ſteckten ſie theils auf ihre Lan- tzen/ theils auf die Wipfel der Baͤume/ theils ſchlugen eiſerne Haſpen in die Koͤpfe/ und hin- gen ſelbte ie zwey und zwey uͤber den Hals ih- rer Pferde; gleich als wenn dieſe blutige Merck- male nicht allein die Kenn-Zeichen ihres Sieges waͤren/ ſondern auch guͤldene und Purperfaͤr- bichte Ausputzungen uͤbertraͤffen. Am aller- grauſamſten aber ward auff die gefangenen Sach-Redner und Gerichts-Anwaͤlde gewuͤ- tet. Es war unter denen Kriegsleuten Her- megildis/ eine Frau Adelichen Standes/ welche nichts minder ihre angebohrne Hertzhafftigkeit/ als die Rache/ theils wegen ihres ermordeten Eh- Herrns/ theils ihrer geſchaͤndeten Tochter die Waffen anzulegen bewogen hatte. Denn es hatte Munatius/ ein Roͤmiſcher Hauptmann/ den erſten wegen eines geringen Unvernehmens und daraus gefaßten aber verſtellten Grolles bey ſeinem eigenen Tiſche durch Gift hinge- richtet/ ſich auch dieſer Mordthat/ als eines wider einen plumpen Deutſchen ruͤhmlich aus- geuͤbten Kunſt - Stuͤckes offentlich geruͤhmet. Ob ſie nun wol dieſe Mordthat bey dem Varus geklaget/ ſchuͤtzte doch Munatius fuͤr/ es koͤnte wider ihn keine groͤſſere Straffe ſtatt finden/ als die Deutſchen gegen Frembde und Einhei- miſche in ſolchen Faͤllen ausuͤbten. Dieſe aber buͤſſeten einen Todſchlag mit’ einem Pferde oder einem Rinde. Die Klaͤgerin verſetzte: Dieſe Buſſe haͤtte nur im redlichen Zwey- kampfe/ nicht in heimlichem Meuchel-Morde ſtatt; Varus haͤtte auch den Deutſchen die Roͤmiſchen Straff-Geſetze auffgedrungen; alſo muͤſte der Thaͤter ſeines Vaterlandes Satzun- gen ſo vielmehr unterworffen ſeyn. Als nun Munatius nirgends keine Ausflucht wuſte/ und die Klaͤgerin ſich gleich eines gerechten Urthels/ deſſen ſie Varus gegen Abheiſchung faſt ihres gantzen Vermoͤgens verſichert hatte/ verſahe/ wiſchte Munatius mit einem Gna- den-Briefe herfuͤr/ welchen ſeine Freunde ihm auff des Varus ſelbſteigne Vor-Schrifft beym Kayſer zu Rom ausgebracht hatten. Jhre wun- derſchoͤne Tochter aber hatte ſie dem Antiſtius/ einem Roͤmiſchen Juͤnglinge/ gegen ſein bey ihr betheuerlich gethanes Verſprechen/ daß er beym Varus viel vermoͤchte/ und ihr zu Aus- uͤbung gerechter Rache wider den mit ihm oh- nediß in Feindſchafft ſtehenden Munatius un- fehlbar verhelffen wolte/ nach ihrer einfaͤltigen Landes-Art verlobet; ihm auch ihres Vaters Pferd und Waffen/ ja wider die Gewohnheit der Deutſchen noch ein anſehnliches an Guͤ- tern zugebracht. Nach wenigen Tagen aber verhielt er ſie gar geringſchaͤtzig/ und erklaͤrte offentlich/ daß er ſie nicht fuͤr ſein Eh-Weib/ ſondern fuͤr eine bloſſe Bey-Schlaͤferin erken- nete. Die hierdurch hoͤchſt - bekuͤmmerte Mutter und Freundſchafft kamen mit ihrer beſchimpften und endlich gar verſtoſſenen Tochter fuͤr den Varus Antiſtius aber ſchuͤtz- te fuͤr/ daß die geklagte Heyrath ſo wol wegen unterlaſſener Roͤmiſchen Verlobungs - Ge- braͤuche/ als ſeines Vatern ermangelnder Einwilligung zu ſolcher Eh von Unkraͤfften waͤre; ja er hielt ſie noch hoͤhniſch/ vorgebende/ daß eine deutſche Sclavin mehr denn zu viel Ehre erlangt haͤtte/ wenn ſie ein Roͤ- miſcher Edelmann des Bey-Schlaffs wuͤrdigte. Und H 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/109>, abgerufen am 26.04.2024.