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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
thuenden Cheremon von Beschaffenheit der Seele und einem einzigen Göttlichen We-
sen: die er auch mit Aufopfferung seines zeitlichen und Erwartung eines glückseligern
bewehret. Seine Asche wird zu Athen als ein Heiligthum verwahret/ Masulipat be-
urlaubet; Zeno aber wegen seiner entbehrten Erato als ein umirrender Stern in Grie-
chenland gelassen/ iedoch nicht gar aus dem Creiße der Vernunfft und vorsichtigen
Klugheit geleitet.

Das Fünffte Buch.
[Spaltenumbruch]

DJe wundersame Zusam-
men-Neigung zweyer
an sich selbst unterschiede-
ner Dinge/ stecket nicht
allein in Steinen/ in
Ertzt und Pflantzen/ son-
dern auch in den Seelen
der Menschen. Der
Magnet zeucht nicht so
begierig das Eisen/ der Agstein die Spreu/ das
Gold das Qvecksilber an sich; die Reben ver-
mählen sich mit dem Ulmenbaume nicht so ger-
ne/ als etliche Gemüther an einander verknüpf-
fet sind. Dessen einige und wahrhaffte Ursa-
che ist alleine bey beyden die Verwandschafft ih-
rer Aehnligkeit. Denn auch die unbeseelten
Dinge haben wo nicht einen Trieb/ doch eine
Geschickligkeit sich mit ihres gleichen zu verein-
barn. Jn einem Siebe samlet sich unter un-
zehlbarem Gesäme mehrentheils einerley zu-
sammen. Das sich aufschwellende Meer wirft
die runden Kiesel an einem/ die länglichten an
einem andern Orte über einen Hauffen. Wie
viel mehr ist nun solcher Zug in beseelten zu fin-
den. Der Weinstock hat die Eigenschafft aus
der Erde die Süßigkeit/ die Wolffsmilch das
Gifft/ die Kolokinthen die Bitterkeit an sich zu
ziehen. Nach dem nun aber des Menschen
Geist durch die Kräfften der Vernunfft aller
anderer Dinge Neigungen weit überlegen ist;
darf es keiner Verwunderung/ daß einige ihrer
Aehnligkeit halber entweder in Tugenden/ oder
[Spaltenumbruch] auch in Lastern so feste an einander/ als die
Schnecken und Austern an ihren Muscheln
und Häusern kleben. Jedoch weil eine Tu-
gend mit der andern/ nicht wie die Laster zusam-
men zwistig sind; ist keine festere Verbündnüs
nicht anzutreffen/ als zwischen denen der Tu-
gend geneigten Seelen.

Derer waren nun vorigen Tag eine ziemli-
che Anzahl zusammen kommen/ welche/ weil die
Tugend nicht so/ wie die Boßheit hinter dem
Berge zu halten/ und ihre Häßligkeit inwendig
nein zu kehren Ursach hat/ durch ihre ausgelasse-
ne Verträulig keiten einander ziemlich ausge-
nommen hatten. Jhre Gemüths-Aehnlig-
keiten reitzten sie also stets um einander zu seyn;
Die Höfligkeit aber/ und das Mitleiden ver-
band sie den von seinen Wunden noch nicht ge-
nesenen Fürsten Zeno/ welcher sich den Tag
vorher über seine Kräfften ausgemacht und
nebst andern Fürsten dem Frauenzimmer auf-
gewartet hatte/ in seinem Gemach heimzusu-
chen. Also verfügten sich der Feldherr/ Her-
tzog Flavius/ Jubil/ Arpus/ Catumer/ Rheme-
talces und Malovend in Thußneldens Zim-
mer/ da sie denn bey ihr die Königin Erato/ Js-
menen und Saloninen antraffen/ und weil sie
selbst darzu Anlaß gaben/ sie zum Fürsten Zeno
führeten. Dieser empfing solche annehmliche
Gesellschafft aufs freundlichste/ wünschte dem
Feldherrn über dem neuen Siege/ und der Er-
lösung seiner unvergleichlichen Thußnelda
Glück; Auf erfolgende Befragung um seinen

Zu-
Erster Theil. S s s

Arminius und Thußnelda.
thuenden Cheremon von Beſchaffenheit der Seele und einem einzigen Goͤttlichen We-
ſen: die er auch mit Aufopfferung ſeines zeitlichen und Erwartung eines gluͤckſeligern
bewehret. Seine Aſche wird zu Athen als ein Heiligthum verwahret/ Maſulipat be-
urlaubet; Zeno aber wegen ſeiner entbehrten Erato als ein umirrender Stern in Grie-
chenland gelaſſen/ iedoch nicht gar aus dem Creiße der Vernunfft und vorſichtigen
Klugheit geleitet.

Das Fuͤnffte Buch.
[Spaltenumbruch]

DJe wunderſame Zuſam-
men-Neigung zweyer
an ſich ſelbſt unterſchiede-
ner Dinge/ ſtecket nicht
allein in Steinen/ in
Ertzt und Pflantzen/ ſon-
dern auch in den Seelen
der Menſchen. Der
Magnet zeucht nicht ſo
begierig das Eiſen/ der Agſtein die Spreu/ das
Gold das Qveckſilber an ſich; die Reben ver-
maͤhlen ſich mit dem Ulmenbaume nicht ſo ger-
ne/ als etliche Gemuͤther an einander verknuͤpf-
fet ſind. Deſſen einige und wahrhaffte Urſa-
che iſt alleine bey beyden die Verwandſchafft ih-
rer Aehnligkeit. Denn auch die unbeſeelten
Dinge haben wo nicht einen Trieb/ doch eine
Geſchickligkeit ſich mit ihres gleichen zu verein-
barn. Jn einem Siebe ſamlet ſich unter un-
zehlbarem Geſaͤme mehrentheils einerley zu-
ſammen. Das ſich aufſchwellende Meer wirft
die runden Kieſel an einem/ die laͤnglichten an
einem andern Orte uͤber einen Hauffen. Wie
viel mehr iſt nun ſolcher Zug in beſeelten zu fin-
den. Der Weinſtock hat die Eigenſchafft aus
der Erde die Suͤßigkeit/ die Wolffsmilch das
Gifft/ die Kolokinthen die Bitterkeit an ſich zu
ziehen. Nach dem nun aber des Menſchen
Geiſt durch die Kraͤfften der Vernunfft aller
anderer Dinge Neigungen weit uͤberlegen iſt;
darf es keiner Verwunderung/ daß einige ihrer
Aehnligkeit halber entweder in Tugenden/ oder
[Spaltenumbruch] auch in Laſtern ſo feſte an einander/ als die
Schnecken und Auſtern an ihren Muſcheln
und Haͤuſern kleben. Jedoch weil eine Tu-
gend mit der andern/ nicht wie die Laſter zuſam-
men zwiſtig ſind; iſt keine feſtere Verbuͤndnuͤs
nicht anzutreffen/ als zwiſchen denen der Tu-
gend geneigten Seelen.

Derer waren nun vorigen Tag eine ziemli-
che Anzahl zuſammen kommen/ welche/ weil die
Tugend nicht ſo/ wie die Boßheit hinter dem
Berge zu halten/ und ihre Haͤßligkeit inwendig
nein zu kehren Urſach hat/ durch ihre ausgelaſſe-
ne Vertraͤulig keiten einander ziemlich ausge-
nommen hatten. Jhre Gemuͤths-Aehnlig-
keiten reitzten ſie alſo ſtets um einander zu ſeyn;
Die Hoͤfligkeit aber/ und das Mitleiden ver-
band ſie den von ſeinen Wunden noch nicht ge-
neſenen Fuͤrſten Zeno/ welcher ſich den Tag
vorher uͤber ſeine Kraͤfften ausgemacht und
nebſt andern Fuͤrſten dem Frauenzimmer auf-
gewartet hatte/ in ſeinem Gemach heimzuſu-
chen. Alſo verfuͤgten ſich der Feldherr/ Her-
tzog Flavius/ Jubil/ Arpus/ Catumer/ Rheme-
talces und Malovend in Thußneldens Zim-
mer/ da ſie denn bey ihr die Koͤnigin Erato/ Jſ-
menen und Saloninen antraffen/ und weil ſie
ſelbſt darzu Anlaß gaben/ ſie zum Fuͤrſten Zeno
fuͤhreten. Dieſer empfing ſolche annehmliche
Geſellſchafft aufs freundlichſte/ wuͤnſchte dem
Feldherrn uͤber dem neuen Siege/ und der Er-
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[505/0561] Arminius und Thußnelda. thuenden Cheremon von Beſchaffenheit der Seele und einem einzigen Goͤttlichen We- ſen: die er auch mit Aufopfferung ſeines zeitlichen und Erwartung eines gluͤckſeligern bewehret. Seine Aſche wird zu Athen als ein Heiligthum verwahret/ Maſulipat be- urlaubet; Zeno aber wegen ſeiner entbehrten Erato als ein umirrender Stern in Grie- chenland gelaſſen/ iedoch nicht gar aus dem Creiße der Vernunfft und vorſichtigen Klugheit geleitet. Das Fuͤnffte Buch. DJe wunderſame Zuſam- men-Neigung zweyer an ſich ſelbſt unterſchiede- ner Dinge/ ſtecket nicht allein in Steinen/ in Ertzt und Pflantzen/ ſon- dern auch in den Seelen der Menſchen. Der Magnet zeucht nicht ſo begierig das Eiſen/ der Agſtein die Spreu/ das Gold das Qveckſilber an ſich; die Reben ver- maͤhlen ſich mit dem Ulmenbaume nicht ſo ger- ne/ als etliche Gemuͤther an einander verknuͤpf- fet ſind. Deſſen einige und wahrhaffte Urſa- che iſt alleine bey beyden die Verwandſchafft ih- rer Aehnligkeit. Denn auch die unbeſeelten Dinge haben wo nicht einen Trieb/ doch eine Geſchickligkeit ſich mit ihres gleichen zu verein- barn. Jn einem Siebe ſamlet ſich unter un- zehlbarem Geſaͤme mehrentheils einerley zu- ſammen. Das ſich aufſchwellende Meer wirft die runden Kieſel an einem/ die laͤnglichten an einem andern Orte uͤber einen Hauffen. Wie viel mehr iſt nun ſolcher Zug in beſeelten zu fin- den. Der Weinſtock hat die Eigenſchafft aus der Erde die Suͤßigkeit/ die Wolffsmilch das Gifft/ die Kolokinthen die Bitterkeit an ſich zu ziehen. Nach dem nun aber des Menſchen Geiſt durch die Kraͤfften der Vernunfft aller anderer Dinge Neigungen weit uͤberlegen iſt; darf es keiner Verwunderung/ daß einige ihrer Aehnligkeit halber entweder in Tugenden/ oder auch in Laſtern ſo feſte an einander/ als die Schnecken und Auſtern an ihren Muſcheln und Haͤuſern kleben. Jedoch weil eine Tu- gend mit der andern/ nicht wie die Laſter zuſam- men zwiſtig ſind; iſt keine feſtere Verbuͤndnuͤs nicht anzutreffen/ als zwiſchen denen der Tu- gend geneigten Seelen. Derer waren nun vorigen Tag eine ziemli- che Anzahl zuſammen kommen/ welche/ weil die Tugend nicht ſo/ wie die Boßheit hinter dem Berge zu halten/ und ihre Haͤßligkeit inwendig nein zu kehren Urſach hat/ durch ihre ausgelaſſe- ne Vertraͤulig keiten einander ziemlich ausge- nommen hatten. Jhre Gemuͤths-Aehnlig- keiten reitzten ſie alſo ſtets um einander zu ſeyn; Die Hoͤfligkeit aber/ und das Mitleiden ver- band ſie den von ſeinen Wunden noch nicht ge- neſenen Fuͤrſten Zeno/ welcher ſich den Tag vorher uͤber ſeine Kraͤfften ausgemacht und nebſt andern Fuͤrſten dem Frauenzimmer auf- gewartet hatte/ in ſeinem Gemach heimzuſu- chen. Alſo verfuͤgten ſich der Feldherr/ Her- tzog Flavius/ Jubil/ Arpus/ Catumer/ Rheme- talces und Malovend in Thußneldens Zim- mer/ da ſie denn bey ihr die Koͤnigin Erato/ Jſ- menen und Saloninen antraffen/ und weil ſie ſelbſt darzu Anlaß gaben/ ſie zum Fuͤrſten Zeno fuͤhreten. Dieſer empfing ſolche annehmliche Geſellſchafft aufs freundlichſte/ wuͤnſchte dem Feldherrn uͤber dem neuen Siege/ und der Er- loͤſung ſeiner unvergleichlichen Thußnelda Gluͤck; Auf erfolgende Befragung um ſeinen Zu- Erſter Theil. S s s

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/561>, abgerufen am 21.11.2024.