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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
Peripherie desselben nur 0,000004848 seines Halbmessers, oder jeder
Abstand zwischen zwei nächsten jener Punkte ist nur der 206200ste
Theil seines Halbmessers. Bei einem Kreise von drei Fuß (432
Linien) im Durchmesser, -- und größere hat Reichenbach, der größte
deutsche Mechaniker, aus guten Gründen nie verfertiget, nimmt
eine Minute der Peripherie nur mehr in ihre Länge 0,063 oder
nahe 1/16 einer Linie ein, also eine Größe, die man mit freien Augen
nicht mehr gut unterscheiden, und die man ohne Mikroscop nicht
mehr mit Sicherheit auftragen kann. Aber ein Fehler von
einer ganzen Minute ist schon so groß, daß er, bei dem
gegenwärtigen Zustande der praktischen Astronomie durchaus
nicht mehr zugelassen werden darf. Mit den besseren, jetzt ge-
bräuchlichen Instrumenten pflegt man die einzelne Sekunde noch
anzugeben. Bei einem Kreise von drei Fuß im Durchmesser be-
trägt aber eine Sekunde nur 0,00105 Linie, also nahe nur den
tausendsten Theil einer Linie. Eine so geringe Größe kann man
aber nur mit sehr starken Mikroscopen unsern Augen sichtbar
machen. Welche Aufgabe ist es daher, auf der Peripherie eines
solchen Kreises dreihundert und sechszig feine Striche oder Punkte
so anzubringen, daß keiner von ihnen um den tausendsten Theil
einer Linie versetzt, oder außer dem genau für ihn bestimmten
Orte steht, nichts zu sagen von den 3600 anderen Strichen, die
zwischen je zweien der ersten in den Distanzen von dem tausendsten
Theile einer Linie eingeschaltet werden sollen, um dadurch die
einzelnen Sekunden des Kreises anzuzeigen. Ein solches Kunst-
werk, das den hier aufgestellten Forderungen genau entspricht, ist
wohl noch nie aus der Hand eines Menschen hervorgegangen,
und wird auch in aller Folgezeit für so gut, als ganz unmöglich
gehalten werden können. Auch würde ein solches Instrument,
wenn es durch irgend einen glücklichen Zufall einmal entstünde,
seiner Natur nach auf keine Dauer Anspruch machen, und schon
in den nächsten Augenblicken nicht mehr seyn, was es, im Zu-
stande seiner größten Vollkommenheit, gewesen ist. Die immer
wechselnden Aenderungen der Temperatur der Luft, welche diese
Instrumente umgeben, werden in der Lage und Gestalt seiner
Theile nicht bloß vorübergehende, und sich wieder herstellende,
sondern selbst constante und bleibende Verziehungen derjenigen

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
Peripherie deſſelben nur 0,000004848 ſeines Halbmeſſers, oder jeder
Abſtand zwiſchen zwei nächſten jener Punkte iſt nur der 206200ſte
Theil ſeines Halbmeſſers. Bei einem Kreiſe von drei Fuß (432
Linien) im Durchmeſſer, — und größere hat Reichenbach, der größte
deutſche Mechaniker, aus guten Gründen nie verfertiget, nimmt
eine Minute der Peripherie nur mehr in ihre Länge 0,063 oder
nahe 1/16 einer Linie ein, alſo eine Größe, die man mit freien Augen
nicht mehr gut unterſcheiden, und die man ohne Mikroſcop nicht
mehr mit Sicherheit auftragen kann. Aber ein Fehler von
einer ganzen Minute iſt ſchon ſo groß, daß er, bei dem
gegenwärtigen Zuſtande der praktiſchen Aſtronomie durchaus
nicht mehr zugelaſſen werden darf. Mit den beſſeren, jetzt ge-
bräuchlichen Inſtrumenten pflegt man die einzelne Sekunde noch
anzugeben. Bei einem Kreiſe von drei Fuß im Durchmeſſer be-
trägt aber eine Sekunde nur 0,00105 Linie, alſo nahe nur den
tauſendſten Theil einer Linie. Eine ſo geringe Größe kann man
aber nur mit ſehr ſtarken Mikroſcopen unſern Augen ſichtbar
machen. Welche Aufgabe iſt es daher, auf der Peripherie eines
ſolchen Kreiſes dreihundert und ſechszig feine Striche oder Punkte
ſo anzubringen, daß keiner von ihnen um den tauſendſten Theil
einer Linie verſetzt, oder außer dem genau für ihn beſtimmten
Orte ſteht, nichts zu ſagen von den 3600 anderen Strichen, die
zwiſchen je zweien der erſten in den Diſtanzen von dem tauſendſten
Theile einer Linie eingeſchaltet werden ſollen, um dadurch die
einzelnen Sekunden des Kreiſes anzuzeigen. Ein ſolches Kunſt-
werk, das den hier aufgeſtellten Forderungen genau entſpricht, iſt
wohl noch nie aus der Hand eines Menſchen hervorgegangen,
und wird auch in aller Folgezeit für ſo gut, als ganz unmöglich
gehalten werden können. Auch würde ein ſolches Inſtrument,
wenn es durch irgend einen glücklichen Zufall einmal entſtünde,
ſeiner Natur nach auf keine Dauer Anſpruch machen, und ſchon
in den nächſten Augenblicken nicht mehr ſeyn, was es, im Zu-
ſtande ſeiner größten Vollkommenheit, geweſen iſt. Die immer
wechſelnden Aenderungen der Temperatur der Luft, welche dieſe
Inſtrumente umgeben, werden in der Lage und Geſtalt ſeiner
Theile nicht bloß vorübergehende, und ſich wieder herſtellende,
ſondern ſelbſt conſtante und bleibende Verziehungen derjenigen

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[226/0238] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. Peripherie deſſelben nur 0,000004848 ſeines Halbmeſſers, oder jeder Abſtand zwiſchen zwei nächſten jener Punkte iſt nur der 206200ſte Theil ſeines Halbmeſſers. Bei einem Kreiſe von drei Fuß (432 Linien) im Durchmeſſer, — und größere hat Reichenbach, der größte deutſche Mechaniker, aus guten Gründen nie verfertiget, nimmt eine Minute der Peripherie nur mehr in ihre Länge 0,063 oder nahe 1/16 einer Linie ein, alſo eine Größe, die man mit freien Augen nicht mehr gut unterſcheiden, und die man ohne Mikroſcop nicht mehr mit Sicherheit auftragen kann. Aber ein Fehler von einer ganzen Minute iſt ſchon ſo groß, daß er, bei dem gegenwärtigen Zuſtande der praktiſchen Aſtronomie durchaus nicht mehr zugelaſſen werden darf. Mit den beſſeren, jetzt ge- bräuchlichen Inſtrumenten pflegt man die einzelne Sekunde noch anzugeben. Bei einem Kreiſe von drei Fuß im Durchmeſſer be- trägt aber eine Sekunde nur 0,00105 Linie, alſo nahe nur den tauſendſten Theil einer Linie. Eine ſo geringe Größe kann man aber nur mit ſehr ſtarken Mikroſcopen unſern Augen ſichtbar machen. Welche Aufgabe iſt es daher, auf der Peripherie eines ſolchen Kreiſes dreihundert und ſechszig feine Striche oder Punkte ſo anzubringen, daß keiner von ihnen um den tauſendſten Theil einer Linie verſetzt, oder außer dem genau für ihn beſtimmten Orte ſteht, nichts zu ſagen von den 3600 anderen Strichen, die zwiſchen je zweien der erſten in den Diſtanzen von dem tauſendſten Theile einer Linie eingeſchaltet werden ſollen, um dadurch die einzelnen Sekunden des Kreiſes anzuzeigen. Ein ſolches Kunſt- werk, das den hier aufgeſtellten Forderungen genau entſpricht, iſt wohl noch nie aus der Hand eines Menſchen hervorgegangen, und wird auch in aller Folgezeit für ſo gut, als ganz unmöglich gehalten werden können. Auch würde ein ſolches Inſtrument, wenn es durch irgend einen glücklichen Zufall einmal entſtünde, ſeiner Natur nach auf keine Dauer Anſpruch machen, und ſchon in den nächſten Augenblicken nicht mehr ſeyn, was es, im Zu- ſtande ſeiner größten Vollkommenheit, geweſen iſt. Die immer wechſelnden Aenderungen der Temperatur der Luft, welche dieſe Inſtrumente umgeben, werden in der Lage und Geſtalt ſeiner Theile nicht bloß vorübergehende, und ſich wieder herſtellende, ſondern ſelbſt conſtante und bleibende Verziehungen derjenigen

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/238>, abgerufen am 26.04.2024.