Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Monde der drei äußersten Planeten.
unveränderlichen Gesetzen umwandeln. Die Bewohner der Mitte
der, diesem Planeten zugewendeten Hälfte sehen die ungeheure
Lichtscheibe immer in ihrem Zenithe und die des Randes immer
in ihrem Horizonte. Eine Reise von 440 Meilen, zweimal so
weit als von Wien nach Neapel, würde schon hinreichen, diese
große Scheibe des Hauptplaneten aus dem Zenithe des Wanderers
in seinen Horizont herab zu ziehen. Mit welchen Gefühlen mögen
die Bewohner des Randes der hinteren, von Jupiter stets abge-
wendeten Hälfte dieses Mondes, nach einem Wege von nur
wenigen Meilen, diesen ungeheuern Himmelskörper erblicken, der
ihnen in seiner Oberfläche 37000 mal größer als die so weit
entfernte Sonne erscheint, und der ein blendendes Licht verbreitet,
das mit dem unseres Vollmondes nicht weiter verglichen werden
kann.

§. 151. (Entdeckung dieser Monde.) Bemerken wir noch, daß
die Entdeckung dieser vier Monde, durch Galilei i. J. 1610, eine
der ersten Früchte des nur kurz vorher erfundenen Fernrohrs,
zugleich eine sehr merkwürdige Epoche in der Geschichte der Stern-
kunde begründet, denn die erste astronomische Auflösung des großen
Problems der Meereslänge, der wichtigsten und nützlichsten
Aufgabe, die der menschliche Geist sich je vorgelegt hat, verdanken
wir der Kenntniß dieser Monde. Auch datirt man mit Recht die
eigentliche, letzte Bestätigung der Wahrheit des Copernicanischen
Systems von der Entdeckung dieser vier Himmelskörper, die
uns unser eigenes Sonnensystem gleichsam in einem Miniatur-
bilde zeigen, in welchem sich die drei Kepler'schen Gesetze (I.
§. 147) und durch sie das Gesetz der allgemeinen Schwere ab-
spiegeln und in wenigen Monaten schon alle die periodischen Be-
wegungen zeigen, deren vollständige Entwicklung bei den Planeten
selbst mehrere Jahrhunderte erfordert. Und als ob die Natur mit
einer Art von Vorliebe diese kleinen, von uns mit freien Augen
ganz unsichtbaren Lichtpunkte begünstigen und auf sie die interessan-
testen Züge der Geschichte der Sternkunde häufen wollte, so ver-
danken wir ihnen auch die große Entdeckung der Aberration des
Lichtes (I. Cap. VI.) und durch dieselbe die Kenntniß der außer-
ordentlichen Geschwindigkeit (I. §. 77) dieses wundervollen Elements.


Die Monde der drei äußerſten Planeten.
unveränderlichen Geſetzen umwandeln. Die Bewohner der Mitte
der, dieſem Planeten zugewendeten Hälfte ſehen die ungeheure
Lichtſcheibe immer in ihrem Zenithe und die des Randes immer
in ihrem Horizonte. Eine Reiſe von 440 Meilen, zweimal ſo
weit als von Wien nach Neapel, würde ſchon hinreichen, dieſe
große Scheibe des Hauptplaneten aus dem Zenithe des Wanderers
in ſeinen Horizont herab zu ziehen. Mit welchen Gefühlen mögen
die Bewohner des Randes der hinteren, von Jupiter ſtets abge-
wendeten Hälfte dieſes Mondes, nach einem Wege von nur
wenigen Meilen, dieſen ungeheuern Himmelskörper erblicken, der
ihnen in ſeiner Oberfläche 37000 mal größer als die ſo weit
entfernte Sonne erſcheint, und der ein blendendes Licht verbreitet,
das mit dem unſeres Vollmondes nicht weiter verglichen werden
kann.

§. 151. (Entdeckung dieſer Monde.) Bemerken wir noch, daß
die Entdeckung dieſer vier Monde, durch Galilei i. J. 1610, eine
der erſten Früchte des nur kurz vorher erfundenen Fernrohrs,
zugleich eine ſehr merkwürdige Epoche in der Geſchichte der Stern-
kunde begründet, denn die erſte aſtronomiſche Auflöſung des großen
Problems der Meereslänge, der wichtigſten und nützlichſten
Aufgabe, die der menſchliche Geiſt ſich je vorgelegt hat, verdanken
wir der Kenntniß dieſer Monde. Auch datirt man mit Recht die
eigentliche, letzte Beſtätigung der Wahrheit des Copernicaniſchen
Syſtems von der Entdeckung dieſer vier Himmelskörper, die
uns unſer eigenes Sonnenſyſtem gleichſam in einem Miniatur-
bilde zeigen, in welchem ſich die drei Kepler’ſchen Geſetze (I.
§. 147) und durch ſie das Geſetz der allgemeinen Schwere ab-
ſpiegeln und in wenigen Monaten ſchon alle die periodiſchen Be-
wegungen zeigen, deren vollſtändige Entwicklung bei den Planeten
ſelbſt mehrere Jahrhunderte erfordert. Und als ob die Natur mit
einer Art von Vorliebe dieſe kleinen, von uns mit freien Augen
ganz unſichtbaren Lichtpunkte begünſtigen und auf ſie die intereſſan-
teſten Züge der Geſchichte der Sternkunde häufen wollte, ſo ver-
danken wir ihnen auch die große Entdeckung der Aberration des
Lichtes (I. Cap. VI.) und durch dieſelbe die Kenntniß der außer-
ordentlichen Geſchwindigkeit (I. §. 77) dieſes wundervollen Elements.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="216"/><fw place="top" type="header">Die Monde der drei äußer&#x017F;ten Planeten.</fw><lb/>
unveränderlichen Ge&#x017F;etzen umwandeln. Die Bewohner der Mitte<lb/>
der, die&#x017F;em Planeten zugewendeten Hälfte &#x017F;ehen die ungeheure<lb/>
Licht&#x017F;cheibe immer in ihrem Zenithe und die des Randes immer<lb/>
in ihrem Horizonte. Eine Rei&#x017F;e von 440 Meilen, zweimal &#x017F;o<lb/>
weit als von Wien nach Neapel, würde &#x017F;chon hinreichen, die&#x017F;e<lb/>
große Scheibe des Hauptplaneten aus dem Zenithe des Wanderers<lb/>
in &#x017F;einen Horizont herab zu ziehen. Mit welchen Gefühlen mögen<lb/>
die Bewohner des Randes der hinteren, von Jupiter &#x017F;tets abge-<lb/>
wendeten Hälfte die&#x017F;es Mondes, nach einem Wege von nur<lb/>
wenigen Meilen, die&#x017F;en ungeheuern Himmelskörper erblicken, der<lb/>
ihnen in &#x017F;einer Oberfläche 37000 mal größer als die &#x017F;o weit<lb/>
entfernte Sonne er&#x017F;cheint, und der ein blendendes Licht verbreitet,<lb/>
das mit dem un&#x017F;eres Vollmondes nicht weiter verglichen werden<lb/>
kann.</p><lb/>
            <p>§. 151. (Entdeckung die&#x017F;er Monde.) Bemerken wir noch, daß<lb/>
die Entdeckung die&#x017F;er vier Monde, durch Galilei i. J. 1610, eine<lb/>
der er&#x017F;ten Früchte des nur kurz vorher erfundenen Fernrohrs,<lb/>
zugleich eine &#x017F;ehr merkwürdige Epoche in der Ge&#x017F;chichte der Stern-<lb/>
kunde begründet, denn die er&#x017F;te a&#x017F;tronomi&#x017F;che Auflö&#x017F;ung des großen<lb/>
Problems der <hi rendition="#g">Meereslänge</hi>, der wichtig&#x017F;ten und nützlich&#x017F;ten<lb/>
Aufgabe, die der men&#x017F;chliche Gei&#x017F;t &#x017F;ich je vorgelegt hat, verdanken<lb/>
wir der Kenntniß die&#x017F;er Monde. Auch datirt man mit Recht die<lb/>
eigentliche, letzte Be&#x017F;tätigung der Wahrheit des Copernicani&#x017F;chen<lb/>
Sy&#x017F;tems von der Entdeckung die&#x017F;er vier Himmelskörper, die<lb/>
uns un&#x017F;er eigenes Sonnen&#x017F;y&#x017F;tem gleich&#x017F;am in einem Miniatur-<lb/>
bilde zeigen, in welchem &#x017F;ich die drei Kepler&#x2019;&#x017F;chen Ge&#x017F;etze (<hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
§. 147) und durch &#x017F;ie das Ge&#x017F;etz der allgemeinen Schwere ab-<lb/>
&#x017F;piegeln und in wenigen Monaten &#x017F;chon alle die periodi&#x017F;chen Be-<lb/>
wegungen zeigen, deren voll&#x017F;tändige Entwicklung bei den Planeten<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t mehrere Jahrhunderte erfordert. Und als ob die Natur mit<lb/>
einer Art von Vorliebe die&#x017F;e kleinen, von uns mit freien Augen<lb/>
ganz un&#x017F;ichtbaren Lichtpunkte begün&#x017F;tigen und auf &#x017F;ie die intere&#x017F;&#x017F;an-<lb/>
te&#x017F;ten Züge der Ge&#x017F;chichte der Sternkunde häufen wollte, &#x017F;o ver-<lb/>
danken wir ihnen auch die große Entdeckung der Aberration des<lb/>
Lichtes (<hi rendition="#aq">I.</hi> Cap. <hi rendition="#aq">VI.</hi>) und durch die&#x017F;elbe die Kenntniß der außer-<lb/>
ordentlichen Ge&#x017F;chwindigkeit (<hi rendition="#aq">I.</hi> §. 77) die&#x017F;es wundervollen Elements.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0226] Die Monde der drei äußerſten Planeten. unveränderlichen Geſetzen umwandeln. Die Bewohner der Mitte der, dieſem Planeten zugewendeten Hälfte ſehen die ungeheure Lichtſcheibe immer in ihrem Zenithe und die des Randes immer in ihrem Horizonte. Eine Reiſe von 440 Meilen, zweimal ſo weit als von Wien nach Neapel, würde ſchon hinreichen, dieſe große Scheibe des Hauptplaneten aus dem Zenithe des Wanderers in ſeinen Horizont herab zu ziehen. Mit welchen Gefühlen mögen die Bewohner des Randes der hinteren, von Jupiter ſtets abge- wendeten Hälfte dieſes Mondes, nach einem Wege von nur wenigen Meilen, dieſen ungeheuern Himmelskörper erblicken, der ihnen in ſeiner Oberfläche 37000 mal größer als die ſo weit entfernte Sonne erſcheint, und der ein blendendes Licht verbreitet, das mit dem unſeres Vollmondes nicht weiter verglichen werden kann. §. 151. (Entdeckung dieſer Monde.) Bemerken wir noch, daß die Entdeckung dieſer vier Monde, durch Galilei i. J. 1610, eine der erſten Früchte des nur kurz vorher erfundenen Fernrohrs, zugleich eine ſehr merkwürdige Epoche in der Geſchichte der Stern- kunde begründet, denn die erſte aſtronomiſche Auflöſung des großen Problems der Meereslänge, der wichtigſten und nützlichſten Aufgabe, die der menſchliche Geiſt ſich je vorgelegt hat, verdanken wir der Kenntniß dieſer Monde. Auch datirt man mit Recht die eigentliche, letzte Beſtätigung der Wahrheit des Copernicaniſchen Syſtems von der Entdeckung dieſer vier Himmelskörper, die uns unſer eigenes Sonnenſyſtem gleichſam in einem Miniatur- bilde zeigen, in welchem ſich die drei Kepler’ſchen Geſetze (I. §. 147) und durch ſie das Geſetz der allgemeinen Schwere ab- ſpiegeln und in wenigen Monaten ſchon alle die periodiſchen Be- wegungen zeigen, deren vollſtändige Entwicklung bei den Planeten ſelbſt mehrere Jahrhunderte erfordert. Und als ob die Natur mit einer Art von Vorliebe dieſe kleinen, von uns mit freien Augen ganz unſichtbaren Lichtpunkte begünſtigen und auf ſie die intereſſan- teſten Züge der Geſchichte der Sternkunde häufen wollte, ſo ver- danken wir ihnen auch die große Entdeckung der Aberration des Lichtes (I. Cap. VI.) und durch dieſelbe die Kenntniß der außer- ordentlichen Geſchwindigkeit (I. §. 77) dieſes wundervollen Elements.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/226
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/226>, abgerufen am 27.04.2024.