Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Reichsstrafgesetzbuch. §. 8.

IV. Unter den Strafrechtssätzen selbst können wir zwei
Gruppen
unterscheiden.

Die erste -- wir können sie die der eigentlichen Straf-
rechtssätze nennen -- knüpft an das Verbrechen die Strafe.
Die hieher gehörenden Rechtssätze sind demnach zweiteilig:
sie bestehen aus dem Thatbestande einerseits, also der Vor-
aussetzung, an deren Vorliegen der Eintritt der staatlichen
Strafgewalt gebunden ist, und aus der Strafe andrerseits,
die als Rechtsfolge für den Eintritt jener Voraussetzung an-
gedroht ist.

Den Rechtsätzen der zweiten Gruppe fehlt jene Zwei-
teilung
. Sie enthalten die näheren Erläuterungen der
eigentlichen Strafrechtssätze. Sie sind passend begriffsent-
wickelnde
Rechtssätze9 genannt worden. Sie verknüpfen nicht
Thatbestand und Rechtsfolge, hören aber darum nicht auf,
Rechtssätze zu sein.

2. Die Reichsstrafgesetzgebung.
§. 8.
Das Reichsstrafgesetzbuch.
Seine Entstehungsgeschichte.

Die einheitliche Strafgesetzgebung war eine der ersten
Gaben, welche das deutsche Volk dem wiedererstandenen
deutschen Reiche zu danken hatte. Aber keine von jenen
Gaben, wie sie der Liebling des Glücks, mühe- und arbeitslos
aus den Händen der launenhaften Göttin empfängt; die
Frucht, welche das sich erfüllende Geschick in überraschend
kurzer Frist zur Reife brachte, war das Resultat harter

9 Vgl. überhaupt Windscheid §. 27.
Das Reichsſtrafgeſetzbuch. §. 8.

IV. Unter den Strafrechtsſätzen ſelbſt können wir zwei
Gruppen
unterſcheiden.

Die erſte — wir können ſie die der eigentlichen Straf-
rechtsſätze nennen — knüpft an das Verbrechen die Strafe.
Die hieher gehörenden Rechtsſätze ſind demnach zweiteilig:
ſie beſtehen aus dem Thatbeſtande einerſeits, alſo der Vor-
ausſetzung, an deren Vorliegen der Eintritt der ſtaatlichen
Strafgewalt gebunden iſt, und aus der Strafe andrerſeits,
die als Rechtsfolge für den Eintritt jener Vorausſetzung an-
gedroht iſt.

Den Rechtſätzen der zweiten Gruppe fehlt jene Zwei-
teilung
. Sie enthalten die näheren Erläuterungen der
eigentlichen Strafrechtsſätze. Sie ſind paſſend begriffsent-
wickelnde
Rechtsſätze9 genannt worden. Sie verknüpfen nicht
Thatbeſtand und Rechtsfolge, hören aber darum nicht auf,
Rechtsſätze zu ſein.

2. Die Reichsſtrafgeſetzgebung.
§. 8.
Das Reichsſtrafgeſetzbuch.
Seine Entſtehungsgeſchichte.

Die einheitliche Strafgeſetzgebung war eine der erſten
Gaben, welche das deutſche Volk dem wiedererſtandenen
deutſchen Reiche zu danken hatte. Aber keine von jenen
Gaben, wie ſie der Liebling des Glücks, mühe- und arbeitslos
aus den Händen der launenhaften Göttin empfängt; die
Frucht, welche das ſich erfüllende Geſchick in überraſchend
kurzer Friſt zur Reife brachte, war das Reſultat harter

9 Vgl. überhaupt Windſcheid §. 27.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0053" n="27"/>
            <fw place="top" type="header">Das Reichs&#x017F;trafge&#x017F;etzbuch. §. 8.</fw><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">IV.</hi> Unter den Strafrechts&#x017F;ätzen &#x017F;elb&#x017F;t können wir <hi rendition="#g">zwei<lb/>
Gruppen</hi> unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#g">er&#x017F;te</hi> &#x2014; wir können &#x017F;ie die der <hi rendition="#g">eigentlichen</hi> Straf-<lb/>
rechts&#x017F;ätze nennen &#x2014; knüpft an das Verbrechen die Strafe.<lb/>
Die hieher gehörenden Rechts&#x017F;ätze &#x017F;ind demnach <hi rendition="#g">zweiteilig</hi>:<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;tehen aus dem <hi rendition="#g">Thatbe&#x017F;tande</hi> einer&#x017F;eits, al&#x017F;o der Vor-<lb/>
aus&#x017F;etzung, an deren Vorliegen der Eintritt der &#x017F;taatlichen<lb/>
Strafgewalt gebunden i&#x017F;t, und aus der <hi rendition="#g">Strafe</hi> andrer&#x017F;eits,<lb/>
die als Rechtsfolge für den Eintritt jener Voraus&#x017F;etzung an-<lb/>
gedroht i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Den Recht&#x017F;ätzen der zweiten Gruppe fehlt jene <hi rendition="#g">Zwei-<lb/>
teilung</hi>. Sie enthalten die näheren Erläuterungen der<lb/>
eigentlichen Strafrechts&#x017F;ätze. Sie &#x017F;ind pa&#x017F;&#x017F;end <hi rendition="#g">begriffsent-<lb/>
wickelnde</hi> Rechts&#x017F;ätze<note place="foot" n="9">Vgl. überhaupt <hi rendition="#g">Wind&#x017F;cheid</hi> §. 27.</note> genannt worden. Sie verknüpfen nicht<lb/>
Thatbe&#x017F;tand und Rechtsfolge, hören aber darum nicht auf,<lb/>
Rechts&#x017F;ätze zu &#x017F;ein.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">2. Die Reichs&#x017F;trafge&#x017F;etzgebung.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 8.<lb/><hi rendition="#b">Das Reichs&#x017F;trafge&#x017F;etzbuch.</hi><lb/><hi rendition="#g">Seine Ent&#x017F;tehungsge&#x017F;chichte</hi>.</head><lb/>
            <p>Die einheitliche Strafge&#x017F;etzgebung war eine der er&#x017F;ten<lb/>
Gaben, welche das deut&#x017F;che Volk dem wiederer&#x017F;tandenen<lb/>
deut&#x017F;chen Reiche zu danken hatte. Aber keine von jenen<lb/>
Gaben, wie &#x017F;ie der Liebling des Glücks, mühe- und arbeitslos<lb/>
aus den Händen der launenhaften Göttin empfängt; die<lb/>
Frucht, welche das &#x017F;ich erfüllende Ge&#x017F;chick in überra&#x017F;chend<lb/>
kurzer Fri&#x017F;t zur Reife brachte, war das Re&#x017F;ultat harter<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0053] Das Reichsſtrafgeſetzbuch. §. 8. IV. Unter den Strafrechtsſätzen ſelbſt können wir zwei Gruppen unterſcheiden. Die erſte — wir können ſie die der eigentlichen Straf- rechtsſätze nennen — knüpft an das Verbrechen die Strafe. Die hieher gehörenden Rechtsſätze ſind demnach zweiteilig: ſie beſtehen aus dem Thatbeſtande einerſeits, alſo der Vor- ausſetzung, an deren Vorliegen der Eintritt der ſtaatlichen Strafgewalt gebunden iſt, und aus der Strafe andrerſeits, die als Rechtsfolge für den Eintritt jener Vorausſetzung an- gedroht iſt. Den Rechtſätzen der zweiten Gruppe fehlt jene Zwei- teilung. Sie enthalten die näheren Erläuterungen der eigentlichen Strafrechtsſätze. Sie ſind paſſend begriffsent- wickelnde Rechtsſätze 9 genannt worden. Sie verknüpfen nicht Thatbeſtand und Rechtsfolge, hören aber darum nicht auf, Rechtsſätze zu ſein. 2. Die Reichsſtrafgeſetzgebung. §. 8. Das Reichsſtrafgeſetzbuch. Seine Entſtehungsgeſchichte. Die einheitliche Strafgeſetzgebung war eine der erſten Gaben, welche das deutſche Volk dem wiedererſtandenen deutſchen Reiche zu danken hatte. Aber keine von jenen Gaben, wie ſie der Liebling des Glücks, mühe- und arbeitslos aus den Händen der launenhaften Göttin empfängt; die Frucht, welche das ſich erfüllende Geſchick in überraſchend kurzer Friſt zur Reife brachte, war das Reſultat harter 9 Vgl. überhaupt Windſcheid §. 27.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/53
Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/53>, abgerufen am 21.11.2024.