Erst. Buch. IV. Das Verbr. als schuldh. rechtswidr. Handl.
lung ist auch in diesen Fällen eine schuldhafte; mit anderen Worten: Verursachung eines gewissen Erfolges ohne Rück- sicht auf Schuld in Bezug auf diesen Erfolg ist im Reichsstrafrecht immer nur Strafschärfungsgrund, nicht aber Deliktsmerkmal oder Bedingung der Strafbarkeit.
III. Die Schuld muß, sei sie Vorsatz, sei sie Fahrlässig- keit, im Augenblicke der willkürlichen Körperbewegung vor- handen sein. Späterer Eintritt, sowie späteres Entfallen der Schuld ist ohne juristische Bedeutung. Vgl. das oben §. 25 V bezüglich der Zurechnungsfähigkeit Gesagte.
IV. Die Erklärung, daß die Handlung eines Zurech- nungsfähigen auf dessen Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhe, heißt Zurechnung oder Imputation. Die betreffende Handlung wird als zurechenbar bezeichnet. Es giebt also zurechenbare und nicht zurechenbare Handlungen eines Handlungsfähigen, während die Handlungen eines Zurech- nungsunfähigen, soweit er überhaupt willkürlicher körperlicher Bewegungen fähig ist, nie zurechenbar sind.
§. 28. Der Vorsatz.1
I. Vorsatz ist der Wille (in dem oben §. 17 I ange- gebenen Sinne) als Ursache einer Handlung im engeren Sinne (oben §. 19 I) begleitet von der Vorstellung der Kausalität derselben; d. h. begleitet von der Vor- stellung jener Veränderungen (oben §. 19 II), welche die Handlung in der Außenwelt hervorruft, und von der
1[Spaltenumbruch]
Lit. bei Binding Grund- riß S. 65, Normen II Note 614.[Spaltenumbruch]
Dazu Ortmann GS. XXX, Geyer in HR. "dolus".
Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl.
lung iſt auch in dieſen Fällen eine ſchuldhafte; mit anderen Worten: Verurſachung eines gewiſſen Erfolges ohne Rück- ſicht auf Schuld in Bezug auf dieſen Erfolg iſt im Reichsſtrafrecht immer nur Strafſchärfungsgrund, nicht aber Deliktsmerkmal oder Bedingung der Strafbarkeit.
III. Die Schuld muß, ſei ſie Vorſatz, ſei ſie Fahrläſſig- keit, im Augenblicke der willkürlichen Körperbewegung vor- handen ſein. Späterer Eintritt, ſowie ſpäteres Entfallen der Schuld iſt ohne juriſtiſche Bedeutung. Vgl. das oben §. 25 V bezüglich der Zurechnungsfähigkeit Geſagte.
IV. Die Erklärung, daß die Handlung eines Zurech- nungsfähigen auf deſſen Vorſatz oder Fahrläſſigkeit beruhe, heißt Zurechnung oder Imputation. Die betreffende Handlung wird als zurechenbar bezeichnet. Es giebt alſo zurechenbare und nicht zurechenbare Handlungen eines Handlungsfähigen, während die Handlungen eines Zurech- nungsunfähigen, ſoweit er überhaupt willkürlicher körperlicher Bewegungen fähig iſt, nie zurechenbar ſind.
§. 28. Der Vorſatz.1
I. Vorſatz iſt der Wille (in dem oben §. 17 I ange- gebenen Sinne) als Urſache einer Handlung im engeren Sinne (oben §. 19 I) begleitet von der Vorſtellung der Kauſalität derſelben; d. h. begleitet von der Vor- ſtellung jener Veränderungen (oben §. 19 II), welche die Handlung in der Außenwelt hervorruft, und von der
1[Spaltenumbruch]
Lit. bei Binding Grund- riß S. 65, Normen II Note 614.[Spaltenumbruch]
Dazu Ortmann GS. XXX, Geyer in HR. „dolus“.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0134"n="108"/><fwplace="top"type="header">Erſt. Buch. <hirendition="#aq">IV.</hi> Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl.</fw><lb/>
lung iſt auch in dieſen Fällen eine ſchuldhafte; mit anderen<lb/>
Worten: Verurſachung eines gewiſſen Erfolges ohne Rück-<lb/>ſicht auf Schuld in Bezug auf dieſen Erfolg iſt im<lb/>
Reichsſtrafrecht immer nur <hirendition="#g">Strafſchärfungsg</hi>rund, nicht<lb/>
aber Deliktsmerkmal oder Bedingung der Strafbarkeit.</p><lb/><p><hirendition="#aq">III.</hi> Die Schuld muß, ſei ſie Vorſatz, ſei ſie Fahrläſſig-<lb/>
keit, im Augenblicke der willkürlichen Körperbewegung vor-<lb/>
handen ſein. Späterer Eintritt, ſowie ſpäteres Entfallen<lb/>
der Schuld iſt ohne juriſtiſche Bedeutung. Vgl. das oben<lb/>
§. 25 <hirendition="#aq">V</hi> bezüglich der Zurechnungsfähigkeit Geſagte.</p><lb/><p><hirendition="#aq">IV.</hi> Die Erklärung, daß die Handlung eines Zurech-<lb/>
nungsfähigen auf deſſen Vorſatz oder Fahrläſſigkeit beruhe,<lb/>
heißt <hirendition="#g">Zurechnung</hi> oder <hirendition="#g">Imputation</hi>. Die betreffende<lb/>
Handlung wird als <hirendition="#g">zurechenbar</hi> bezeichnet. Es giebt<lb/>
alſo zurechenbare und nicht zurechenbare Handlungen eines<lb/>
Handlungsfähigen, während die Handlungen eines Zurech-<lb/>
nungsunfähigen, ſoweit er überhaupt willkürlicher körperlicher<lb/>
Bewegungen fähig iſt, nie zurechenbar ſind.</p></div><lb/><divn="5"><head>§. 28.<lb/><hirendition="#b">Der Vorſatz.</hi><noteplace="foot"n="1"><cb/>
Lit. bei <hirendition="#g">Binding</hi> Grund-<lb/>
riß S. 65, Normen <hirendition="#aq">II</hi> Note 614.<cb/>
Dazu <hirendition="#g">Ortmann</hi> GS. <hirendition="#aq">XXX</hi>,<lb/><hirendition="#g">Geyer</hi> in HR. <hirendition="#aq">„dolus“.</hi></note></head><lb/><p><hirendition="#aq">I.</hi> Vorſatz iſt der <hirendition="#g">Wille</hi> (in dem oben §. 17 <hirendition="#aq">I</hi> ange-<lb/>
gebenen Sinne) <hirendition="#g">als Urſache einer Handlung</hi> im engeren<lb/>
Sinne (oben §. 19 <hirendition="#aq">I</hi>) <hirendition="#g">begleitet von der Vorſtellung<lb/>
der Kauſalität derſelben</hi>; d. h. begleitet von der Vor-<lb/>ſtellung <hirendition="#g">jener Veränderungen</hi> (oben §. 19 <hirendition="#aq">II</hi>), welche<lb/>
die Handlung in der Außenwelt hervorruft, und von der<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[108/0134]
Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl.
lung iſt auch in dieſen Fällen eine ſchuldhafte; mit anderen
Worten: Verurſachung eines gewiſſen Erfolges ohne Rück-
ſicht auf Schuld in Bezug auf dieſen Erfolg iſt im
Reichsſtrafrecht immer nur Strafſchärfungsgrund, nicht
aber Deliktsmerkmal oder Bedingung der Strafbarkeit.
III. Die Schuld muß, ſei ſie Vorſatz, ſei ſie Fahrläſſig-
keit, im Augenblicke der willkürlichen Körperbewegung vor-
handen ſein. Späterer Eintritt, ſowie ſpäteres Entfallen
der Schuld iſt ohne juriſtiſche Bedeutung. Vgl. das oben
§. 25 V bezüglich der Zurechnungsfähigkeit Geſagte.
IV. Die Erklärung, daß die Handlung eines Zurech-
nungsfähigen auf deſſen Vorſatz oder Fahrläſſigkeit beruhe,
heißt Zurechnung oder Imputation. Die betreffende
Handlung wird als zurechenbar bezeichnet. Es giebt
alſo zurechenbare und nicht zurechenbare Handlungen eines
Handlungsfähigen, während die Handlungen eines Zurech-
nungsunfähigen, ſoweit er überhaupt willkürlicher körperlicher
Bewegungen fähig iſt, nie zurechenbar ſind.
§. 28.
Der Vorſatz. 1
I. Vorſatz iſt der Wille (in dem oben §. 17 I ange-
gebenen Sinne) als Urſache einer Handlung im engeren
Sinne (oben §. 19 I) begleitet von der Vorſtellung
der Kauſalität derſelben; d. h. begleitet von der Vor-
ſtellung jener Veränderungen (oben §. 19 II), welche
die Handlung in der Außenwelt hervorruft, und von der
1
Lit. bei Binding Grund-
riß S. 65, Normen II Note 614.
Dazu Ortmann GS. XXX,
Geyer in HR. „dolus“.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/134>, abgerufen am 21.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.