Schneider-Geselle kan elender schreiben, als er. Er mag unserntwegen immerhin glauben, daß Ju- stinianus das Corpus Juris 600. Jahr nach seinem Tode in Deutschland eingeführet, und der bekann- te Irnerius, den er umtauft, und, aus Unwissen- heit, den berühmten Irenium nennet, dasselbe 600. Jahr vor seiner Gebuhrt, auf Befehl des Justi- nianus, zu erst in Jtalien gelehret. Wir sind nicht bestellet, ihn klug zu machen. Wir wollen ihm auch nicht weiter abrathen, sein Deutsches Corpus Juris ans Licht zu stellen. Wir sehen wohl, daß er keinen guten Raht annehmen will, und, nach der Beschreibung, die Horatz von einem unbärtigen Jüngling macht, monitoribus asper ist. Er meynt wir beneiden ihn, und will uns und dem Teufel zum Trotz, sein Deutsches Corpus Juris herausge- ben. Wir freuen uns über diesen Entschluß; denn die Probe, die er uns von seiner Arbeit mitgethei- let, hat uns lüstern gemacht nach einem Wercke, welches so viel zum Vergnügen und zur Gesund- heit des Menschlichen Geschlechts beytragen wird. Wir schämen uns fast, daß wir ihm eine gute Er- innerung gegeben, und er kan glauben, daß es nimmer würde geschehen seyn, wenn wir uns hät- ten einbilden können, daß es so gar elend um ihn bestellet sey.
No. XXVII.
Es muß denen verkehrten Juristen durch die See- le gehen, wenn sie sehen, daß die geschicktesten und grössesten Männer ihres Ordens an denen neuen, verwegenen, ärgerlichen und gefährlichen Lehren,
wo
J i i 5
(o)
Schneider-Geſelle kan elender ſchreiben, als er. Er mag unſerntwegen immerhin glauben, daß Ju- ſtinianus das Corpus Juris 600. Jahr nach ſeinem Tode in Deutſchland eingefuͤhret, und der bekann- te Irnerius, den er umtauft, und, aus Unwiſſen- heit, den beruͤhmten Irenium nennet, daſſelbe 600. Jahr vor ſeiner Gebuhrt, auf Befehl des Juſti- nianus, zu erſt in Jtalien gelehret. Wir ſind nicht beſtellet, ihn klug zu machen. Wir wollen ihm auch nicht weiter abrathen, ſein Deutſches Corpus Juris ans Licht zu ſtellen. Wir ſehen wohl, daß er keinen guten Raht annehmen will, und, nach der Beſchreibung, die Horatz von einem unbaͤrtigen Juͤngling macht, monitoribus aſper iſt. Er meynt wir beneiden ihn, und will uns und dem Teufel zum Trotz, ſein Deutſches Corpus Juris herausge- ben. Wir freuen uns uͤber dieſen Entſchluß; denn die Probe, die er uns von ſeiner Arbeit mitgethei- let, hat uns luͤſtern gemacht nach einem Wercke, welches ſo viel zum Vergnuͤgen und zur Geſund- heit des Menſchlichen Geſchlechts beytragen wird. Wir ſchaͤmen uns faſt, daß wir ihm eine gute Er- innerung gegeben, und er kan glauben, daß es nimmer wuͤrde geſchehen ſeyn, wenn wir uns haͤt- ten einbilden koͤnnen, daß es ſo gar elend um ihn beſtellet ſey.
No. XXVII.
Es muß denen verkehrten Juriſten durch die See- le gehen, wenn ſie ſehen, daß die geſchickteſten und groͤſſeſten Maͤnner ihres Ordens an denen neuen, verwegenen, aͤrgerlichen und gefaͤhrlichen Lehren,
wo
J i i 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0965"n="873"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Schneider-Geſelle kan elender ſchreiben, als er.<lb/>
Er mag unſerntwegen immerhin glauben, daß <hirendition="#aq">Ju-<lb/>ſtinianus</hi> das <hirendition="#aq">Corpus Juris</hi> 600. Jahr nach ſeinem<lb/>
Tode in Deutſchland eingefuͤhret, und der bekann-<lb/>
te <hirendition="#aq">Irnerius,</hi> den er umtauft, und, aus Unwiſſen-<lb/>
heit, den beruͤhmten <hirendition="#aq">Irenium</hi> nennet, daſſelbe 600.<lb/>
Jahr vor ſeiner Gebuhrt, auf Befehl des <hirendition="#aq">Juſti-<lb/>
nianus,</hi> zu erſt in Jtalien gelehret. Wir ſind nicht<lb/>
beſtellet, ihn klug zu machen. Wir wollen ihm<lb/>
auch nicht weiter abrathen, ſein Deutſches <hirendition="#aq">Corpus<lb/>
Juris</hi> ans Licht zu ſtellen. Wir ſehen wohl, daß er<lb/>
keinen guten Raht annehmen will, und, nach der<lb/>
Beſchreibung, die Horatz von einem unbaͤrtigen<lb/>
Juͤngling macht, <hirendition="#aq">monitoribus aſper</hi> iſt. Er meynt<lb/>
wir beneiden ihn, und will uns und dem Teufel<lb/>
zum Trotz, ſein Deutſches <hirendition="#aq">Corpus Juris</hi> herausge-<lb/>
ben. Wir freuen uns uͤber dieſen Entſchluß; denn<lb/>
die Probe, die er uns von ſeiner Arbeit mitgethei-<lb/>
let, hat uns luͤſtern gemacht nach einem Wercke,<lb/>
welches ſo viel zum Vergnuͤgen und zur Geſund-<lb/>
heit des Menſchlichen Geſchlechts beytragen wird.<lb/>
Wir ſchaͤmen uns faſt, daß wir ihm eine gute Er-<lb/>
innerung gegeben, und er kan glauben, daß es<lb/>
nimmer wuͤrde geſchehen ſeyn, wenn wir uns haͤt-<lb/>
ten einbilden koͤnnen, daß es ſo gar elend um ihn<lb/>
beſtellet ſey.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">No. XXVII.</hi></head><lb/><p>Es muß denen verkehrten Juriſten durch die See-<lb/>
le gehen, wenn ſie ſehen, daß die geſchickteſten und<lb/>
groͤſſeſten Maͤnner ihres Ordens an denen neuen,<lb/>
verwegenen, aͤrgerlichen und gefaͤhrlichen Lehren,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J i i 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">wo</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[873/0965]
(o)
Schneider-Geſelle kan elender ſchreiben, als er.
Er mag unſerntwegen immerhin glauben, daß Ju-
ſtinianus das Corpus Juris 600. Jahr nach ſeinem
Tode in Deutſchland eingefuͤhret, und der bekann-
te Irnerius, den er umtauft, und, aus Unwiſſen-
heit, den beruͤhmten Irenium nennet, daſſelbe 600.
Jahr vor ſeiner Gebuhrt, auf Befehl des Juſti-
nianus, zu erſt in Jtalien gelehret. Wir ſind nicht
beſtellet, ihn klug zu machen. Wir wollen ihm
auch nicht weiter abrathen, ſein Deutſches Corpus
Juris ans Licht zu ſtellen. Wir ſehen wohl, daß er
keinen guten Raht annehmen will, und, nach der
Beſchreibung, die Horatz von einem unbaͤrtigen
Juͤngling macht, monitoribus aſper iſt. Er meynt
wir beneiden ihn, und will uns und dem Teufel
zum Trotz, ſein Deutſches Corpus Juris herausge-
ben. Wir freuen uns uͤber dieſen Entſchluß; denn
die Probe, die er uns von ſeiner Arbeit mitgethei-
let, hat uns luͤſtern gemacht nach einem Wercke,
welches ſo viel zum Vergnuͤgen und zur Geſund-
heit des Menſchlichen Geſchlechts beytragen wird.
Wir ſchaͤmen uns faſt, daß wir ihm eine gute Er-
innerung gegeben, und er kan glauben, daß es
nimmer wuͤrde geſchehen ſeyn, wenn wir uns haͤt-
ten einbilden koͤnnen, daß es ſo gar elend um ihn
beſtellet ſey.
No. XXVII.
Es muß denen verkehrten Juriſten durch die See-
le gehen, wenn ſie ſehen, daß die geſchickteſten und
groͤſſeſten Maͤnner ihres Ordens an denen neuen,
verwegenen, aͤrgerlichen und gefaͤhrlichen Lehren,
wo
J i i 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 873. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/965>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.