Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

Bild:
<< vorherige Seite
Kalter Augulttag.


I.
Wir standen unter alten Riesenulmen,
An unsers Gartens Rand. Mein Arm umschlang
Die schlanke Hüfte dir. Es lag dein Haupt,
Das schöne, blasse, still an meiner Schulter.
Ein kalter Hauch drang uns entgegen; fröstelnd
Zogst fester du das Tuch um deinen Hals.
In grauer Luft, unübersehbar, lag
Der Wiesen grünes Flachland ausgebreitet.
Wie deutlich hörten wir den Jungen schelten
Auf seine Kühe, deutlich hör' ich noch
Dein fröhlich Lachen, als uns die gesunden,
Vom Winde hergetragnen Worte trafen.
Und eine Oede, nordisch unbehaglich,
Durchfror die Landschaft. Krähen stolperten,
Laut krächzend, über'n Garten. Schläfrig zog
Am Horizont die Mühle ihre Kreise.
Und doch! Es lag auf Wegen fern und nah
Der Sonnenschein, der Sonnenschein des Glücks.
Und langsam kehrten wir zurück ins Haus.
II.
Und wieder stand ich unter unsern Ulmen,
Doch nicht mit dir. Allein sah ich hinaus
In lichten Frühlingstag: Der Junge pfiff
Ein lustig Liedchen seinen Kühen; glänzend
Im Licht umkreisten Krähen hohe Bäume,
In blauer Luft schaut' ich am Horizont
Die Mühle schnell im Wind die Flügel drehn.
Und doch, ich sah nur graue Todesnebel,
Und teilnahmlos kehrt' ich zurück ins Haus.



5
Kalter Augulttag.


I.
Wir ſtanden unter alten Rieſenulmen,
An unſers Gartens Rand. Mein Arm umſchlang
Die ſchlanke Hüfte dir. Es lag dein Haupt,
Das ſchöne, blaſſe, ſtill an meiner Schulter.
Ein kalter Hauch drang uns entgegen; fröſtelnd
Zogſt feſter du das Tuch um deinen Hals.
In grauer Luft, unüberſehbar, lag
Der Wieſen grünes Flachland ausgebreitet.
Wie deutlich hörten wir den Jungen ſchelten
Auf ſeine Kühe, deutlich hör’ ich noch
Dein fröhlich Lachen, als uns die geſunden,
Vom Winde hergetragnen Worte trafen.
Und eine Oede, nordiſch unbehaglich,
Durchfror die Landſchaft. Krähen ſtolperten,
Laut krächzend, über’n Garten. Schläfrig zog
Am Horizont die Mühle ihre Kreiſe.
Und doch! Es lag auf Wegen fern und nah
Der Sonnenſchein, der Sonnenſchein des Glücks.
Und langſam kehrten wir zurück ins Haus.
II.
Und wieder ſtand ich unter unſern Ulmen,
Doch nicht mit dir. Allein ſah ich hinaus
In lichten Frühlingstag: Der Junge pfiff
Ein luſtig Liedchen ſeinen Kühen; glänzend
Im Licht umkreiſten Krähen hohe Bäume,
In blauer Luft ſchaut’ ich am Horizont
Die Mühle ſchnell im Wind die Flügel drehn.
Und doch, ich ſah nur graue Todesnebel,
Und teilnahmlos kehrt’ ich zurück ins Haus.



5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0073" n="65"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Kalter Augulttag.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">I.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>ir &#x017F;tanden unter alten Rie&#x017F;enulmen,</l><lb/>
              <l>An un&#x017F;ers Gartens Rand. Mein Arm um&#x017F;chlang</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;chlanke Hüfte dir. Es lag dein Haupt,</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;chöne, bla&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;till an meiner Schulter.</l><lb/>
              <l>Ein kalter Hauch drang uns entgegen; frö&#x017F;telnd</l><lb/>
              <l>Zog&#x017F;t fe&#x017F;ter du das Tuch um deinen Hals.</l><lb/>
              <l>In grauer Luft, unüber&#x017F;ehbar, lag</l><lb/>
              <l>Der Wie&#x017F;en grünes Flachland ausgebreitet.</l><lb/>
              <l>Wie deutlich hörten wir den Jungen &#x017F;chelten</l><lb/>
              <l>Auf &#x017F;eine Kühe, deutlich hör&#x2019; ich noch</l><lb/>
              <l>Dein fröhlich Lachen, als uns die ge&#x017F;unden,</l><lb/>
              <l>Vom Winde hergetragnen Worte trafen.</l><lb/>
              <l>Und eine Oede, nordi&#x017F;ch unbehaglich,</l><lb/>
              <l>Durchfror die Land&#x017F;chaft. Krähen &#x017F;tolperten,</l><lb/>
              <l>Laut krächzend, über&#x2019;n Garten. Schläfrig zog</l><lb/>
              <l>Am Horizont die Mühle ihre Krei&#x017F;e.</l><lb/>
              <l>Und doch! Es lag auf Wegen fern und nah</l><lb/>
              <l>Der Sonnen&#x017F;chein, der Sonnen&#x017F;chein des Glücks.</l><lb/>
              <l>Und lang&#x017F;am kehrten wir zurück ins Haus.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">II.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Und wieder &#x017F;tand ich unter un&#x017F;ern Ulmen,</l><lb/>
              <l>Doch nicht mit dir. Allein &#x017F;ah ich hinaus</l><lb/>
              <l>In lichten Frühlingstag: Der Junge pfiff</l><lb/>
              <l>Ein lu&#x017F;tig Liedchen &#x017F;einen Kühen; glänzend</l><lb/>
              <l>Im Licht umkrei&#x017F;ten Krähen hohe Bäume,</l><lb/>
              <l>In blauer Luft &#x017F;chaut&#x2019; ich am Horizont</l><lb/>
              <l>Die Mühle &#x017F;chnell im Wind die Flügel drehn.</l><lb/>
              <l>Und doch, ich &#x017F;ah nur graue Todesnebel,</l><lb/>
              <l>Und teilnahmlos kehrt&#x2019; ich zurück ins Haus.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <fw place="bottom" type="sig">5</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0073] Kalter Augulttag. I. Wir ſtanden unter alten Rieſenulmen, An unſers Gartens Rand. Mein Arm umſchlang Die ſchlanke Hüfte dir. Es lag dein Haupt, Das ſchöne, blaſſe, ſtill an meiner Schulter. Ein kalter Hauch drang uns entgegen; fröſtelnd Zogſt feſter du das Tuch um deinen Hals. In grauer Luft, unüberſehbar, lag Der Wieſen grünes Flachland ausgebreitet. Wie deutlich hörten wir den Jungen ſchelten Auf ſeine Kühe, deutlich hör’ ich noch Dein fröhlich Lachen, als uns die geſunden, Vom Winde hergetragnen Worte trafen. Und eine Oede, nordiſch unbehaglich, Durchfror die Landſchaft. Krähen ſtolperten, Laut krächzend, über’n Garten. Schläfrig zog Am Horizont die Mühle ihre Kreiſe. Und doch! Es lag auf Wegen fern und nah Der Sonnenſchein, der Sonnenſchein des Glücks. Und langſam kehrten wir zurück ins Haus. II. Und wieder ſtand ich unter unſern Ulmen, Doch nicht mit dir. Allein ſah ich hinaus In lichten Frühlingstag: Der Junge pfiff Ein luſtig Liedchen ſeinen Kühen; glänzend Im Licht umkreiſten Krähen hohe Bäume, In blauer Luft ſchaut’ ich am Horizont Die Mühle ſchnell im Wind die Flügel drehn. Und doch, ich ſah nur graue Todesnebel, Und teilnahmlos kehrt’ ich zurück ins Haus. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/73
Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/73>, abgerufen am 21.12.2024.