Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

Bild:
<< vorherige Seite
Una ex hisre morieris.


Es flammt der Horizont des heißen Tages.
Der Schmetterlinge Flügelschlag ist hörbar,
So still ruht Baum und Blatt im Sonnenschein.
Auf fernem Steig klingt schwach des Gärtners Harke.
"In einer dieser Stunden wirst du sterben!"
Steht auf der Sonnenuhr im großen Garten,
Auf dessen Weiser sich ein alter Spatz
Den unscheinbaren Kragen emsig putzt
Und schnell das schiefgebogne Köpfchen kraut.
Dann fliegt er fort, im Kirschenbaum zu landen.
Doch unterwegs schlägt ihn der böse Falk.
In einer dieser Stunden wirst du sterben.
Bewegung. Menschen. Nackte braune Arme
Tragen zum Teich ein breites Fischernetz,
Und warten dann gehorsam auf Befehl
Zum Anfang.
Goldene Gitterthore springen,
Und trotz der Schwüle naht in schwerem Sammet
Die junge, wunderschöne Königin.
Auf blonder Pagen Armen schläft die Schleppe.
Rechts trägt das Dach, den riesigen Sonnenschirm,
Ein Mohrenknab' in gelb und rother Seide.
Links hält ein schlanker Fant im Puffenwams,
Mit dem sie huldvoll spricht, den gleichen Schritt;
Im schaukelnden Gehenke blitzt sein Dolch.
Der Kammerherr vom Tag und ihre Damen
Folgen in ehrerbietiger Entfernung.
Una ex hisre morieris.


Es flammt der Horizont des heißen Tages.
Der Schmetterlinge Flügelſchlag iſt hörbar,
So ſtill ruht Baum und Blatt im Sonnenſchein.
Auf fernem Steig klingt ſchwach des Gärtners Harke.
„In einer dieſer Stunden wirſt du ſterben!“
Steht auf der Sonnenuhr im großen Garten,
Auf deſſen Weiſer ſich ein alter Spatz
Den unſcheinbaren Kragen emſig putzt
Und ſchnell das ſchiefgebogne Köpfchen kraut.
Dann fliegt er fort, im Kirſchenbaum zu landen.
Doch unterwegs ſchlägt ihn der böſe Falk.
In einer dieſer Stunden wirſt du ſterben.
Bewegung. Menſchen. Nackte braune Arme
Tragen zum Teich ein breites Fiſchernetz,
Und warten dann gehorſam auf Befehl
Zum Anfang.
Goldene Gitterthore ſpringen,
Und trotz der Schwüle naht in ſchwerem Sammet
Die junge, wunderſchöne Königin.
Auf blonder Pagen Armen ſchläft die Schleppe.
Rechts trägt das Dach, den rieſigen Sonnenſchirm,
Ein Mohrenknab’ in gelb und rother Seide.
Links hält ein ſchlanker Fant im Puffenwams,
Mit dem ſie huldvoll ſpricht, den gleichen Schritt;
Im ſchaukelnden Gehenke blitzt ſein Dolch.
Der Kammerherr vom Tag und ihre Damen
Folgen in ehrerbietiger Entfernung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0140" n="132"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Una ex hisre morieris.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">E</hi>s flammt der Horizont des heißen Tages.</l><lb/>
            <l>Der Schmetterlinge Flügel&#x017F;chlag i&#x017F;t hörbar,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;till ruht Baum und Blatt im Sonnen&#x017F;chein.</l><lb/>
            <l>Auf fernem Steig klingt &#x017F;chwach des Gärtners Harke.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>&#x201E;In einer die&#x017F;er Stunden wir&#x017F;t du &#x017F;terben!&#x201C;</l><lb/>
            <l>Steht auf der Sonnenuhr im großen Garten,</l><lb/>
            <l>Auf de&#x017F;&#x017F;en Wei&#x017F;er &#x017F;ich ein alter Spatz</l><lb/>
            <l>Den un&#x017F;cheinbaren Kragen em&#x017F;ig putzt</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;chnell das &#x017F;chiefgebogne Köpfchen kraut.</l><lb/>
            <l>Dann fliegt er fort, im Kir&#x017F;chenbaum zu landen.</l><lb/>
            <l>Doch unterwegs &#x017F;chlägt ihn der bö&#x017F;e Falk.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>In einer die&#x017F;er Stunden wir&#x017F;t du &#x017F;terben.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Bewegung. Men&#x017F;chen. Nackte braune Arme</l><lb/>
            <l>Tragen zum Teich ein breites Fi&#x017F;chernetz,</l><lb/>
            <l>Und warten dann gehor&#x017F;am auf Befehl</l><lb/>
            <l>Zum Anfang.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l> <hi rendition="#et">Goldene Gitterthore &#x017F;pringen,</hi> </l><lb/>
            <l>Und trotz der Schwüle naht in &#x017F;chwerem Sammet</l><lb/>
            <l>Die junge, wunder&#x017F;chöne Königin.</l><lb/>
            <l>Auf blonder Pagen Armen &#x017F;chläft die Schleppe.</l><lb/>
            <l>Rechts trägt das Dach, den rie&#x017F;igen Sonnen&#x017F;chirm,</l><lb/>
            <l>Ein Mohrenknab&#x2019; in gelb und rother Seide.</l><lb/>
            <l>Links hält ein &#x017F;chlanker Fant im Puffenwams,</l><lb/>
            <l>Mit dem &#x017F;ie huldvoll &#x017F;pricht, den gleichen Schritt;</l><lb/>
            <l>Im &#x017F;chaukelnden Gehenke blitzt &#x017F;ein Dolch.</l><lb/>
            <l>Der Kammerherr vom Tag und ihre Damen</l><lb/>
            <l>Folgen in ehrerbietiger Entfernung.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0140] Una ex hisre morieris. Es flammt der Horizont des heißen Tages. Der Schmetterlinge Flügelſchlag iſt hörbar, So ſtill ruht Baum und Blatt im Sonnenſchein. Auf fernem Steig klingt ſchwach des Gärtners Harke. „In einer dieſer Stunden wirſt du ſterben!“ Steht auf der Sonnenuhr im großen Garten, Auf deſſen Weiſer ſich ein alter Spatz Den unſcheinbaren Kragen emſig putzt Und ſchnell das ſchiefgebogne Köpfchen kraut. Dann fliegt er fort, im Kirſchenbaum zu landen. Doch unterwegs ſchlägt ihn der böſe Falk. In einer dieſer Stunden wirſt du ſterben. Bewegung. Menſchen. Nackte braune Arme Tragen zum Teich ein breites Fiſchernetz, Und warten dann gehorſam auf Befehl Zum Anfang. Goldene Gitterthore ſpringen, Und trotz der Schwüle naht in ſchwerem Sammet Die junge, wunderſchöne Königin. Auf blonder Pagen Armen ſchläft die Schleppe. Rechts trägt das Dach, den rieſigen Sonnenſchirm, Ein Mohrenknab’ in gelb und rother Seide. Links hält ein ſchlanker Fant im Puffenwams, Mit dem ſie huldvoll ſpricht, den gleichen Schritt; Im ſchaukelnden Gehenke blitzt ſein Dolch. Der Kammerherr vom Tag und ihre Damen Folgen in ehrerbietiger Entfernung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/140
Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/140>, abgerufen am 21.12.2024.