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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Geschichte des dritten Bischof Alberts, achtzehntes Jahr,
1215Gastiren und Saufen mehr als sonsten lustig zu machen pflegten. Hierauf theilten
sie die Armee auf alle Dörfer, brachten viel Volk um, schlepten viel Weiber in die
Gefangenschaft, trieben viel Pferde und Vieh weg, entführten eine grosse Beute,
rächten ihr Unrecht mit Feuer und Schwerdt, und kehrten lustig mit dem ganzen
Raube wieder nach Odempe.

§. 6.

Nach dem Fest der Erscheinung Christi aber schickten die Rigischen an alle
Liven und Letten, brachten ein groß Heer auf, zogen nach Saecala und nah-
men die Landesältesten dieser Provinz zu ihren Führern. Es kamen auch die Un-
gannier
mit ihren Deutschen zu ihnen, die nach Gerwen marschirten, ihre
Armee auf alle Dörfer und Provinzen dieser Landschaft vertheilten, und das ganze
Land mit einer schweren Plage schlugen. Sie lagerten sich bey dem Dorfe Ca-
rethen
sechs Tage, sengten, brenten und raubten rund umher. Die, so gute
Pferde hatten, rückten auch in Wirland ein, verwüsteten selbiges Land gleicher-
massen, brachten die Mannsleute um, machten Weib und Kinder zu Gefangenen,
und begaben sich nach reicher Beute wieder nach Carethen. Und es kamen da-
selbst zu ihnen die Landesältesten der Provinz Gerwen, die um Frieden baten,
daß sie aus ihren Grenzen weichen möchten. Sie antworteten ihnen aber: Wenn
ihr den wahren Frieden wollet, so mußt ihr Kinder des wahren
Friedensstifters
Christi werden, damit ihr nach Empfang seiner Taufe,
unsere immerwährende Brüderschaft erlangen möget.
Wie die von
Gerwen dieses hörten, wurden sie froh, und versprachen, damit sie nur Friede
vor den Rigischen haben möchten, so wol ihre Taufe zu behalten, als auch ihnen
einen ewigen Tribut zu geben. Daher tauften wir auch etliche da, nahmen ihre
Kinder zu Geisseln mit, kehrten wieder mit aller unsrer Beute nach Liefland, und
lobten GOtt auch für die Bekehrung dieser Nation.

§. 7.

Nachdem die Lifländische Armee aus Gerwen ausrückte, brachten die
von Nogarden unverzüglich ein groß Heer Russen in der Fasten auf. Es zog
mit ihnen König Woldemar von Plescekowe mit seinen Leuten, die Boten
durch ganz Esthland schickten, sie möchten kommen und die Deutschen und
Ungannier in Odempe belagern. Es kamen auch nicht allein von Oesel,
sondern auch aus Harrien und Saccala, die schon lange getauft waren, in
Hofnung, das Joch der Deutschen und ihre Taufe solchergestalt von sich abzu-
schütteln. Sie zogen demnach den Russen entgegen, belagerten mit ihnen das
Schloß Odempe, und schlugen sich mit den Deutschen, und ihren Gehülfen
siebenzehn Tage lang herum, konten aber ihnen nicht sonderlichen Schaden thun,
weil das Schloß sehr veste war. Die Bogenschützen des Bischofs, so im Schlosse
waren, desgleichen die Ordensbrüder verwundeten und tödteten viel Russen mit
ihren Steinschleudern. Gleichfals verwundeten auch die Russen einige von den
Belagerten mit den Pfeilen ihrer Bogen und Armbrüste. Die Russen zogen
im Lande herum, fingen viel Leute auf, schlugen sie todt, und warfen ihre Kör-
per ins Wasser, das am Fuß des Berges war, damit die im Schlosse vom Was-
ser nicht schöpfen konten. Sie thaten dabey allen Schaden, den sie nur immer
konten, verheerten auch und branten im ganzen Lande umher. Und wenn sie es
wagten nach ihrer Manier mit gesamter Macht auf diese Bergvestung zu klettern:
so wurden sie von den Deutschen und Esthen tapfer abgetrieben. Daher
musten sie manchen braven Kerl davor sitzen lassen. Als die Bischöfe mit den
Ordensbrüdern vernahmen, daß ihre Leute belagert wären, schickten sie drey tau-
send Mann ihnen zu Hülfe. Volquin der Ordensmeister zog auch mit ihnen,
ingleichen Bertold von Wenden, und Dietrich des Bischofs Bruder, mit
den Liven und Letten und einigen Pilgern. Da sie an die See Rastigerwe e)

kamen,

Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtzehntes Jahr,
1215Gaſtiren und Saufen mehr als ſonſten luſtig zu machen pflegten. Hierauf theilten
ſie die Armee auf alle Doͤrfer, brachten viel Volk um, ſchlepten viel Weiber in die
Gefangenſchaft, trieben viel Pferde und Vieh weg, entfuͤhrten eine groſſe Beute,
raͤchten ihr Unrecht mit Feuer und Schwerdt, und kehrten luſtig mit dem ganzen
Raube wieder nach Odempe.

§. 6.

Nach dem Feſt der Erſcheinung Chriſti aber ſchickten die Rigiſchen an alle
Liven und Letten, brachten ein groß Heer auf, zogen nach Saecala und nah-
men die Landesaͤlteſten dieſer Provinz zu ihren Fuͤhrern. Es kamen auch die Un-
gannier
mit ihren Deutſchen zu ihnen, die nach Gerwen marſchirten, ihre
Armee auf alle Doͤrfer und Provinzen dieſer Landſchaft vertheilten, und das ganze
Land mit einer ſchweren Plage ſchlugen. Sie lagerten ſich bey dem Dorfe Ca-
rethen
ſechs Tage, ſengten, brenten und raubten rund umher. Die, ſo gute
Pferde hatten, ruͤckten auch in Wirland ein, verwuͤſteten ſelbiges Land gleicher-
maſſen, brachten die Mannsleute um, machten Weib und Kinder zu Gefangenen,
und begaben ſich nach reicher Beute wieder nach Carethen. Und es kamen da-
ſelbſt zu ihnen die Landesaͤlteſten der Provinz Gerwen, die um Frieden baten,
daß ſie aus ihren Grenzen weichen moͤchten. Sie antworteten ihnen aber: Wenn
ihr den wahren Frieden wollet, ſo mußt ihr Kinder des wahren
Friedensſtifters
Chriſti werden, damit ihr nach Empfang ſeiner Taufe,
unſere immerwaͤhrende Bruͤderſchaft erlangen moͤget.
Wie die von
Gerwen dieſes hoͤrten, wurden ſie froh, und verſprachen, damit ſie nur Friede
vor den Rigiſchen haben moͤchten, ſo wol ihre Taufe zu behalten, als auch ihnen
einen ewigen Tribut zu geben. Daher tauften wir auch etliche da, nahmen ihre
Kinder zu Geiſſeln mit, kehrten wieder mit aller unſrer Beute nach Liefland, und
lobten GOtt auch fuͤr die Bekehrung dieſer Nation.

§. 7.

Nachdem die Liflaͤndiſche Armee aus Gerwen ausruͤckte, brachten die
von Nogarden unverzuͤglich ein groß Heer Ruſſen in der Faſten auf. Es zog
mit ihnen Koͤnig Woldemar von Pleſcekowe mit ſeinen Leuten, die Boten
durch ganz Eſthland ſchickten, ſie moͤchten kommen und die Deutſchen und
Ungannier in Odempe belagern. Es kamen auch nicht allein von Oeſel,
ſondern auch aus Harrien und Saccala, die ſchon lange getauft waren, in
Hofnung, das Joch der Deutſchen und ihre Taufe ſolchergeſtalt von ſich abzu-
ſchuͤtteln. Sie zogen demnach den Ruſſen entgegen, belagerten mit ihnen das
Schloß Odempe, und ſchlugen ſich mit den Deutſchen, und ihren Gehuͤlfen
ſiebenzehn Tage lang herum, konten aber ihnen nicht ſonderlichen Schaden thun,
weil das Schloß ſehr veſte war. Die Bogenſchuͤtzen des Biſchofs, ſo im Schloſſe
waren, desgleichen die Ordensbruͤder verwundeten und toͤdteten viel Ruſſen mit
ihren Steinſchleudern. Gleichfals verwundeten auch die Ruſſen einige von den
Belagerten mit den Pfeilen ihrer Bogen und Armbruͤſte. Die Ruſſen zogen
im Lande herum, fingen viel Leute auf, ſchlugen ſie todt, und warfen ihre Koͤr-
per ins Waſſer, das am Fuß des Berges war, damit die im Schloſſe vom Waſ-
ſer nicht ſchoͤpfen konten. Sie thaten dabey allen Schaden, den ſie nur immer
konten, verheerten auch und branten im ganzen Lande umher. Und wenn ſie es
wagten nach ihrer Manier mit geſamter Macht auf dieſe Bergveſtung zu klettern:
ſo wurden ſie von den Deutſchen und Eſthen tapfer abgetrieben. Daher
muſten ſie manchen braven Kerl davor ſitzen laſſen. Als die Biſchoͤfe mit den
Ordensbruͤdern vernahmen, daß ihre Leute belagert waͤren, ſchickten ſie drey tau-
ſend Mann ihnen zu Huͤlfe. Volquin der Ordensmeiſter zog auch mit ihnen,
ingleichen Bertold von Wenden, und Dietrich des Biſchofs Bruder, mit
den Liven und Letten und einigen Pilgern. Da ſie an die See Raſtigerwe e)

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[124/0156] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, achtzehntes Jahr, Gaſtiren und Saufen mehr als ſonſten luſtig zu machen pflegten. Hierauf theilten ſie die Armee auf alle Doͤrfer, brachten viel Volk um, ſchlepten viel Weiber in die Gefangenſchaft, trieben viel Pferde und Vieh weg, entfuͤhrten eine groſſe Beute, raͤchten ihr Unrecht mit Feuer und Schwerdt, und kehrten luſtig mit dem ganzen Raube wieder nach Odempe. 1215 §. 6. Nach dem Feſt der Erſcheinung Chriſti aber ſchickten die Rigiſchen an alle Liven und Letten, brachten ein groß Heer auf, zogen nach Saecala und nah- men die Landesaͤlteſten dieſer Provinz zu ihren Fuͤhrern. Es kamen auch die Un- gannier mit ihren Deutſchen zu ihnen, die nach Gerwen marſchirten, ihre Armee auf alle Doͤrfer und Provinzen dieſer Landſchaft vertheilten, und das ganze Land mit einer ſchweren Plage ſchlugen. Sie lagerten ſich bey dem Dorfe Ca- rethen ſechs Tage, ſengten, brenten und raubten rund umher. Die, ſo gute Pferde hatten, ruͤckten auch in Wirland ein, verwuͤſteten ſelbiges Land gleicher- maſſen, brachten die Mannsleute um, machten Weib und Kinder zu Gefangenen, und begaben ſich nach reicher Beute wieder nach Carethen. Und es kamen da- ſelbſt zu ihnen die Landesaͤlteſten der Provinz Gerwen, die um Frieden baten, daß ſie aus ihren Grenzen weichen moͤchten. Sie antworteten ihnen aber: Wenn ihr den wahren Frieden wollet, ſo mußt ihr Kinder des wahren Friedensſtifters Chriſti werden, damit ihr nach Empfang ſeiner Taufe, unſere immerwaͤhrende Bruͤderſchaft erlangen moͤget. Wie die von Gerwen dieſes hoͤrten, wurden ſie froh, und verſprachen, damit ſie nur Friede vor den Rigiſchen haben moͤchten, ſo wol ihre Taufe zu behalten, als auch ihnen einen ewigen Tribut zu geben. Daher tauften wir auch etliche da, nahmen ihre Kinder zu Geiſſeln mit, kehrten wieder mit aller unſrer Beute nach Liefland, und lobten GOtt auch fuͤr die Bekehrung dieſer Nation. §. 7. Nachdem die Liflaͤndiſche Armee aus Gerwen ausruͤckte, brachten die von Nogarden unverzuͤglich ein groß Heer Ruſſen in der Faſten auf. Es zog mit ihnen Koͤnig Woldemar von Pleſcekowe mit ſeinen Leuten, die Boten durch ganz Eſthland ſchickten, ſie moͤchten kommen und die Deutſchen und Ungannier in Odempe belagern. Es kamen auch nicht allein von Oeſel, ſondern auch aus Harrien und Saccala, die ſchon lange getauft waren, in Hofnung, das Joch der Deutſchen und ihre Taufe ſolchergeſtalt von ſich abzu- ſchuͤtteln. Sie zogen demnach den Ruſſen entgegen, belagerten mit ihnen das Schloß Odempe, und ſchlugen ſich mit den Deutſchen, und ihren Gehuͤlfen ſiebenzehn Tage lang herum, konten aber ihnen nicht ſonderlichen Schaden thun, weil das Schloß ſehr veſte war. Die Bogenſchuͤtzen des Biſchofs, ſo im Schloſſe waren, desgleichen die Ordensbruͤder verwundeten und toͤdteten viel Ruſſen mit ihren Steinſchleudern. Gleichfals verwundeten auch die Ruſſen einige von den Belagerten mit den Pfeilen ihrer Bogen und Armbruͤſte. Die Ruſſen zogen im Lande herum, fingen viel Leute auf, ſchlugen ſie todt, und warfen ihre Koͤr- per ins Waſſer, das am Fuß des Berges war, damit die im Schloſſe vom Waſ- ſer nicht ſchoͤpfen konten. Sie thaten dabey allen Schaden, den ſie nur immer konten, verheerten auch und branten im ganzen Lande umher. Und wenn ſie es wagten nach ihrer Manier mit geſamter Macht auf dieſe Bergveſtung zu klettern: ſo wurden ſie von den Deutſchen und Eſthen tapfer abgetrieben. Daher muſten ſie manchen braven Kerl davor ſitzen laſſen. Als die Biſchoͤfe mit den Ordensbruͤdern vernahmen, daß ihre Leute belagert waͤren, ſchickten ſie drey tau- ſend Mann ihnen zu Huͤlfe. Volquin der Ordensmeiſter zog auch mit ihnen, ingleichen Bertold von Wenden, und Dietrich des Biſchofs Bruder, mit den Liven und Letten und einigen Pilgern. Da ſie an die See Raſtigerwe e⁾ kamen,

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/156>, abgerufen am 21.12.2024.