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Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.

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Minna von Barnhelm,


v. Tellheim. Nein, Madame! so etwas
pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich sie nicht
habe, so ist es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt
habe, oder daß sie getilgt, und von mir schon
zurück gegeben worden.
Die Dame. Herr Major! --
v. Tellheim. Ganz gewiß, gnädige Frau.
Marloff ist mir nichts schuldig geblieben. Jch
wüßte mich auch nicht zu erinnern, daß er
mir jemals etwas schuldig gewesen wäre. Nicht
anders Madame; er hat mich vielmehr als sei-
nen Schuldner hinterlassen. Jch habe nie etwas
thun können, mich mit einem Manne abzufin-
den, der sechs Jahr Glück und Unglück, Ehre
und Gefahr mit mir getheilet. Jch werde es
nicht vergessen, daß ein Sohn von ihm da ist.
Er wird mein Sohn seyn, so bald ich sein Vater
seyn kann. Die Verwirrung, in der ich mich
ietzt selbst befinde --
Die Dame. Edelmüthiger Mann! Aber den-
ken Sie auch von mir nicht zu klein. Nehmen
Sie das Geld, Herr Major; so bin ich wenig-
stens beruhiget. --

v. Tell-
Minna von Barnhelm,


v. Tellheim. Nein, Madame! ſo etwas
pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich ſie nicht
habe, ſo iſt es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt
habe, oder daß ſie getilgt, und von mir ſchon
zuruͤck gegeben worden.
Die Dame. Herr Major! —
v. Tellheim. Ganz gewiß, gnaͤdige Frau.
Marloff iſt mir nichts ſchuldig geblieben. Jch
wuͤßte mich auch nicht zu erinnern, daß er
mir jemals etwas ſchuldig geweſen waͤre. Nicht
anders Madame; er hat mich vielmehr als ſei-
nen Schuldner hinterlaſſen. Jch habe nie etwas
thun koͤnnen, mich mit einem Manne abzufin-
den, der ſechs Jahr Gluͤck und Ungluͤck, Ehre
und Gefahr mit mir getheilet. Jch werde es
nicht vergeſſen, daß ein Sohn von ihm da iſt.
Er wird mein Sohn ſeyn, ſo bald ich ſein Vater
ſeyn kann. Die Verwirrung, in der ich mich
ietzt ſelbſt befinde —
Die Dame. Edelmuͤthiger Mann! Aber den-
ken Sie auch von mir nicht zu klein. Nehmen
Sie das Geld, Herr Major; ſo bin ich wenig-
ſtens beruhiget. —

v. Tell-
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[22/0026] Minna von Barnhelm, v. Tellheim. Nein, Madame! ſo etwas pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich ſie nicht habe, ſo iſt es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt habe, oder daß ſie getilgt, und von mir ſchon zuruͤck gegeben worden. Die Dame. Herr Major! — v. Tellheim. Ganz gewiß, gnaͤdige Frau. Marloff iſt mir nichts ſchuldig geblieben. Jch wuͤßte mich auch nicht zu erinnern, daß er mir jemals etwas ſchuldig geweſen waͤre. Nicht anders Madame; er hat mich vielmehr als ſei- nen Schuldner hinterlaſſen. Jch habe nie etwas thun koͤnnen, mich mit einem Manne abzufin- den, der ſechs Jahr Gluͤck und Ungluͤck, Ehre und Gefahr mit mir getheilet. Jch werde es nicht vergeſſen, daß ein Sohn von ihm da iſt. Er wird mein Sohn ſeyn, ſo bald ich ſein Vater ſeyn kann. Die Verwirrung, in der ich mich ietzt ſelbſt befinde — Die Dame. Edelmuͤthiger Mann! Aber den- ken Sie auch von mir nicht zu klein. Nehmen Sie das Geld, Herr Major; ſo bin ich wenig- ſtens beruhiget. — v. Tell-

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/26>, abgerufen am 26.04.2024.