Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.XV. Der Rabe und der Fuchs. Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das Und eben wollte er es auf einer alten Eiche ver- Der Rabe erstaunte, und freute sich innig, für gen. D 3
XV. Der Rabe und der Fuchs. Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleiſch, das Und eben wollte er es auf einer alten Eiche ver- Der Rabe erſtaunte, und freute ſich innig, für gen. D 3
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XV.
Der Rabe und der Fuchs.
Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleiſch, das
der erzürnte Gärtner für die Katzen ſeines Nach-
bars hingeworfen hatte, in ſeinen Klauen fort.
Und eben wollte er es auf einer alten Eiche ver-
zehren, als ſich ein Fuchs herbey ſchlich, und ihm
zurief: Sey mir geſeget, Vogel des Jupiters! —
Für wen ſiehſt du mich an? fragte der Rabe. —
Für wen ich dich anſehe? erwiederte der Fuchs.
Biſt du nicht der rüſtige Adler, der täglich von der
Rechte des Zevs auf dieſe Eiche herab kömmt, mich
Armen zu ſpeiſen? Warum verſtellſt du dich?
Sehe ich denn nicht in der ſiegreichen Klaue die
erflehte Gabe, die mir dein Gott durch dich zu
ſchicken noch fortfährt?
Der Rabe erſtaunte, und freute ſich innig, für
einen Adler gehalten zu werden. Ich muß, dachte
er, den Fuchs aus dieſem Irrthume nicht brin-
gen.
D 3
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