Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
VIII.
Der Wolf und der Schäfer.

Ein Schäfer hatte durch eine grausame Seuche
seine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf,
und kam seine Condolenz abzustatten.

Schäfer, sprach er, ist es wahr, daß dich ein so
grausames Unglück betroffen? Du bist um deine
ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette
Heerde! Du tauerst mich, und ich möchte blutige
Thränen weinen.

Habe Dank, Meister Isegrim; versetzte der
Schäfer. Ich sehe, du hast ein sehr mitleidiges
Herz.

Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers
Hylax hinzu, so oft er unter dem Unglücke seines
Nächsten selbst leidet.



IX. Das
VIII.
Der Wolf und der Schäfer.

Ein Schäfer hatte durch eine grauſame Seuche
ſeine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf,
und kam ſeine Condolenz abzuſtatten.

Schäfer, ſprach er, iſt es wahr, daß dich ein ſo
grauſames Unglück betroffen? Du biſt um deine
ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette
Heerde! Du tauerſt mich, und ich möchte blutige
Thränen weinen.

Habe Dank, Meiſter Iſegrim; verſetzte der
Schäfer. Ich ſehe, du haſt ein ſehr mitleidiges
Herz.

Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers
Hylax hinzu, ſo oft er unter dem Unglücke ſeines
Nächſten ſelbſt leidet.



IX. Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0032" n="12"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">VIII.</hi><lb/>
Der <hi rendition="#fr">Wolf</hi> und der <hi rendition="#fr">Schäfer.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>in Schäfer hatte durch eine grau&#x017F;ame Seuche<lb/>
&#x017F;eine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf,<lb/>
und kam &#x017F;eine Condolenz abzu&#x017F;tatten.</p><lb/>
          <p>Schäfer, &#x017F;prach er, i&#x017F;t es wahr, daß dich ein &#x017F;o<lb/>
grau&#x017F;ames Unglück betroffen? Du bi&#x017F;t um deine<lb/>
ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette<lb/>
Heerde! Du tauer&#x017F;t mich, und ich möchte blutige<lb/>
Thränen weinen.</p><lb/>
          <p>Habe Dank, Mei&#x017F;ter I&#x017F;egrim; ver&#x017F;etzte der<lb/>
Schäfer. Ich &#x017F;ehe, du ha&#x017F;t ein &#x017F;ehr mitleidiges<lb/>
Herz.</p><lb/>
          <p>Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers<lb/>
Hylax hinzu, &#x017F;o oft er unter dem Unglücke &#x017F;eines<lb/>
Näch&#x017F;ten &#x017F;elb&#x017F;t leidet.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Das</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0032] VIII. Der Wolf und der Schäfer. Ein Schäfer hatte durch eine grauſame Seuche ſeine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf, und kam ſeine Condolenz abzuſtatten. Schäfer, ſprach er, iſt es wahr, daß dich ein ſo grauſames Unglück betroffen? Du biſt um deine ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette Heerde! Du tauerſt mich, und ich möchte blutige Thränen weinen. Habe Dank, Meiſter Iſegrim; verſetzte der Schäfer. Ich ſehe, du haſt ein ſehr mitleidiges Herz. Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers Hylax hinzu, ſo oft er unter dem Unglücke ſeines Nächſten ſelbſt leidet. IX. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/32
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/32>, abgerufen am 21.11.2024.