Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.I. Die Erscheinung. In der einsamsten Tiefe jenes Waldes, Und sie sprach lächelnd: Schüler, wozu diese Anmuth A 2
I. Die Erſcheinung. In der einſamſten Tiefe jenes Waldes, Und ſie ſprach lächelnd: Schüler, wozu dieſe Anmuth A 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0023" n="[3]"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Die Erſcheinung.</hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">I</hi>n der einſamſten Tiefe jenes Waldes,<lb/> wo ich ſchon manches redende Thier be-<lb/> lauſcht, lag ich an einem ſanften Waſ-<lb/> ſerfalle und war bemüht, einem meiner Mährchen<lb/> den leichten poetiſchen Schmuck zu geben, in wel-<lb/> chem am liebſten zu erſcheinen, <hi rendition="#fr">la Fontaine</hi> die<lb/> Fabel faſt verwöhnt hat. Ich ſann, ich wehlte,<lb/> ich verwarf, die Stirne glühte — — Umſonſt, es<lb/> kam nichts auf das Blatt. Voll Unwill ſprang ich<lb/> auf; aber ſieh! — auf einmal ſtand ſie ſelbſt, die<lb/> fabelnde Muſe vor mir.</p><lb/> <p>Und ſie ſprach lächelnd: Schüler, wozu dieſe<lb/> undankbare Mühe? Die Wahrheit braucht die An-<lb/> muth der Fabel; aber wozu braucht die Fabel die<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Anmuth</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[3]/0023]
I.
Die Erſcheinung.
In der einſamſten Tiefe jenes Waldes,
wo ich ſchon manches redende Thier be-
lauſcht, lag ich an einem ſanften Waſ-
ſerfalle und war bemüht, einem meiner Mährchen
den leichten poetiſchen Schmuck zu geben, in wel-
chem am liebſten zu erſcheinen, la Fontaine die
Fabel faſt verwöhnt hat. Ich ſann, ich wehlte,
ich verwarf, die Stirne glühte — — Umſonſt, es
kam nichts auf das Blatt. Voll Unwill ſprang ich
auf; aber ſieh! — auf einmal ſtand ſie ſelbſt, die
fabelnde Muſe vor mir.
Und ſie ſprach lächelnd: Schüler, wozu dieſe
undankbare Mühe? Die Wahrheit braucht die An-
muth der Fabel; aber wozu braucht die Fabel die
Anmuth
A 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |