Suffenus schwitzt und lermt und schäumt: Nichts kann den hohen Eifer zähmen; Er stampft, er knirscht; warum? er reimt, Und will itzt den Homer beschämen etc.
Allein gebt Acht, was kömmt heraus? Hier ein Sonnet, dort eine Maus.
Diese Eintheilung also, von welcher die Lehr- bucher der Dichtkunst ein tieses Stillschweigen beob- achten, ohngeachtet ihres mannichfaltigen Nutzens in der richtigern Bestimmung verschiedener Regeln: diese Eintheilung, sage ich, vorausgesetzt; will ich mich auf den Weg machen. Es ist kein unbetrete- ner Weg. Ich sehe eine Menge Fußtapfen vor mir, die ich zum Theil untersuchen muß, wenn ich überall sichere Tritte zu thun gedenke. Und in die- ser Absicht will ich sogleich die vornehmsten Erklärun- gen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel gegeben haben.
De la Motte.
Dieser Mann, welcher nicht so wohl ein großes poetisches Genie, als ein guter, aufgeklärter Kopf war, der sich an mancherley wagen, und überall
erträg-
H 3
Suffenus ſchwitzt und lermt und ſchäumt: Nichts kann den hohen Eifer zähmen; Er ſtampft, er knirſcht; warum? er reimt, Und will itzt den Homer beſchämen ꝛc.
Allein gebt Acht, was kömmt heraus? Hier ein Sonnet, dort eine Maus.
Dieſe Eintheilung alſo, von welcher die Lehr- bucher der Dichtkunſt ein tieſes Stillſchweigen beob- achten, ohngeachtet ihres mannichfaltigen Nutzens in der richtigern Beſtimmung verſchiedener Regeln: dieſe Eintheilung, ſage ich, vorausgeſetzt; will ich mich auf den Weg machen. Es iſt kein unbetrete- ner Weg. Ich ſehe eine Menge Fußtapfen vor mir, die ich zum Theil unterſuchen muß, wenn ich überall ſichere Tritte zu thun gedenke. Und in die- ſer Abſicht will ich ſogleich die vornehmſten Erklärun- gen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel gegeben haben.
De la Motte.
Dieſer Mann, welcher nicht ſo wohl ein großes poetiſches Genie, als ein guter, aufgeklärter Kopf war, der ſich an mancherley wagen, und überall
erträg-
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Suffenus ſchwitzt und lermt und ſchäumt:
Nichts kann den hohen Eifer zähmen;
Er ſtampft, er knirſcht; warum? er reimt,
Und will itzt den Homer beſchämen ꝛc.
Allein gebt Acht, was kömmt heraus?
Hier ein Sonnet, dort eine Maus.
Dieſe Eintheilung alſo, von welcher die Lehr-
bucher der Dichtkunſt ein tieſes Stillſchweigen beob-
achten, ohngeachtet ihres mannichfaltigen Nutzens
in der richtigern Beſtimmung verſchiedener Regeln:
dieſe Eintheilung, ſage ich, vorausgeſetzt; will ich
mich auf den Weg machen. Es iſt kein unbetrete-
ner Weg. Ich ſehe eine Menge Fußtapfen vor
mir, die ich zum Theil unterſuchen muß, wenn ich
überall ſichere Tritte zu thun gedenke. Und in die-
ſer Abſicht will ich ſogleich die vornehmſten Erklärun-
gen prüfen, welche meine Vorgänger von der Fabel
gegeben haben.
De la Motte.
Dieſer Mann, welcher nicht ſo wohl ein großes
poetiſches Genie, als ein guter, aufgeklärter Kopf
war, der ſich an mancherley wagen, und überall
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/137>, abgerufen am 04.03.2025.
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