Hamburgische Dramaturgie. Neun und neunzigstes Stück.
Den 12ten April, 1768.
Sonach hatte Terenz auch nicht nöthig, uns seinen Ktesipho am Ende des Stücks be- schämt, und durch die Beschämung auf dem Wege der Besserung, zu zeigen. Wohl aber mußte dieses unser Verfasser thun. Nur fürchte ich, daß der Zuschauer die kriechende Reue, und die furchtsame Unterwerfung eines so leicht- sinnigen Buben nicht für sehr aufrichtig halten kann. Eben so wenig, als die Gemüthsände- rung seines Vaters. Beider Umkehrung ist so wenig in ihrem Charakter gegründet, daß man das Bedürfniß des Dichters, sein Stück schlies- sen zu müssen, und die Verlegenheit, es auf eine bessere Art zu schließen, ein wenig zu sehr darinn empfindet. -- Jch weis überhaupt nicht, woher so viele komische Dichter die Regel genom- men haben, daß der Böse nothwendig am Ende des Stücks entweder bestraft werden, oder sich
bessern
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Hamburgiſche Dramaturgie. Neun und neunzigſtes Stück.
Den 12ten April, 1768.
Sonach hatte Terenz auch nicht nöthig, uns ſeinen Kteſipho am Ende des Stücks be- ſchämt, und durch die Beſchämung auf dem Wege der Beſſerung, zu zeigen. Wohl aber mußte dieſes unſer Verfaſſer thun. Nur fürchte ich, daß der Zuſchauer die kriechende Reue, und die furchtſame Unterwerfung eines ſo leicht- ſinnigen Buben nicht für ſehr aufrichtig halten kann. Eben ſo wenig, als die Gemüthsände- rung ſeines Vaters. Beider Umkehrung iſt ſo wenig in ihrem Charakter gegründet, daß man das Bedürfniß des Dichters, ſein Stück ſchlieſ- ſen zu müſſen, und die Verlegenheit, es auf eine beſſere Art zu ſchließen, ein wenig zu ſehr darinn empfindet. — Jch weis überhaupt nicht, woher ſo viele komiſche Dichter die Regel genom- men haben, daß der Böſe nothwendig am Ende des Stücks entweder beſtraft werden, oder ſich
beſſern
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Hamburgiſche
Dramaturgie.
Neun und neunzigſtes Stück.
Den 12ten April, 1768.
Sonach hatte Terenz auch nicht nöthig, uns
ſeinen Kteſipho am Ende des Stücks be-
ſchämt, und durch die Beſchämung auf
dem Wege der Beſſerung, zu zeigen. Wohl aber
mußte dieſes unſer Verfaſſer thun. Nur fürchte
ich, daß der Zuſchauer die kriechende Reue,
und die furchtſame Unterwerfung eines ſo leicht-
ſinnigen Buben nicht für ſehr aufrichtig halten
kann. Eben ſo wenig, als die Gemüthsände-
rung ſeines Vaters. Beider Umkehrung iſt ſo
wenig in ihrem Charakter gegründet, daß man
das Bedürfniß des Dichters, ſein Stück ſchlieſ-
ſen zu müſſen, und die Verlegenheit, es auf
eine beſſere Art zu ſchließen, ein wenig zu ſehr
darinn empfindet. — Jch weis überhaupt nicht,
woher ſo viele komiſche Dichter die Regel genom-
men haben, daß der Böſe nothwendig am Ende
des Stücks entweder beſtraft werden, oder ſich
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. [369]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/375>, abgerufen am 21.11.2024.
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