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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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Hamburgische
Dramaturgie.


Drey und neunzigstes Stück.





"Alles dieses läßt sich abermals aus der
"Mahlerey sehr wohl erläutern. Jn
"charakteristischen Porträten, wie
"wir diejenigen nennen können, welche eine Ab-
"bildung der Sitten geben sollen, wird der
"Artist, wenn er ein Mann von wirklicher Fäh-
"igkeit ist, nicht auf die Möglichkeit einer ab-
"strakten Jdee losarbeiten. Alles was er sich
"vornimmt zu zeigen, wird dieses seyn, daß ir-
"gend eine Eigenschaft die herrschende ist;
"diese drückt er stark, und durch solche Zeichen
"aus, als sich in den Wirkungen der herrschen-
"den Leidenschaft am sichtbarsten äußern. Und
"wenn er dieses gethan hat, so dürfen wir, nach
"der gemeinen Art zu reden, oder, wenn man
"will, als ein Compliment gegen seine Kunst,
"gar wohl von einem solchen Portraite sagen,
"daß es uns nicht sowohl den Menschen, als

"die
S s
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Drey und neunzigſtes Stück.





Alles dieſes läßt ſich abermals aus der
„Mahlerey ſehr wohl erläutern. Jn
charakteriſtiſchen Porträten, wie
„wir diejenigen nennen können, welche eine Ab-
„bildung der Sitten geben ſollen, wird der
„Artiſt, wenn er ein Mann von wirklicher Fäh-
„igkeit iſt, nicht auf die Möglichkeit einer ab-
„ſtrakten Jdee losarbeiten. Alles was er ſich
„vornimmt zu zeigen, wird dieſes ſeyn, daß ir-
„gend eine Eigenſchaft die herrſchende iſt;
„dieſe drückt er ſtark, und durch ſolche Zeichen
„aus, als ſich in den Wirkungen der herrſchen-
„den Leidenſchaft am ſichtbarſten äußern. Und
„wenn er dieſes gethan hat, ſo dürfen wir, nach
„der gemeinen Art zu reden, oder, wenn man
„will, als ein Compliment gegen ſeine Kunſt,
„gar wohl von einem ſolchen Portraite ſagen,
„daß es uns nicht ſowohl den Menſchen, als

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[[321]/0327] Hamburgiſche Dramaturgie. Drey und neunzigſtes Stück. Den 22ſten Merz, 1768. „Alles dieſes läßt ſich abermals aus der „Mahlerey ſehr wohl erläutern. Jn „charakteriſtiſchen Porträten, wie „wir diejenigen nennen können, welche eine Ab- „bildung der Sitten geben ſollen, wird der „Artiſt, wenn er ein Mann von wirklicher Fäh- „igkeit iſt, nicht auf die Möglichkeit einer ab- „ſtrakten Jdee losarbeiten. Alles was er ſich „vornimmt zu zeigen, wird dieſes ſeyn, daß ir- „gend eine Eigenſchaft die herrſchende iſt; „dieſe drückt er ſtark, und durch ſolche Zeichen „aus, als ſich in den Wirkungen der herrſchen- „den Leidenſchaft am ſichtbarſten äußern. Und „wenn er dieſes gethan hat, ſo dürfen wir, nach „der gemeinen Art zu reden, oder, wenn man „will, als ein Compliment gegen ſeine Kunſt, „gar wohl von einem ſolchen Portraite ſagen, „daß es uns nicht ſowohl den Menſchen, als „die S s

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. [321]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/327>, abgerufen am 21.11.2024.