Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite
Hamburgische
Dramaturgie.



Fünf und funfzigstes Stück.





Was die Königinn gefürchtet hatte, ge-
schieht; Essex wird nach den Gesetzen
schuldig befunden und verurtheilet, den
Kopf zu verlieren; sein Freund Southampton
desgleichen. Nun weiß zwar Elisabeth, daß
sie, als Königinn, den Verbrecher begnadigen
kann; aber sie glaubt auch, daß eine solche frey-
willige Begnadigung auf ihrer Seite eine
Schwäche verrathen würde, die keiner Königinn
gezieme; und also will sie so lange warten, bis
er ihr den Ring senden, und selbst um sein Leben
bitten wird. Voller Ungeduld indeß, daß es
je eher je lieber geschehen möge, schickt sie die
Nottingham zu ihm, und läßt ihn erinnern, an
seine Rettung zu denken. Nottingham stellt
sich, das zärtlichste Mitleid für ihn zu fühlen;
und er vertrauet ihr das kostbare Unterpfand sei-
nes Lebens, mit der demüthigsten Bitte an die

Kö-
C
Hamburgiſche
Dramaturgie.



Fünf und funfzigſtes Stück.





Was die Königinn gefürchtet hatte, ge-
ſchieht; Eſſex wird nach den Geſetzen
ſchuldig befunden und verurtheilet, den
Kopf zu verlieren; ſein Freund Southampton
desgleichen. Nun weiß zwar Eliſabeth, daß
ſie, als Königinn, den Verbrecher begnadigen
kann; aber ſie glaubt auch, daß eine ſolche frey-
willige Begnadigung auf ihrer Seite eine
Schwäche verrathen würde, die keiner Königinn
gezieme; und alſo will ſie ſo lange warten, bis
er ihr den Ring ſenden, und ſelbſt um ſein Leben
bitten wird. Voller Ungeduld indeß, daß es
je eher je lieber geſchehen möge, ſchickt ſie die
Nottingham zu ihm, und läßt ihn erinnern, an
ſeine Rettung zu denken. Nottingham ſtellt
ſich, das zärtlichſte Mitleid für ihn zu fühlen;
und er vertrauet ihr das koſtbare Unterpfand ſei-
nes Lebens, mit der demüthigſten Bitte an die

Kö-
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0023" n="[17]"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b">Hamburgi&#x017F;che<lb/><hi rendition="#g">Dramaturgie</hi>.</hi><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Fünf und funfzig&#x017F;tes Stück.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#c">Den 10ten November, 1767.</hi> </dateline><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">W</hi>as die Königinn gefürchtet hatte, ge-<lb/>
&#x017F;chieht; E&#x017F;&#x017F;ex wird nach den Ge&#x017F;etzen<lb/>
&#x017F;chuldig befunden und verurtheilet, den<lb/>
Kopf zu verlieren; &#x017F;ein Freund Southampton<lb/>
desgleichen. Nun weiß zwar Eli&#x017F;abeth, daß<lb/>
&#x017F;ie, als Königinn, den Verbrecher begnadigen<lb/>
kann; aber &#x017F;ie glaubt auch, daß eine &#x017F;olche frey-<lb/>
willige Begnadigung auf ihrer Seite eine<lb/>
Schwäche verrathen würde, die keiner Königinn<lb/>
gezieme; und al&#x017F;o will &#x017F;ie &#x017F;o lange warten, bis<lb/>
er ihr den Ring &#x017F;enden, und &#x017F;elb&#x017F;t um &#x017F;ein Leben<lb/>
bitten wird. Voller Ungeduld indeß, daß es<lb/>
je eher je lieber ge&#x017F;chehen möge, &#x017F;chickt &#x017F;ie die<lb/>
Nottingham zu ihm, und läßt ihn erinnern, an<lb/>
&#x017F;eine Rettung zu denken. Nottingham &#x017F;tellt<lb/>
&#x017F;ich, das zärtlich&#x017F;te Mitleid für ihn zu fühlen;<lb/>
und er vertrauet ihr das ko&#x017F;tbare Unterpfand &#x017F;ei-<lb/>
nes Lebens, mit der demüthig&#x017F;ten Bitte an die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">Kö-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[17]/0023] Hamburgiſche Dramaturgie. Fünf und funfzigſtes Stück. Den 10ten November, 1767. Was die Königinn gefürchtet hatte, ge- ſchieht; Eſſex wird nach den Geſetzen ſchuldig befunden und verurtheilet, den Kopf zu verlieren; ſein Freund Southampton desgleichen. Nun weiß zwar Eliſabeth, daß ſie, als Königinn, den Verbrecher begnadigen kann; aber ſie glaubt auch, daß eine ſolche frey- willige Begnadigung auf ihrer Seite eine Schwäche verrathen würde, die keiner Königinn gezieme; und alſo will ſie ſo lange warten, bis er ihr den Ring ſenden, und ſelbſt um ſein Leben bitten wird. Voller Ungeduld indeß, daß es je eher je lieber geſchehen möge, ſchickt ſie die Nottingham zu ihm, und läßt ihn erinnern, an ſeine Rettung zu denken. Nottingham ſtellt ſich, das zärtlichſte Mitleid für ihn zu fühlen; und er vertrauet ihr das koſtbare Unterpfand ſei- nes Lebens, mit der demüthigſten Bitte an die Kö- C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/23
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. [17]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/23>, abgerufen am 21.11.2024.