Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite
Hamburgische
Dramaturgie.


Siebendes Stück.





Der Prolog zeiget das Schauspiel in seiner
höchsten Würde, indem er es als das
Supplement der Gesetze betrachten läßt.
Es giebt Dinge in dem sittlichen Betragen des
Menschen, welche, in Ansehung ihres unmit-
telbaren Einflußes auf das Wohl der Gesell-
schaft, zu unbeträchtlich, und in sich selbst zu
veränderlich sind, als daß sie werth oder fähig
wären, unter der eigentlichen Aufsicht des Ge-
setzes zu stehen. Es giebt wiederum andere,
gegen die alle Kraft der Legislation zu kurz fällt;
die in ihren Triebfedern so unbegreiflich, in sich
selbst so ungeheuer, in ihren Folgen so unermeß-
lich sind, daß sie entweder der Ahndung der Ge-
setze ganz entgehen, oder doch unmöglich nach
Verdienst geahndet werden können. Ich will
es nicht unternehmen, auf die erstern, als auf
Gattungen des Lächerlichen, die Komödie; und

auf
G
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Siebendes Stuͤck.





Der Prolog zeiget das Schauſpiel in ſeiner
hoͤchſten Wuͤrde, indem er es als das
Supplement der Geſetze betrachten laͤßt.
Es giebt Dinge in dem ſittlichen Betragen des
Menſchen, welche, in Anſehung ihres unmit-
telbaren Einflußes auf das Wohl der Geſell-
ſchaft, zu unbetraͤchtlich, und in ſich ſelbſt zu
veraͤnderlich ſind, als daß ſie werth oder faͤhig
waͤren, unter der eigentlichen Aufſicht des Ge-
ſetzes zu ſtehen. Es giebt wiederum andere,
gegen die alle Kraft der Legislation zu kurz faͤllt;
die in ihren Triebfedern ſo unbegreiflich, in ſich
ſelbſt ſo ungeheuer, in ihren Folgen ſo unermeß-
lich ſind, daß ſie entweder der Ahndung der Ge-
ſetze ganz entgehen, oder doch unmoͤglich nach
Verdienſt geahndet werden koͤnnen. Ich will
es nicht unternehmen, auf die erſtern, als auf
Gattungen des Laͤcherlichen, die Komoͤdie; und

auf
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0063" n="[49]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Hamburgi&#x017F;che<lb/><hi rendition="#g">Dramaturgie.</hi><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Siebendes Stu&#x0364;ck.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#c">Den 22&#x017F;ten May, 1767.</hi> </dateline><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er Prolog zeiget das Schau&#x017F;piel in &#x017F;einer<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Wu&#x0364;rde, indem er es als das<lb/>
Supplement der Ge&#x017F;etze betrachten la&#x0364;ßt.<lb/>
Es giebt Dinge in dem &#x017F;ittlichen Betragen des<lb/>
Men&#x017F;chen, welche, in An&#x017F;ehung ihres unmit-<lb/>
telbaren Einflußes auf das Wohl der Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft, zu unbetra&#x0364;chtlich, und in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
vera&#x0364;nderlich &#x017F;ind, als daß &#x017F;ie werth oder fa&#x0364;hig<lb/>
wa&#x0364;ren, unter der eigentlichen Auf&#x017F;icht des Ge-<lb/>
&#x017F;etzes zu &#x017F;tehen. Es giebt wiederum andere,<lb/>
gegen die alle Kraft der Legislation zu kurz fa&#x0364;llt;<lb/>
die in ihren Triebfedern &#x017F;o unbegreiflich, in &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o ungeheuer, in ihren Folgen &#x017F;o unermeß-<lb/>
lich &#x017F;ind, daß &#x017F;ie entweder der Ahndung der Ge-<lb/>
&#x017F;etze ganz entgehen, oder doch unmo&#x0364;glich nach<lb/>
Verdien&#x017F;t geahndet werden ko&#x0364;nnen. Ich will<lb/>
es nicht unternehmen, auf die er&#x017F;tern, als auf<lb/>
Gattungen des La&#x0364;cherlichen, die Komo&#x0364;die; und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G</fw><fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[49]/0063] Hamburgiſche Dramaturgie. Siebendes Stuͤck. Den 22ſten May, 1767. Der Prolog zeiget das Schauſpiel in ſeiner hoͤchſten Wuͤrde, indem er es als das Supplement der Geſetze betrachten laͤßt. Es giebt Dinge in dem ſittlichen Betragen des Menſchen, welche, in Anſehung ihres unmit- telbaren Einflußes auf das Wohl der Geſell- ſchaft, zu unbetraͤchtlich, und in ſich ſelbſt zu veraͤnderlich ſind, als daß ſie werth oder faͤhig waͤren, unter der eigentlichen Aufſicht des Ge- ſetzes zu ſtehen. Es giebt wiederum andere, gegen die alle Kraft der Legislation zu kurz faͤllt; die in ihren Triebfedern ſo unbegreiflich, in ſich ſelbſt ſo ungeheuer, in ihren Folgen ſo unermeß- lich ſind, daß ſie entweder der Ahndung der Ge- ſetze ganz entgehen, oder doch unmoͤglich nach Verdienſt geahndet werden koͤnnen. Ich will es nicht unternehmen, auf die erſtern, als auf Gattungen des Laͤcherlichen, die Komoͤdie; und auf G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/63
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [49]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/63>, abgerufen am 21.11.2024.