Hamburgische Dramaturgie. Acht und dreyßigstes Stück.
Den 8ten September, 1767.
Ich bin es auch nicht allein, dem die Ausle- gung des Dacier keine Genüge leistet. Unsern deutschen Uebersetzer der Aristote- lischen Dichtkunst, (*) hat sie eben so wenig be- friediget. Er trägt seine Gründe dagegen vor, die zwar nicht eigentlich die Ausflucht des Dacier bestreiten, aber ihn doch sonst erheblich genug dünken, um seinen Autor lieber gänzlich im Stiche zu lassen, als einen neuen Versuch zu wagen, etwas zu retten, was nicht zu retten sey. "Ich überlasse, schließt er, einer tiefern "Einsicht, diese Schwierigkeiten zu heben; ich "kann kein Licht zu ihrer Erklärung finden, und "scheinet mir wahrscheinlich, daß unser Philo- "soph dieses Kapitel nicht mit seiner gewöhnli- "chen Vorsicht durchgedacht habe."
Ich
(*) Herrn Curtius. S. 214.
P p
Hamburgiſche Dramaturgie. Acht und dreyßigſtes Stuͤck.
Den 8ten September, 1767.
Ich bin es auch nicht allein, dem die Ausle- gung des Dacier keine Genuͤge leiſtet. Unſern deutſchen Ueberſetzer der Ariſtote- liſchen Dichtkunſt, (*) hat ſie eben ſo wenig be- friediget. Er traͤgt ſeine Gruͤnde dagegen vor, die zwar nicht eigentlich die Ausflucht des Dacier beſtreiten, aber ihn doch ſonſt erheblich genug duͤnken, um ſeinen Autor lieber gaͤnzlich im Stiche zu laſſen, als einen neuen Verſuch zu wagen, etwas zu retten, was nicht zu retten ſey. 〟Ich uͤberlaſſe, ſchließt er, einer tiefern 〟Einſicht, dieſe Schwierigkeiten zu heben; ich 〟kann kein Licht zu ihrer Erklaͤrung finden, und 〟ſcheinet mir wahrſcheinlich, daß unſer Philo- 〟ſoph dieſes Kapitel nicht mit ſeiner gewoͤhnli- 〟chen Vorſicht durchgedacht habe.〟
Ich
(*) Herrn Curtius. S. 214.
P p
<TEI><text><body><pbfacs="#f0311"n="[297]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Hamburgiſche<lb/><hirendition="#g">Dramaturgie.</hi><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Acht und dreyßigſtes Stuͤck.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><dateline><hirendition="#c">Den 8ten September, 1767.</hi></dateline><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>ch bin es auch nicht allein, dem die Ausle-<lb/>
gung des Dacier keine Genuͤge leiſtet.<lb/>
Unſern deutſchen Ueberſetzer der Ariſtote-<lb/>
liſchen Dichtkunſt, <noteplace="foot"n="(*)">Herrn Curtius. S. 214.</note> hat ſie eben ſo wenig be-<lb/>
friediget. Er traͤgt ſeine Gruͤnde dagegen vor,<lb/>
die zwar nicht eigentlich die Ausflucht des Dacier<lb/>
beſtreiten, aber ihn doch ſonſt erheblich genug<lb/>
duͤnken, um ſeinen Autor lieber gaͤnzlich im<lb/>
Stiche zu laſſen, als einen neuen Verſuch zu<lb/>
wagen, etwas zu retten, was nicht zu retten<lb/>ſey. <cit><quote>〟Ich uͤberlaſſe,</quote></cit>ſchließt er, <cit><quote>einer tiefern<lb/>〟Einſicht, dieſe Schwierigkeiten zu heben; ich<lb/>〟kann kein Licht zu ihrer Erklaͤrung finden, und<lb/>〟ſcheinet mir wahrſcheinlich, daß unſer Philo-<lb/>〟ſoph dieſes Kapitel nicht mit ſeiner gewoͤhnli-<lb/>〟chen Vorſicht durchgedacht habe.〟</quote></cit></p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ich</fw><lb/><fwplace="bottom"type="sig">P p</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[[297]/0311]
Hamburgiſche
Dramaturgie.
Acht und dreyßigſtes Stuͤck.
Den 8ten September, 1767.
Ich bin es auch nicht allein, dem die Ausle-
gung des Dacier keine Genuͤge leiſtet.
Unſern deutſchen Ueberſetzer der Ariſtote-
liſchen Dichtkunſt, (*) hat ſie eben ſo wenig be-
friediget. Er traͤgt ſeine Gruͤnde dagegen vor,
die zwar nicht eigentlich die Ausflucht des Dacier
beſtreiten, aber ihn doch ſonſt erheblich genug
duͤnken, um ſeinen Autor lieber gaͤnzlich im
Stiche zu laſſen, als einen neuen Verſuch zu
wagen, etwas zu retten, was nicht zu retten
ſey. 〟Ich uͤberlaſſe, ſchließt er, einer tiefern
〟Einſicht, dieſe Schwierigkeiten zu heben; ich
〟kann kein Licht zu ihrer Erklaͤrung finden, und
〟ſcheinet mir wahrſcheinlich, daß unſer Philo-
〟ſoph dieſes Kapitel nicht mit ſeiner gewoͤhnli-
〟chen Vorſicht durchgedacht habe.〟
Ich
(*) Herrn Curtius. S. 214.
P p
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [297]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/311>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.