Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite
Hamburgische
Dramaturgie.


Drittes Stück.





Und wodurch bewirkt dieser Schauspieler,
(Hr. Eckhof) daß wir auch die gemeinste
Moral so gern von ihm hören? Was ist
es eigentlich, was ein anderer von ihm zu lernen
hat, wenn wir ihn in solchem Falle eben so un-
terhaltend finden sollen?

Alle Moral muß aus der Fülle des Herzens
kommen, von der der Mund übergehet; man
muß eben so wenig lange darauf zu denken, als
damit zu prahlen scheinen.

Es verstehet sich also von selbst, daß die mo-
ralischen Stellen vorzüglich wohl gelernet seyn
wollen. Sie müssen ohne Stocken, ohne den
geringsten Anstoß, in einem ununterbrochenen
Flusse der Worte, mit einer Leichtigkeit gespro-
chen werden, daß sie keine mühsame Auskrah-
mungen des Gedächtnisses, sondern unmittelbare

Ein-
C
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Drittes Stuͤck.





Und wodurch bewirkt dieſer Schauſpieler,
(Hr. Eckhof) daß wir auch die gemeinſte
Moral ſo gern von ihm hoͤren? Was iſt
es eigentlich, was ein anderer von ihm zu lernen
hat, wenn wir ihn in ſolchem Falle eben ſo un-
terhaltend finden ſollen?

Alle Moral muß aus der Fuͤlle des Herzens
kommen, von der der Mund uͤbergehet; man
muß eben ſo wenig lange darauf zu denken, als
damit zu prahlen ſcheinen.

Es verſtehet ſich alſo von ſelbſt, daß die mo-
raliſchen Stellen vorzuͤglich wohl gelernet ſeyn
wollen. Sie muͤſſen ohne Stocken, ohne den
geringſten Anſtoß, in einem ununterbrochenen
Fluſſe der Worte, mit einer Leichtigkeit geſpro-
chen werden, daß ſie keine muͤhſame Auskrah-
mungen des Gedaͤchtniſſes, ſondern unmittelbare

Ein-
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0031" n="[17]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Hamburgi&#x017F;che<lb/><hi rendition="#g">Dramaturgie.</hi><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Drittes Stu&#x0364;ck.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#c">Den 8ten May, 1767.</hi> </dateline><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">U</hi>nd wodurch bewirkt die&#x017F;er Schau&#x017F;pieler,<lb/>
(Hr. Eckhof) daß wir auch die gemein&#x017F;te<lb/>
Moral &#x017F;o gern von ihm ho&#x0364;ren? Was i&#x017F;t<lb/>
es eigentlich, was ein anderer von ihm zu lernen<lb/>
hat, wenn wir ihn in &#x017F;olchem Falle eben &#x017F;o un-<lb/>
terhaltend finden &#x017F;ollen?</p><lb/>
        <p>Alle Moral muß aus der Fu&#x0364;lle des Herzens<lb/>
kommen, von der der Mund u&#x0364;bergehet; man<lb/>
muß eben &#x017F;o wenig lange darauf zu denken, als<lb/>
damit zu prahlen &#x017F;cheinen.</p><lb/>
        <p>Es ver&#x017F;tehet &#x017F;ich al&#x017F;o von &#x017F;elb&#x017F;t, daß die mo-<lb/>
rali&#x017F;chen Stellen vorzu&#x0364;glich wohl gelernet &#x017F;eyn<lb/>
wollen. Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ohne Stocken, ohne den<lb/>
gering&#x017F;ten An&#x017F;toß, in einem ununterbrochenen<lb/>
Flu&#x017F;&#x017F;e der Worte, mit einer Leichtigkeit ge&#x017F;pro-<lb/>
chen werden, daß &#x017F;ie keine mu&#x0364;h&#x017F;ame Auskrah-<lb/>
mungen des Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;es, &#x017F;ondern unmittelbare<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">Ein-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[17]/0031] Hamburgiſche Dramaturgie. Drittes Stuͤck. Den 8ten May, 1767. Und wodurch bewirkt dieſer Schauſpieler, (Hr. Eckhof) daß wir auch die gemeinſte Moral ſo gern von ihm hoͤren? Was iſt es eigentlich, was ein anderer von ihm zu lernen hat, wenn wir ihn in ſolchem Falle eben ſo un- terhaltend finden ſollen? Alle Moral muß aus der Fuͤlle des Herzens kommen, von der der Mund uͤbergehet; man muß eben ſo wenig lange darauf zu denken, als damit zu prahlen ſcheinen. Es verſtehet ſich alſo von ſelbſt, daß die mo- raliſchen Stellen vorzuͤglich wohl gelernet ſeyn wollen. Sie muͤſſen ohne Stocken, ohne den geringſten Anſtoß, in einem ununterbrochenen Fluſſe der Worte, mit einer Leichtigkeit geſpro- chen werden, daß ſie keine muͤhſame Auskrah- mungen des Gedaͤchtniſſes, ſondern unmittelbare Ein- C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/31
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [17]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/31>, abgerufen am 21.12.2024.