Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.In der Krankheit. 1. Nacht umschweigt mein Krankenlager, An der morschen Diele nur Reget sich der kleine Nager, Und es pickt die Pendeluhr, Die eintönig mir bedeutet, Daß das Leben weiter schreitet. Ueber trübe, heitre Stellen Schreitet's unaufhaltsam hin, Wie des Stromes rasche Wellen Blum' und Dorn vorüberzieh'n. Immer senkt die Bahn sich jäher, Kommt der Schritt dem Orkus näher. Mir auch senkt sie sich, und schaurig Weht es aus der Niederung; Und, noch Jüngling, hör' ich traurig, Wie aus banger Dämmerung Meines Herzens matten Schlägen Der Cocytus rauscht entgegen. In der Krankheit. 1. Nacht umſchweigt mein Krankenlager, An der morſchen Diele nur Reget ſich der kleine Nager, Und es pickt die Pendeluhr, Die eintoͤnig mir bedeutet, Daß das Leben weiter ſchreitet. Ueber truͤbe, heitre Stellen Schreitet's unaufhaltſam hin, Wie des Stromes raſche Wellen Blum' und Dorn voruͤberzieh'n. Immer ſenkt die Bahn ſich jaͤher, Kommt der Schritt dem Orkus naͤher. Mir auch ſenkt ſie ſich, und ſchaurig Weht es aus der Niederung; Und, noch Juͤngling, hoͤr' ich traurig, Wie aus banger Daͤmmerung Meines Herzens matten Schlaͤgen Der Cocytus rauſcht entgegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0118" n="104"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">In der Krankheit.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">1.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">N</hi>acht umſchweigt mein Krankenlager,</l><lb/> <l>An der morſchen Diele nur</l><lb/> <l>Reget ſich der kleine Nager,</l><lb/> <l>Und es pickt die Pendeluhr,</l><lb/> <l>Die eintoͤnig mir bedeutet,</l><lb/> <l>Daß das Leben weiter ſchreitet.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ueber truͤbe, heitre Stellen</l><lb/> <l>Schreitet's unaufhaltſam hin,</l><lb/> <l>Wie des Stromes raſche Wellen</l><lb/> <l>Blum' und Dorn voruͤberzieh'n.</l><lb/> <l>Immer ſenkt die Bahn ſich jaͤher,</l><lb/> <l>Kommt der Schritt dem Orkus naͤher.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Mir auch ſenkt ſie ſich, und ſchaurig</l><lb/> <l>Weht es aus der Niederung;</l><lb/> <l>Und, noch Juͤngling, hoͤr' ich traurig,</l><lb/> <l>Wie aus banger Daͤmmerung</l><lb/> <l>Meines Herzens matten Schlaͤgen</l><lb/> <l>Der Cocytus rauſcht entgegen.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0118]
In der Krankheit.
1.
Nacht umſchweigt mein Krankenlager,
An der morſchen Diele nur
Reget ſich der kleine Nager,
Und es pickt die Pendeluhr,
Die eintoͤnig mir bedeutet,
Daß das Leben weiter ſchreitet.
Ueber truͤbe, heitre Stellen
Schreitet's unaufhaltſam hin,
Wie des Stromes raſche Wellen
Blum' und Dorn voruͤberzieh'n.
Immer ſenkt die Bahn ſich jaͤher,
Kommt der Schritt dem Orkus naͤher.
Mir auch ſenkt ſie ſich, und ſchaurig
Weht es aus der Niederung;
Und, noch Juͤngling, hoͤr' ich traurig,
Wie aus banger Daͤmmerung
Meines Herzens matten Schlaͤgen
Der Cocytus rauſcht entgegen.
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