Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Die Jugendträume. Der Jüngling weilt in einem Blüthengarten, Und schaut mit Lust des Lebens Morgenroth; Auf seinem Antlitz ruht ein schön Erwarten, Die Welt ist Himmel ihm, der Mensch ein Gott. Ein Morgenlüftchen streut ihm duft'ge Rosen Mit leisem Finger in das Lockenhaar; Sein Haupt umflattert mit vertrautem Kosen Ein bunt Gevögel singend wunderbar. Seyd stille, stille, daß die flücht'gen Gäste Ihr nicht dem Jünglinge verscheucht; denn wißt: Die Jugendträume sind es, wohl das Beste, Was ihm für diese Welt beschieden ist. Doch, weh! nun naht mit eisern schwerem Gange Die Wirklichkeit, und fort auf ewig flieh'n Die Vögel, und dem Jüngling wird so bange, Da er sie weiter sieht, und weiter zieh'n. Die Jugendträume. Der Juͤngling weilt in einem Bluͤthengarten, Und ſchaut mit Luſt des Lebens Morgenroth; Auf ſeinem Antlitz ruht ein ſchoͤn Erwarten, Die Welt iſt Himmel ihm, der Menſch ein Gott. Ein Morgenluͤftchen ſtreut ihm duft'ge Roſen Mit leiſem Finger in das Lockenhaar; Sein Haupt umflattert mit vertrautem Koſen Ein bunt Gevoͤgel ſingend wunderbar. Seyd ſtille, ſtille, daß die fluͤcht'gen Gaͤſte Ihr nicht dem Juͤnglinge verſcheucht; denn wißt: Die Jugendtraͤume ſind es, wohl das Beſte, Was ihm fuͤr dieſe Welt beſchieden iſt. Doch, weh! nun naht mit eiſern ſchwerem Gange Die Wirklichkeit, und fort auf ewig flieh'n Die Voͤgel, und dem Juͤngling wird ſo bange, Da er ſie weiter ſieht, und weiter zieh'n. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0102" n="88"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Die Jugendträume</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>er Juͤngling weilt in einem Bluͤthengarten,</l><lb/> <l>Und ſchaut mit Luſt des Lebens Morgenroth;</l><lb/> <l>Auf ſeinem Antlitz ruht ein ſchoͤn Erwarten,</l><lb/> <l>Die Welt iſt Himmel ihm, der Menſch ein Gott.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ein Morgenluͤftchen ſtreut ihm duft'ge Roſen</l><lb/> <l>Mit leiſem Finger in das Lockenhaar;</l><lb/> <l>Sein Haupt umflattert mit vertrautem Koſen</l><lb/> <l>Ein bunt Gevoͤgel ſingend wunderbar.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Seyd ſtille, ſtille, daß die fluͤcht'gen Gaͤſte</l><lb/> <l>Ihr nicht dem Juͤnglinge verſcheucht; denn wißt:</l><lb/> <l>Die Jugendtraͤume ſind es, wohl das Beſte,</l><lb/> <l>Was ihm fuͤr dieſe Welt beſchieden iſt.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Doch, weh! nun naht mit eiſern ſchwerem Gange</l><lb/> <l>Die Wirklichkeit, und fort auf ewig flieh'n</l><lb/> <l>Die Voͤgel, und dem Juͤngling wird ſo bange,</l><lb/> <l>Da er ſie weiter ſieht, und weiter zieh'n.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0102]
Die Jugendträume.
Der Juͤngling weilt in einem Bluͤthengarten,
Und ſchaut mit Luſt des Lebens Morgenroth;
Auf ſeinem Antlitz ruht ein ſchoͤn Erwarten,
Die Welt iſt Himmel ihm, der Menſch ein Gott.
Ein Morgenluͤftchen ſtreut ihm duft'ge Roſen
Mit leiſem Finger in das Lockenhaar;
Sein Haupt umflattert mit vertrautem Koſen
Ein bunt Gevoͤgel ſingend wunderbar.
Seyd ſtille, ſtille, daß die fluͤcht'gen Gaͤſte
Ihr nicht dem Juͤnglinge verſcheucht; denn wißt:
Die Jugendtraͤume ſind es, wohl das Beſte,
Was ihm fuͤr dieſe Welt beſchieden iſt.
Doch, weh! nun naht mit eiſern ſchwerem Gange
Die Wirklichkeit, und fort auf ewig flieh'n
Die Voͤgel, und dem Juͤngling wird ſo bange,
Da er ſie weiter ſieht, und weiter zieh'n.
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