Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Barcelona.

Die West- und Südküste der pyrenäischen Halbinsel zählen zu
jenen Gebieten, wohin schon frühzeitig die hohe Cultur des Ostens
verpflanzt worden war. Es ist ein ebenso classischer Boden wie
jener von Phönikien, Griechenland, Karthago und Rom, und auch hier
brandeten die vernichtenden Wogen, welche die Kämpfe um die
Welt- und Seeherrschaft der grossen und mächtigen Reiche aufge-
wühlt haben, auch an den gesegneten Gestaden der Hesperia blühten
im Alterthume volkreiche Städte, in welchen wie zu Rom, Athen und
Korinth die Kunst der Alten prächtige Tempel und Bauten schuf.
Scheu und verwundert mögen die Ureinwohner des Landes, die
Iberer und die aus dem rauhen Norden eingedrungenen Kelten, das
niemals zuvor gesehene Schaffen der Fremden angestaunt haben.

Das ferne Tarschisch der Bibel, ein Land, das in der Folge
Tartessus genannt wurde, ist das heutige Andalusien, dessen Besied-
lung durch die Phönikier, daher in vorhistorischer Zeit stattgefunden
haben musste. Ebenso war das ausserhalb der Säulen des Herkules
gegründete Gades, an der Stätte des heutigen Cadiz, eine der ältesten
phönikischen Colonien. Aber auch die Griechen waren an den ver-
lockenden Gestaden Westspaniens beizeiten erschienen und machten
sich dort sesshaft. Viele der Colonien sind in den Kämpfen der Zeiten
spurlos verschwunden, andere wieder sanken von stolzer Höhe zur
Bedeutungslosigkeit herab, und wieder andere feiern nach einstiger
Blüthe und langem Siechthum erst in der Neuzeit wieder unerwartete
Triumphe. In den Schicksalen von Sagunt, Tarraco und Barcino sind
diese Wandlungen am deutlichsten ausgeprägt.

Nach Strabo wurde Sagunt (Saguntum der Römer) 1384 v. Chr.
durch Griechen aus Zante gegründet und war eine der wenigen
Colonien, welche die eifersüchtigen Phönikier den kühnen Rivalen an
der iberischen Halbinsel anzulegen gestatteten. Kaum eine andere

Barcelona.

Die West- und Südküste der pyrenäischen Halbinsel zählen zu
jenen Gebieten, wohin schon frühzeitig die hohe Cultur des Ostens
verpflanzt worden war. Es ist ein ebenso classischer Boden wie
jener von Phönikien, Griechenland, Karthago und Rom, und auch hier
brandeten die vernichtenden Wogen, welche die Kämpfe um die
Welt- und Seeherrschaft der grossen und mächtigen Reiche aufge-
wühlt haben, auch an den gesegneten Gestaden der Hesperia blühten
im Alterthume volkreiche Städte, in welchen wie zu Rom, Athen und
Korinth die Kunst der Alten prächtige Tempel und Bauten schuf.
Scheu und verwundert mögen die Ureinwohner des Landes, die
Iberer und die aus dem rauhen Norden eingedrungenen Kelten, das
niemals zuvor gesehene Schaffen der Fremden angestaunt haben.

Das ferne Tarschisch der Bibel, ein Land, das in der Folge
Tartessus genannt wurde, ist das heutige Andalusien, dessen Besied-
lung durch die Phönikier, daher in vorhistorischer Zeit stattgefunden
haben musste. Ebenso war das ausserhalb der Säulen des Herkules
gegründete Gades, an der Stätte des heutigen Cádiz, eine der ältesten
phönikischen Colonien. Aber auch die Griechen waren an den ver-
lockenden Gestaden Westspaniens beizeiten erschienen und machten
sich dort sesshaft. Viele der Colonien sind in den Kämpfen der Zeiten
spurlos verschwunden, andere wieder sanken von stolzer Höhe zur
Bedeutungslosigkeit herab, und wieder andere feiern nach einstiger
Blüthe und langem Siechthum erst in der Neuzeit wieder unerwartete
Triumphe. In den Schicksalen von Sagunt, Tarraco und Barcino sind
diese Wandlungen am deutlichsten ausgeprägt.

Nach Strabo wurde Sagunt (Saguntum der Römer) 1384 v. Chr.
durch Griechen aus Zante gegründet und war eine der wenigen
Colonien, welche die eifersüchtigen Phönikier den kühnen Rivalen an
der iberischen Halbinsel anzulegen gestatteten. Kaum eine andere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0458" n="[438]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Barcelona.</hi> </head><lb/>
          <p>Die West- und Südküste der pyrenäischen Halbinsel zählen zu<lb/>
jenen Gebieten, wohin schon frühzeitig die hohe Cultur des Ostens<lb/>
verpflanzt worden war. Es ist ein ebenso classischer Boden wie<lb/>
jener von Phönikien, Griechenland, Karthago und Rom, und auch hier<lb/>
brandeten die vernichtenden Wogen, welche die Kämpfe um die<lb/>
Welt- und Seeherrschaft der grossen und mächtigen Reiche aufge-<lb/>
wühlt haben, auch an den gesegneten Gestaden der Hesperia blühten<lb/>
im Alterthume volkreiche Städte, in welchen wie zu Rom, Athen und<lb/>
Korinth die Kunst der Alten prächtige Tempel und Bauten schuf.<lb/>
Scheu und verwundert mögen die Ureinwohner des Landes, die<lb/>
Iberer und die aus dem rauhen Norden eingedrungenen Kelten, das<lb/>
niemals zuvor gesehene Schaffen der Fremden angestaunt haben.</p><lb/>
          <p>Das ferne Tarschisch der Bibel, ein Land, das in der Folge<lb/>
Tartessus genannt wurde, ist das heutige Andalusien, dessen Besied-<lb/>
lung durch die Phönikier, daher in vorhistorischer Zeit stattgefunden<lb/>
haben musste. Ebenso war das ausserhalb der Säulen des Herkules<lb/>
gegründete Gades, an der Stätte des heutigen Cádiz, eine der ältesten<lb/>
phönikischen Colonien. Aber auch die Griechen waren an den ver-<lb/>
lockenden Gestaden Westspaniens beizeiten erschienen und machten<lb/>
sich dort sesshaft. Viele der Colonien sind in den Kämpfen der Zeiten<lb/>
spurlos verschwunden, andere wieder sanken von stolzer Höhe zur<lb/>
Bedeutungslosigkeit herab, und wieder andere feiern nach einstiger<lb/>
Blüthe und langem Siechthum erst in der Neuzeit wieder unerwartete<lb/>
Triumphe. In den Schicksalen von Sagunt, Tarraco und Barcino sind<lb/>
diese Wandlungen am deutlichsten ausgeprägt.</p><lb/>
          <p>Nach Strabo wurde Sagunt (Saguntum der Römer) 1384 v. Chr.<lb/>
durch Griechen aus Zante gegründet und war eine der wenigen<lb/>
Colonien, welche die eifersüchtigen Phönikier den kühnen Rivalen an<lb/>
der iberischen Halbinsel anzulegen gestatteten. Kaum eine andere<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[438]/0458] Barcelona. Die West- und Südküste der pyrenäischen Halbinsel zählen zu jenen Gebieten, wohin schon frühzeitig die hohe Cultur des Ostens verpflanzt worden war. Es ist ein ebenso classischer Boden wie jener von Phönikien, Griechenland, Karthago und Rom, und auch hier brandeten die vernichtenden Wogen, welche die Kämpfe um die Welt- und Seeherrschaft der grossen und mächtigen Reiche aufge- wühlt haben, auch an den gesegneten Gestaden der Hesperia blühten im Alterthume volkreiche Städte, in welchen wie zu Rom, Athen und Korinth die Kunst der Alten prächtige Tempel und Bauten schuf. Scheu und verwundert mögen die Ureinwohner des Landes, die Iberer und die aus dem rauhen Norden eingedrungenen Kelten, das niemals zuvor gesehene Schaffen der Fremden angestaunt haben. Das ferne Tarschisch der Bibel, ein Land, das in der Folge Tartessus genannt wurde, ist das heutige Andalusien, dessen Besied- lung durch die Phönikier, daher in vorhistorischer Zeit stattgefunden haben musste. Ebenso war das ausserhalb der Säulen des Herkules gegründete Gades, an der Stätte des heutigen Cádiz, eine der ältesten phönikischen Colonien. Aber auch die Griechen waren an den ver- lockenden Gestaden Westspaniens beizeiten erschienen und machten sich dort sesshaft. Viele der Colonien sind in den Kämpfen der Zeiten spurlos verschwunden, andere wieder sanken von stolzer Höhe zur Bedeutungslosigkeit herab, und wieder andere feiern nach einstiger Blüthe und langem Siechthum erst in der Neuzeit wieder unerwartete Triumphe. In den Schicksalen von Sagunt, Tarraco und Barcino sind diese Wandlungen am deutlichsten ausgeprägt. Nach Strabo wurde Sagunt (Saguntum der Römer) 1384 v. Chr. durch Griechen aus Zante gegründet und war eine der wenigen Colonien, welche die eifersüchtigen Phönikier den kühnen Rivalen an der iberischen Halbinsel anzulegen gestatteten. Kaum eine andere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/458
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [438]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/458>, abgerufen am 21.12.2024.