Die ungeheuere Entwicklung der Technik und die Association des Capitales geben unserem Jahrhundert die Mittel in die Hand, Werke zu vollführen, welche unsere Vorfahren kaum zu denken wagten. Ein solches "Weltwunder" ist der Suez-Canal, jener künstliche Wasserweg, welcher dem Welthandel neue Bahnen wies, und die Seeherrschaft wieder Staaten und Völkern zurückgab, denen sie die Entdeckung Vasco de Gama's vor vierhundert Jahren entrissen hatte.
Ein Blick auf die Weltkarte zeigt sogleich die ungeheueren Vortheile, welche der Seeverkehr auf der Route durch den Suez-Canal gewonnen hat. Von so weittragender Bedeutung erwies sich das gran- diose Werk, dass wir uns gegenwärtig, zwanzig Jahre nach dessen Vollendung, kaum mehr die Langwierigkeit des ehemaligen Seeweges nach Indien, Ostasien und Australien um das Cap der guten Hoff- nung vorzustellen vermögen. Der Canal von Suez hat die Verbindung mit den genannten Gebieten selbst für die Schnellläufer der Oceane um 15--22, für das gewöhnliche Frachtschiff aber um 27--40 Dampf- tage abgekürzt, und diese Thatsache erklärt zur Genüge, wie er mit völlig elementarer Gewalt einen ungeheueren Dampferverkehr an sich ziehen und schon in den ersten Jahren seines Bestandes zu einer der hervorragendsten Welthandelsstrassen sich aufschwingen konnte.
Unvergänglich ist daher der Ruhm Ferdinand v. Lesseps', des genialen Erbauers des Werkes, nicht nur, sondern auch des muthigen Besiegers der fast unüberwindlich erschienenen Hindernisse, welche der Ausführung durch politische Sonderinteressen und finanzielle Schwierigkeiten entgegenstanden.
Wie die Entstehungsgeschichte des Canals, bietet auch die bis in uralte Zeiten zurückreichende Vorgeschichte desselben einen Gegen- stand von höchstem Interesse.
Einige Geologen sind der Ansicht, dass die sandige Strecke zwischen dem alten Pelusium und dem langgedehnten Golf von Suez (Heroopolis), in welchen der Canal eingeschnitten ist, einstens vom Meere überflutet gewesen war. Das alte
Der Suez-Canal.
Die ungeheuere Entwicklung der Technik und die Association des Capitales geben unserem Jahrhundert die Mittel in die Hand, Werke zu vollführen, welche unsere Vorfahren kaum zu denken wagten. Ein solches „Weltwunder“ ist der Suez-Canal, jener künstliche Wasserweg, welcher dem Welthandel neue Bahnen wies, und die Seeherrschaft wieder Staaten und Völkern zurückgab, denen sie die Entdeckung Vasco de Gama’s vor vierhundert Jahren entrissen hatte.
Ein Blick auf die Weltkarte zeigt sogleich die ungeheueren Vortheile, welche der Seeverkehr auf der Route durch den Suez-Canal gewonnen hat. Von so weittragender Bedeutung erwies sich das gran- diose Werk, dass wir uns gegenwärtig, zwanzig Jahre nach dessen Vollendung, kaum mehr die Langwierigkeit des ehemaligen Seeweges nach Indien, Ostasien und Australien um das Cap der guten Hoff- nung vorzustellen vermögen. Der Canal von Suez hat die Verbindung mit den genannten Gebieten selbst für die Schnellläufer der Oceane um 15—22, für das gewöhnliche Frachtschiff aber um 27—40 Dampf- tage abgekürzt, und diese Thatsache erklärt zur Genüge, wie er mit völlig elementarer Gewalt einen ungeheueren Dampferverkehr an sich ziehen und schon in den ersten Jahren seines Bestandes zu einer der hervorragendsten Welthandelsstrassen sich aufschwingen konnte.
Unvergänglich ist daher der Ruhm Ferdinand v. Lesseps’, des genialen Erbauers des Werkes, nicht nur, sondern auch des muthigen Besiegers der fast unüberwindlich erschienenen Hindernisse, welche der Ausführung durch politische Sonderinteressen und finanzielle Schwierigkeiten entgegenstanden.
Wie die Entstehungsgeschichte des Canals, bietet auch die bis in uralte Zeiten zurückreichende Vorgeschichte desselben einen Gegen- stand von höchstem Interesse.
Einige Geologen sind der Ansicht, dass die sandige Strecke zwischen dem alten Pelusium und dem langgedehnten Golf von Suez (Heroopolis), in welchen der Canal eingeschnitten ist, einstens vom Meere überflutet gewesen war. Das alte
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0274"n="[254]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der Suez-Canal.</hi></head><lb/><p>Die ungeheuere Entwicklung der Technik und die Association<lb/>
des Capitales geben unserem Jahrhundert die Mittel in die Hand,<lb/>
Werke zu vollführen, welche unsere Vorfahren kaum zu denken wagten.<lb/>
Ein solches „<hirendition="#g">Weltwunder</hi>“ ist der Suez-Canal, jener künstliche<lb/>
Wasserweg, welcher dem Welthandel neue Bahnen wies, und die<lb/>
Seeherrschaft wieder Staaten und Völkern zurückgab, denen sie die<lb/>
Entdeckung Vasco de Gama’s vor vierhundert Jahren entrissen hatte.</p><lb/><p>Ein Blick auf die Weltkarte zeigt sogleich die ungeheueren<lb/>
Vortheile, welche der Seeverkehr auf der Route durch den Suez-Canal<lb/>
gewonnen hat. Von so weittragender Bedeutung erwies sich das gran-<lb/>
diose Werk, dass wir uns gegenwärtig, zwanzig Jahre nach dessen<lb/>
Vollendung, kaum mehr die Langwierigkeit des ehemaligen Seeweges<lb/>
nach Indien, Ostasien und Australien um das Cap der guten Hoff-<lb/>
nung vorzustellen vermögen. Der Canal von Suez hat die Verbindung<lb/>
mit den genannten Gebieten selbst für die Schnellläufer der Oceane<lb/>
um 15—22, für das gewöhnliche Frachtschiff aber um 27—40 Dampf-<lb/>
tage abgekürzt, und diese Thatsache erklärt zur Genüge, wie er mit<lb/>
völlig elementarer Gewalt einen ungeheueren Dampferverkehr an sich<lb/>
ziehen und schon in den ersten Jahren seines Bestandes zu einer<lb/>
der hervorragendsten Welthandelsstrassen sich aufschwingen konnte.</p><lb/><p>Unvergänglich ist daher der Ruhm Ferdinand v. Lesseps’, des<lb/>
genialen Erbauers des Werkes, nicht nur, sondern auch des muthigen<lb/>
Besiegers der fast unüberwindlich erschienenen Hindernisse, welche<lb/>
der Ausführung durch politische Sonderinteressen und finanzielle<lb/>
Schwierigkeiten entgegenstanden.</p><lb/><p>Wie die Entstehungsgeschichte des Canals, bietet auch die bis<lb/>
in uralte Zeiten zurückreichende Vorgeschichte desselben einen Gegen-<lb/>
stand von höchstem Interesse.</p><lb/><p>Einige Geologen sind der Ansicht, dass die sandige Strecke zwischen dem<lb/>
alten Pelusium und dem langgedehnten Golf von Suez (Heroopolis), in welchen der<lb/>
Canal eingeschnitten ist, einstens vom Meere überflutet gewesen war. Das alte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[254]/0274]
Der Suez-Canal.
Die ungeheuere Entwicklung der Technik und die Association
des Capitales geben unserem Jahrhundert die Mittel in die Hand,
Werke zu vollführen, welche unsere Vorfahren kaum zu denken wagten.
Ein solches „Weltwunder“ ist der Suez-Canal, jener künstliche
Wasserweg, welcher dem Welthandel neue Bahnen wies, und die
Seeherrschaft wieder Staaten und Völkern zurückgab, denen sie die
Entdeckung Vasco de Gama’s vor vierhundert Jahren entrissen hatte.
Ein Blick auf die Weltkarte zeigt sogleich die ungeheueren
Vortheile, welche der Seeverkehr auf der Route durch den Suez-Canal
gewonnen hat. Von so weittragender Bedeutung erwies sich das gran-
diose Werk, dass wir uns gegenwärtig, zwanzig Jahre nach dessen
Vollendung, kaum mehr die Langwierigkeit des ehemaligen Seeweges
nach Indien, Ostasien und Australien um das Cap der guten Hoff-
nung vorzustellen vermögen. Der Canal von Suez hat die Verbindung
mit den genannten Gebieten selbst für die Schnellläufer der Oceane
um 15—22, für das gewöhnliche Frachtschiff aber um 27—40 Dampf-
tage abgekürzt, und diese Thatsache erklärt zur Genüge, wie er mit
völlig elementarer Gewalt einen ungeheueren Dampferverkehr an sich
ziehen und schon in den ersten Jahren seines Bestandes zu einer
der hervorragendsten Welthandelsstrassen sich aufschwingen konnte.
Unvergänglich ist daher der Ruhm Ferdinand v. Lesseps’, des
genialen Erbauers des Werkes, nicht nur, sondern auch des muthigen
Besiegers der fast unüberwindlich erschienenen Hindernisse, welche
der Ausführung durch politische Sonderinteressen und finanzielle
Schwierigkeiten entgegenstanden.
Wie die Entstehungsgeschichte des Canals, bietet auch die bis
in uralte Zeiten zurückreichende Vorgeschichte desselben einen Gegen-
stand von höchstem Interesse.
Einige Geologen sind der Ansicht, dass die sandige Strecke zwischen dem
alten Pelusium und dem langgedehnten Golf von Suez (Heroopolis), in welchen der
Canal eingeschnitten ist, einstens vom Meere überflutet gewesen war. Das alte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [254]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/274>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.