Das Schwarze Meer ist durch die thrakischen Meerengen Dar- danellen und Bosporus mit dem Mittelmeere verbunden und bildet, mit der Abzweigung des Azow'schen Meeres, ein weit zwischen die Continente Europa und Asien vordringendes Wasserbecken von theil- weise binnenseeischem Charakter.
Seine zwischen 40° 55' und 47° 15' nördl. Breite und zwischen 27° 21' und 41° 48' östl. Länge von Greenwich gelagerte Wasser- fläche nimmt ein Areal von 381.545 km2 ein.
Das Schwarze Meer wechselte in der Flucht der Zeiten wiederholt den Namen. Die ältesten Griechen nannten es Pontus Axenos, das unwirtbare Meer, aus welcher Bezeichnung dann infolge der Veränderung der Culturverhältnisse durch die zahlreichen griechischen Colonien Pontus Euxinos, ein wirtbares Meer, entstand. Im II. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung tritt der Name Schwarzes Meer zum erstenmale in den Schriften Appians von Alexandrien auf; für die alten Venetianer war es das Mare Major, das die Türken und Tartaren mit Kara Deniz benennen.
Die Bedeutung der am Schwarzen Meere liegenden Länder gehört der Zu- kunft an. Aus diesen Gebieten ergossen sich in grauer Vorzeit, so weit nur Mythe und Vermuthung zu dringen vermögen, die Völkerströme in unseren Continent. Die Griechen und Milesier, namentlich die letzteren, hatten hier seit dem VIII. und VII. Jahrhundert v. Chr. blühende Colonien. Die Milesier nahmen das assy- rische Sinope, dann auch Trapezus. Odessos, an der Stelle des heutigen Varna, war wohl die berühmteste thrakische Colonie der Griechen. Sie war mit den anderen nahegelenen Colonien, worunter auch Tomi, der spätere Verbannungsort Ovid's, zu einem angesehenen Städtebunde vereinigt. In der Römerzeit erhielt Odessos den Namen Tiberiopolis und bildete später eines der mächtigsten Boll- werke der Byzantiner gegen den Ansturm der Bulgaren, welche es zu wieder- holten Malen eroberten, um es schliesslich gleichzeitig mit dem Untergange ihrer Unabhängigkeit an die Türken zu verlieren.
Die Nordküste des Pontus Euxinos bewohnten mehrere Völkerschaften, unter denen die mit den Griechen in Handelsverbindung gestandenen Skythen hervorragten. In der Folge blühte dort das 500 v. Chr. gegründete Bospora- nische Reich, besonders unter Mithridates dem Grossen, der auch Herr von Klein-
Varna.
Das Schwarze Meer ist durch die thrakischen Meerengen Dar- danellen und Bosporus mit dem Mittelmeere verbunden und bildet, mit der Abzweigung des Azow’schen Meeres, ein weit zwischen die Continente Europa und Asien vordringendes Wasserbecken von theil- weise binnenseeischem Charakter.
Seine zwischen 40° 55′ und 47° 15′ nördl. Breite und zwischen 27° 21′ und 41° 48′ östl. Länge von Greenwich gelagerte Wasser- fläche nimmt ein Areal von 381.545 km2 ein.
Das Schwarze Meer wechselte in der Flucht der Zeiten wiederholt den Namen. Die ältesten Griechen nannten es Pontus Axenos, das unwirtbare Meer, aus welcher Bezeichnung dann infolge der Veränderung der Culturverhältnisse durch die zahlreichen griechischen Colonien Pontus Euxinos, ein wirtbares Meer, entstand. Im II. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung tritt der Name Schwarzes Meer zum erstenmale in den Schriften Appians von Alexandrien auf; für die alten Venetianer war es das Mare Major, das die Türken und Tartaren mit Kara Deniz benennen.
Die Bedeutung der am Schwarzen Meere liegenden Länder gehört der Zu- kunft an. Aus diesen Gebieten ergossen sich in grauer Vorzeit, so weit nur Mythe und Vermuthung zu dringen vermögen, die Völkerströme in unseren Continent. Die Griechen und Milesier, namentlich die letzteren, hatten hier seit dem VIII. und VII. Jahrhundert v. Chr. blühende Colonien. Die Milesier nahmen das assy- rische Sinope, dann auch Trapezus. Odessos, an der Stelle des heutigen Varna, war wohl die berühmteste thrakische Colonie der Griechen. Sie war mit den anderen nahegelenen Colonien, worunter auch Tomi, der spätere Verbannungsort Ovid’s, zu einem angesehenen Städtebunde vereinigt. In der Römerzeit erhielt Odessos den Namen Tiberiopolis und bildete später eines der mächtigsten Boll- werke der Byzantiner gegen den Ansturm der Bulgaren, welche es zu wieder- holten Malen eroberten, um es schliesslich gleichzeitig mit dem Untergange ihrer Unabhängigkeit an die Türken zu verlieren.
Die Nordküste des Pontus Euxinos bewohnten mehrere Völkerschaften, unter denen die mit den Griechen in Handelsverbindung gestandenen Skythen hervorragten. In der Folge blühte dort das 500 v. Chr. gegründete Bospora- nische Reich, besonders unter Mithridates dem Grossen, der auch Herr von Klein-
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Varna.
Das Schwarze Meer ist durch die thrakischen Meerengen Dar-
danellen und Bosporus mit dem Mittelmeere verbunden und bildet,
mit der Abzweigung des Azow’schen Meeres, ein weit zwischen die
Continente Europa und Asien vordringendes Wasserbecken von theil-
weise binnenseeischem Charakter.
Seine zwischen 40° 55′ und 47° 15′ nördl. Breite und zwischen
27° 21′ und 41° 48′ östl. Länge von Greenwich gelagerte Wasser-
fläche nimmt ein Areal von 381.545 km2 ein.
Das Schwarze Meer wechselte in der Flucht der Zeiten wiederholt den
Namen. Die ältesten Griechen nannten es Pontus Axenos, das unwirtbare Meer,
aus welcher Bezeichnung dann infolge der Veränderung der Culturverhältnisse
durch die zahlreichen griechischen Colonien Pontus Euxinos, ein wirtbares
Meer, entstand. Im II. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung tritt der Name
Schwarzes Meer zum erstenmale in den Schriften Appians von Alexandrien auf;
für die alten Venetianer war es das Mare Major, das die Türken und Tartaren
mit Kara Deniz benennen.
Die Bedeutung der am Schwarzen Meere liegenden Länder gehört der Zu-
kunft an. Aus diesen Gebieten ergossen sich in grauer Vorzeit, so weit nur Mythe
und Vermuthung zu dringen vermögen, die Völkerströme in unseren Continent.
Die Griechen und Milesier, namentlich die letzteren, hatten hier seit dem VIII.
und VII. Jahrhundert v. Chr. blühende Colonien. Die Milesier nahmen das assy-
rische Sinope, dann auch Trapezus. Odessos, an der Stelle des heutigen Varna,
war wohl die berühmteste thrakische Colonie der Griechen. Sie war mit den
anderen nahegelenen Colonien, worunter auch Tomi, der spätere Verbannungsort
Ovid’s, zu einem angesehenen Städtebunde vereinigt. In der Römerzeit erhielt
Odessos den Namen Tiberiopolis und bildete später eines der mächtigsten Boll-
werke der Byzantiner gegen den Ansturm der Bulgaren, welche es zu wieder-
holten Malen eroberten, um es schliesslich gleichzeitig mit dem Untergange ihrer
Unabhängigkeit an die Türken zu verlieren.
Die Nordküste des Pontus Euxinos bewohnten mehrere Völkerschaften,
unter denen die mit den Griechen in Handelsverbindung gestandenen Skythen
hervorragten. In der Folge blühte dort das 500 v. Chr. gegründete Bospora-
nische Reich, besonders unter Mithridates dem Grossen, der auch Herr von Klein-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [136]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/156>, abgerufen am 21.11.2024.
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