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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.

Südöstlich vom Siegerlande finden sich verschiedene Hochofen-
werke, welche die Rotheisenerze und Brauneisenerze aus dem Lahn-
gebiete verarbeiten und grossentheils graues Giessereiroheisen daraus
herstellen (Hochöfen zu Sophienhütte bei Wetzlar, Mainweserhütte bei
Giessen u. a.); im südlichsten Theile Rheinpreussens dagegen, im Ge-
biete der Saar, treten einzelne Hochofenwerke auf, welche theilweise
unter ähnlichen Verhältnissen als die sogleich zu erwähnenden Hoch-
öfen Lothringens und Luxemburgs betrieben werden und grossentheils
gewöhnliches Weisseisen für den Puddelbetrieb liefern (Neunkirchen,
Burbach, Saarbrücken u. a.).

Nördlich von der gesammten rheinisch-westfälischen Gruppe liegt
nahe bei Osnabrück das berühmte Werk Georgs-Marienhütte, Braun-
und Spatheisenerze, welche aus dem Zechstein in der Nähe von Osna-
brück stammen, mit Koks verhüttend, bekannt durch eine Reihe
wesentlicher Verbesserungen bei dem Hochofenbetriebe, welche hier
zuerst eingeführt wurden (u. a. die Lürmann'sche Schlackenform).

Eine dritte Gruppe wird durch die Hochöfen Lothringens und des
benachbarten, ebenfalls zum deutschen Zollvereine gehörigen Luxem-
burgs gebildet. Hier bilden die auf S. 165 besprochenen Minetteerze
die Grundlage eines Hochofenbetriebes, welcher besonders seit dem
Anfange der siebenziger Jahre eine bedeutende Ausdehnung erlangt
hat. Man stellt grösstentheils ein phosphorhaltiges Weisseisen für den
Puddelprocess oder basischen Bessemerprocess dar, daneben allerdings
auch Giessereiroheisen, welches zwar dem Giessereiroheisen der rhei-
nisch-westfälischen Werke wegen seines grösseren Phosphorgehaltes
nachsteht, doch aber seiner Billigkeit halber auch in den östlicheren
Theilen Deutschlands mitunter verwendet wird (Hochofenwerke zu
Moyeuvre, Römlingen, Hayange u. a. in Lothringen, Esch, Dommel-
dingen, Eich u. a. in Luxemburg).

Frankreich.

Frankreich ist nicht sehr reich an Eisenerzen; und die französi-
schen Eisenhütten haben mit ähnlichen, theilweise vielleicht mit noch
grösseren Schwierigkeiten als die deutschen zu kämpfen. Wenn es
trotzdem den französischen Eisenhüttenleuten gelang, der Eisenindustrie
Frankreichs eine der Grösse und Bedeutung des Landes entsprechende
Entfaltung zu verschaffen, so gebührt ihrer Thatkraft und ihrer durch
Wissenschaftlichkeit gestützten Umsicht dafür alle Anerkennung.

Rotheisensteine in grösserer Mächtigkeit treten im Departement
Ardeche bei den Orten Veyras, Privas und La Voulte (Rhonegebiet
südlich von Lyon) auf. Häufiger finden sich Brauneisenerze, theils als
brauner Glaskopf in den Pyrenäen, theils als mulmiger, aber gewöhn-
lich phosphorreicher Brauneisenstein in der Champagne, theils als
oolithisches Erz und Bohnerze in der Franche-Comte und weiter nörd-
lich in dem französischen Lothringen, wo die Minette ebenso wie in
Deutsch-Lothringen und Luxemburg ein wichtiges Erzvorkommniss
bildet. Spatheisensteine treten in den Alpen und Pyrenäen auf, Magnet-
eisenerze sind ziemlich selten.

Reicher als an Erzen ist Frankreich an Steinkohlen; und das

Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern.

Südöstlich vom Siegerlande finden sich verschiedene Hochofen-
werke, welche die Rotheisenerze und Brauneisenerze aus dem Lahn-
gebiete verarbeiten und grossentheils graues Giessereiroheisen daraus
herstellen (Hochöfen zu Sophienhütte bei Wetzlar, Mainweserhütte bei
Giessen u. a.); im südlichsten Theile Rheinpreussens dagegen, im Ge-
biete der Saar, treten einzelne Hochofenwerke auf, welche theilweise
unter ähnlichen Verhältnissen als die sogleich zu erwähnenden Hoch-
öfen Lothringens und Luxemburgs betrieben werden und grossentheils
gewöhnliches Weisseisen für den Puddelbetrieb liefern (Neunkirchen,
Burbach, Saarbrücken u. a.).

Nördlich von der gesammten rheinisch-westfälischen Gruppe liegt
nahe bei Osnabrück das berühmte Werk Georgs-Marienhütte, Braun-
und Spatheisenerze, welche aus dem Zechstein in der Nähe von Osna-
brück stammen, mit Koks verhüttend, bekannt durch eine Reihe
wesentlicher Verbesserungen bei dem Hochofenbetriebe, welche hier
zuerst eingeführt wurden (u. a. die Lürmann’sche Schlackenform).

Eine dritte Gruppe wird durch die Hochöfen Lothringens und des
benachbarten, ebenfalls zum deutschen Zollvereine gehörigen Luxem-
burgs gebildet. Hier bilden die auf S. 165 besprochenen Minetteerze
die Grundlage eines Hochofenbetriebes, welcher besonders seit dem
Anfange der siebenziger Jahre eine bedeutende Ausdehnung erlangt
hat. Man stellt grösstentheils ein phosphorhaltiges Weisseisen für den
Puddelprocess oder basischen Bessemerprocess dar, daneben allerdings
auch Giessereiroheisen, welches zwar dem Giessereiroheisen der rhei-
nisch-westfälischen Werke wegen seines grösseren Phosphorgehaltes
nachsteht, doch aber seiner Billigkeit halber auch in den östlicheren
Theilen Deutschlands mitunter verwendet wird (Hochofenwerke zu
Moyeuvre, Römlingen, Hayange u. a. in Lothringen, Esch, Dommel-
dingen, Eich u. a. in Luxemburg).

Frankreich.

Frankreich ist nicht sehr reich an Eisenerzen; und die französi-
schen Eisenhütten haben mit ähnlichen, theilweise vielleicht mit noch
grösseren Schwierigkeiten als die deutschen zu kämpfen. Wenn es
trotzdem den französischen Eisenhüttenleuten gelang, der Eisenindustrie
Frankreichs eine der Grösse und Bedeutung des Landes entsprechende
Entfaltung zu verschaffen, so gebührt ihrer Thatkraft und ihrer durch
Wissenschaftlichkeit gestützten Umsicht dafür alle Anerkennung.

Rotheisensteine in grösserer Mächtigkeit treten im Departement
Ardèche bei den Orten Veyras, Privas und La Voulte (Rhonegebiet
südlich von Lyon) auf. Häufiger finden sich Brauneisenerze, theils als
brauner Glaskopf in den Pyrenäen, theils als mulmiger, aber gewöhn-
lich phosphorreicher Brauneisenstein in der Champagne, theils als
oolithisches Erz und Bohnerze in der Franche-Comté und weiter nörd-
lich in dem französischen Lothringen, wo die Minette ebenso wie in
Deutsch-Lothringen und Luxemburg ein wichtiges Erzvorkommniss
bildet. Spatheisensteine treten in den Alpen und Pyrenäen auf, Magnet-
eisenerze sind ziemlich selten.

Reicher als an Erzen ist Frankreich an Steinkohlen; und das

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[575/0635] Der Hochofenbetrieb in verschiedenen Ländern. Südöstlich vom Siegerlande finden sich verschiedene Hochofen- werke, welche die Rotheisenerze und Brauneisenerze aus dem Lahn- gebiete verarbeiten und grossentheils graues Giessereiroheisen daraus herstellen (Hochöfen zu Sophienhütte bei Wetzlar, Mainweserhütte bei Giessen u. a.); im südlichsten Theile Rheinpreussens dagegen, im Ge- biete der Saar, treten einzelne Hochofenwerke auf, welche theilweise unter ähnlichen Verhältnissen als die sogleich zu erwähnenden Hoch- öfen Lothringens und Luxemburgs betrieben werden und grossentheils gewöhnliches Weisseisen für den Puddelbetrieb liefern (Neunkirchen, Burbach, Saarbrücken u. a.). Nördlich von der gesammten rheinisch-westfälischen Gruppe liegt nahe bei Osnabrück das berühmte Werk Georgs-Marienhütte, Braun- und Spatheisenerze, welche aus dem Zechstein in der Nähe von Osna- brück stammen, mit Koks verhüttend, bekannt durch eine Reihe wesentlicher Verbesserungen bei dem Hochofenbetriebe, welche hier zuerst eingeführt wurden (u. a. die Lürmann’sche Schlackenform). Eine dritte Gruppe wird durch die Hochöfen Lothringens und des benachbarten, ebenfalls zum deutschen Zollvereine gehörigen Luxem- burgs gebildet. Hier bilden die auf S. 165 besprochenen Minetteerze die Grundlage eines Hochofenbetriebes, welcher besonders seit dem Anfange der siebenziger Jahre eine bedeutende Ausdehnung erlangt hat. Man stellt grösstentheils ein phosphorhaltiges Weisseisen für den Puddelprocess oder basischen Bessemerprocess dar, daneben allerdings auch Giessereiroheisen, welches zwar dem Giessereiroheisen der rhei- nisch-westfälischen Werke wegen seines grösseren Phosphorgehaltes nachsteht, doch aber seiner Billigkeit halber auch in den östlicheren Theilen Deutschlands mitunter verwendet wird (Hochofenwerke zu Moyeuvre, Römlingen, Hayange u. a. in Lothringen, Esch, Dommel- dingen, Eich u. a. in Luxemburg). Frankreich. Frankreich ist nicht sehr reich an Eisenerzen; und die französi- schen Eisenhütten haben mit ähnlichen, theilweise vielleicht mit noch grösseren Schwierigkeiten als die deutschen zu kämpfen. Wenn es trotzdem den französischen Eisenhüttenleuten gelang, der Eisenindustrie Frankreichs eine der Grösse und Bedeutung des Landes entsprechende Entfaltung zu verschaffen, so gebührt ihrer Thatkraft und ihrer durch Wissenschaftlichkeit gestützten Umsicht dafür alle Anerkennung. Rotheisensteine in grösserer Mächtigkeit treten im Departement Ardèche bei den Orten Veyras, Privas und La Voulte (Rhonegebiet südlich von Lyon) auf. Häufiger finden sich Brauneisenerze, theils als brauner Glaskopf in den Pyrenäen, theils als mulmiger, aber gewöhn- lich phosphorreicher Brauneisenstein in der Champagne, theils als oolithisches Erz und Bohnerze in der Franche-Comté und weiter nörd- lich in dem französischen Lothringen, wo die Minette ebenso wie in Deutsch-Lothringen und Luxemburg ein wichtiges Erzvorkommniss bildet. Spatheisensteine treten in den Alpen und Pyrenäen auf, Magnet- eisenerze sind ziemlich selten. Reicher als an Erzen ist Frankreich an Steinkohlen; und das

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/635>, abgerufen am 21.11.2024.