Fleisch ist überhaupt dümmer, als festes Fleisch. Das ist wahr. -- Quorum perdura caro est, ii tar- do ingenio sunt; quorum autem mollis est, ingeniosi. Arist. Lib. III. -- Welcher Widerspruch, der aber verschwindet, wenn perdurazähe und spröde,mollisfein, unschwammig -- zart, übersetzt wird.
15.
Will man wissen, ob die Beschaffenheit des Gehirnes mit der Beschaffenheit des Fleisches überein- komme -- so muß man die Haupthaare betrachten. Sind diese schwarz, stark, spröde, und dichte, so zeugen sie von einer guten Einbildungskraft und einem guten Verstande. -- Ach! nein doch! nicht so allgemein gesprochen -- mir fällt sogleich ein erzschwacher Mensch, schwach von Natur, mit so einem Haare bey -- Sprödigkeit ist ein fatales Wort, das nie etwas Gutes bedeutet; man mag es anwenden, auf was man will. -- Sind aber die Haare zart und weiß, so zeugen sie von nichts, als einem guten Gedächtnisse. -- Auch wieder zu wenig .. Sie zeugen von einer feinen Organisation, die Ein- drücke von Bildern wenigstens so gut aufnimmt, als von Zeichen der Bilder.
16.
Will man nun ferner, wenn die Haare von der ersten Beschaffenheit sind, unterscheiden, ob sie einen guten Verstand, oder eine gute Einbildungskraft anzeigen, so muß man auf das Lachen des Knaben acht haben. Denn das Lachen ist es, welches die Beschaffenheit der Einbildungskraft verräth. -- Und, thue ich hinzu, des Verstandes, des Herzens, der Kraft, der Liebe, des Hasses, des Stolzes, der Demuth, der Treue und Falschheit. Hätte ich Zeichner, die auf die Umrisse des Lachens laureten -- Eine Physiognomik des Lachens wäre das interessanteste Lehrbuch der Menschenkenntniß! Wer gut lacht, ist gut. Man sagt von unserm Herrn! "Er habe nie gelacht" -- -- Jch glaube es -- hätte er aber nie gelächelt; so wäre er kein Mensch gewesen. Christus Lächeln -- enthielt gewiß die Grundlinie der einfaltvollsten Brudergüte!
17.
Heraklit sagt: auge xere, psukhe sophotate.
18.
Man wird wenig Leute von großem Verstande finden, welche eine gute Hand schreiben. -- -- Nä- her bestimmt -- eine schulmeisterisch reguläre Handschrift.
Drittes
Z 2
Stellen aus Huart.
Fleiſch iſt uͤberhaupt duͤmmer, als feſtes Fleiſch. Das iſt wahr. — Quorum perdura caro eſt, ii tar- do ingenio ſunt; quorum autem mollis eſt, ingenioſi. Ariſt. Lib. III. — Welcher Widerſpruch, der aber verſchwindet, wenn perdurazaͤhe und ſproͤde,mollisfein, unſchwammig — zart, uͤberſetzt wird.
15.
Will man wiſſen, ob die Beſchaffenheit des Gehirnes mit der Beſchaffenheit des Fleiſches uͤberein- komme — ſo muß man die Haupthaare betrachten. Sind dieſe ſchwarz, ſtark, ſproͤde, und dichte, ſo zeugen ſie von einer guten Einbildungskraft und einem guten Verſtande. — Ach! nein doch! nicht ſo allgemein geſprochen — mir faͤllt ſogleich ein erzſchwacher Menſch, ſchwach von Natur, mit ſo einem Haare bey — Sproͤdigkeit iſt ein fatales Wort, das nie etwas Gutes bedeutet; man mag es anwenden, auf was man will. — Sind aber die Haare zart und weiß, ſo zeugen ſie von nichts, als einem guten Gedaͤchtniſſe. — Auch wieder zu wenig .. Sie zeugen von einer feinen Organiſation, die Ein- druͤcke von Bildern wenigſtens ſo gut aufnimmt, als von Zeichen der Bilder.
16.
Will man nun ferner, wenn die Haare von der erſten Beſchaffenheit ſind, unterſcheiden, ob ſie einen guten Verſtand, oder eine gute Einbildungskraft anzeigen, ſo muß man auf das Lachen des Knaben acht haben. Denn das Lachen iſt es, welches die Beſchaffenheit der Einbildungskraft verraͤth. — Und, thue ich hinzu, des Verſtandes, des Herzens, der Kraft, der Liebe, des Haſſes, des Stolzes, der Demuth, der Treue und Falſchheit. Haͤtte ich Zeichner, die auf die Umriſſe des Lachens laureten — Eine Phyſiognomik des Lachens waͤre das intereſſanteſte Lehrbuch der Menſchenkenntniß! Wer gut lacht, iſt gut. Man ſagt von unſerm Herrn! „Er habe nie gelacht“ — — Jch glaube es — haͤtte er aber nie gelaͤchelt; ſo waͤre er kein Menſch geweſen. Chriſtus Laͤcheln — enthielt gewiß die Grundlinie der einfaltvollſten Bruderguͤte!
17.
Heraklit ſagt: ἀυγη ξηρη, ψυχη σοφωτατη.
18.
Man wird wenig Leute von großem Verſtande finden, welche eine gute Hand ſchreiben. — — Naͤ- her beſtimmt — eine ſchulmeiſteriſch regulaͤre Handſchrift.
Drittes
Z 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0209"n="179"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Stellen aus Huart.</hi></fw><lb/>
Fleiſch iſt uͤberhaupt duͤmmer, als <hirendition="#fr">feſtes</hi> Fleiſch. Das iſt wahr. —<hirendition="#aq">Quorum perdura caro eſt, ii tar-<lb/>
do ingenio ſunt; quorum autem mollis eſt, ingenioſi. Ariſt. Lib. III.</hi>— Welcher Widerſpruch, der<lb/>
aber verſchwindet, wenn <hirendition="#aq">perdura</hi><hirendition="#fr">zaͤhe</hi> und <hirendition="#fr">ſproͤde,</hi><hirendition="#aq">mollis</hi><hirendition="#fr">fein, unſchwammig — zart,</hi><lb/>
uͤberſetzt wird.</p></div><lb/><divn="4"><head>15.</head><lb/><p>Will man wiſſen, ob die Beſchaffenheit des Gehirnes mit der Beſchaffenheit des Fleiſches uͤberein-<lb/>
komme —ſo muß man die Haupthaare betrachten. Sind dieſe ſchwarz, ſtark, ſproͤde, und dichte, ſo zeugen<lb/>ſie von einer guten Einbildungskraft und einem guten Verſtande. — Ach! nein doch! nicht ſo allgemein<lb/>
geſprochen — mir faͤllt ſogleich ein erzſchwacher Menſch, ſchwach von Natur, mit ſo einem Haare<lb/>
bey —<hirendition="#fr">Sproͤdigkeit iſt ein fatales Wort, das nie etwas Gutes bedeutet;</hi> man mag es<lb/>
anwenden, auf was man will. — Sind aber die Haare zart und weiß, ſo zeugen ſie von nichts, als einem<lb/>
guten Gedaͤchtniſſe. — Auch wieder zu wenig .. Sie zeugen von einer feinen Organiſation, die Ein-<lb/>
druͤcke von <hirendition="#fr">Bildern</hi> wenigſtens ſo gut aufnimmt, als von <hirendition="#fr">Zeichen</hi> der Bilder.</p></div><lb/><divn="4"><head>16.</head><lb/><p>Will man nun ferner, wenn die Haare von der erſten Beſchaffenheit ſind, unterſcheiden, ob ſie einen<lb/>
guten Verſtand, oder eine gute Einbildungskraft anzeigen, ſo muß man auf das Lachen des Knaben acht haben.<lb/>
Denn das Lachen iſt es, welches die Beſchaffenheit der Einbildungskraft verraͤth. — Und, thue ich<lb/>
hinzu, des Verſtandes, des Herzens, der Kraft, der Liebe, des Haſſes, des Stolzes, der Demuth,<lb/>
der Treue und Falſchheit. Haͤtte ich Zeichner, die auf die Umriſſe des Lachens laureten —<hirendition="#fr">Eine<lb/>
Phyſiognomik des Lachens</hi> waͤre das intereſſanteſte Lehrbuch der Menſchenkenntniß! <hirendition="#fr">Wer gut<lb/>
lacht, iſt gut.</hi> Man ſagt von unſerm Herrn! „Er habe nie <hirendition="#fr">gelacht</hi>“—— Jch glaube es —<lb/>
haͤtte er aber nie <hirendition="#fr">gelaͤchelt;</hi>ſo waͤre er kein Menſch geweſen. Chriſtus Laͤcheln — enthielt gewiß<lb/>
die Grundlinie der einfaltvollſten Bruderguͤte!</p></div><lb/><divn="4"><head>17.</head><lb/><cit><quote>Heraklit ſagt: ἀυγηξηρη, ψυχησοφωτατη.</quote></cit></div><lb/><divn="4"><head>18.</head><lb/><p>Man wird wenig Leute von großem Verſtande finden, welche eine gute Hand ſchreiben. ——<hirendition="#fr">Naͤ-<lb/>
her beſtimmt</hi>— eine ſchulmeiſteriſch regulaͤre Handſchrift.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 2</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Drittes</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[179/0209]
Stellen aus Huart.
Fleiſch iſt uͤberhaupt duͤmmer, als feſtes Fleiſch. Das iſt wahr. — Quorum perdura caro eſt, ii tar-
do ingenio ſunt; quorum autem mollis eſt, ingenioſi. Ariſt. Lib. III. — Welcher Widerſpruch, der
aber verſchwindet, wenn perdura zaͤhe und ſproͤde, mollis fein, unſchwammig — zart,
uͤberſetzt wird.
15.
Will man wiſſen, ob die Beſchaffenheit des Gehirnes mit der Beſchaffenheit des Fleiſches uͤberein-
komme — ſo muß man die Haupthaare betrachten. Sind dieſe ſchwarz, ſtark, ſproͤde, und dichte, ſo zeugen
ſie von einer guten Einbildungskraft und einem guten Verſtande. — Ach! nein doch! nicht ſo allgemein
geſprochen — mir faͤllt ſogleich ein erzſchwacher Menſch, ſchwach von Natur, mit ſo einem Haare
bey — Sproͤdigkeit iſt ein fatales Wort, das nie etwas Gutes bedeutet; man mag es
anwenden, auf was man will. — Sind aber die Haare zart und weiß, ſo zeugen ſie von nichts, als einem
guten Gedaͤchtniſſe. — Auch wieder zu wenig .. Sie zeugen von einer feinen Organiſation, die Ein-
druͤcke von Bildern wenigſtens ſo gut aufnimmt, als von Zeichen der Bilder.
16.
Will man nun ferner, wenn die Haare von der erſten Beſchaffenheit ſind, unterſcheiden, ob ſie einen
guten Verſtand, oder eine gute Einbildungskraft anzeigen, ſo muß man auf das Lachen des Knaben acht haben.
Denn das Lachen iſt es, welches die Beſchaffenheit der Einbildungskraft verraͤth. — Und, thue ich
hinzu, des Verſtandes, des Herzens, der Kraft, der Liebe, des Haſſes, des Stolzes, der Demuth,
der Treue und Falſchheit. Haͤtte ich Zeichner, die auf die Umriſſe des Lachens laureten — Eine
Phyſiognomik des Lachens waͤre das intereſſanteſte Lehrbuch der Menſchenkenntniß! Wer gut
lacht, iſt gut. Man ſagt von unſerm Herrn! „Er habe nie gelacht“ — — Jch glaube es —
haͤtte er aber nie gelaͤchelt; ſo waͤre er kein Menſch geweſen. Chriſtus Laͤcheln — enthielt gewiß
die Grundlinie der einfaltvollſten Bruderguͤte!
17.
Heraklit ſagt: ἀυγη ξηρη, ψυχη σοφωτατη.
18.
Man wird wenig Leute von großem Verſtande finden, welche eine gute Hand ſchreiben. — — Naͤ-
her beſtimmt — eine ſchulmeiſteriſch regulaͤre Handſchrift.
Drittes
Z 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/209>, abgerufen am 23.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.