Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.Zweytes Fragment. Etwas über Pferde. Hiob. "Hast du dem Pferde den Muth gegeben, und seinen Hals mit Zorn ausgerüstet? Befiehlst du Jch bin nichts weniger, als Pferdekenner; aber das ist mir auffallend, daß es unter den "Das Pferd ist von allen Thieren dasjenige, das mit einer großen Taille am meisten Eben- Es ist kaum ein Thier von so vieler, so allgemein anerkannter sprechender Physiognomie, "An einem wohl gebildeten Pferde muß der obere Theil des Halses, der an die Mähne untere Phys. Fragm. III Versuch. J
Zweytes Fragment. Etwas uͤber Pferde. Hiob. „Haſt du dem Pferde den Muth gegeben, und ſeinen Hals mit Zorn ausgeruͤſtet? Befiehlſt du Jch bin nichts weniger, als Pferdekenner; aber das iſt mir auffallend, daß es unter den „Das Pferd iſt von allen Thieren dasjenige, das mit einer großen Taille am meiſten Eben- Es iſt kaum ein Thier von ſo vieler, ſo allgemein anerkannter ſprechender Phyſiognomie, „An einem wohl gebildeten Pferde muß der obere Theil des Halſes, der an die Maͤhne untere Phyſ. Fragm. III Verſuch. J
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Zweytes Fragment.
Etwas uͤber Pferde.
Hiob.
„Haſt du dem Pferde den Muth gegeben, und ſeinen Hals mit Zorn ausgeruͤſtet? Befiehlſt du
„ihm, den Heuſchrecken gleich zu ſpringen? Sein praͤchtiges Wiehern iſt Schrecken! Mit den Fuͤſ-
„ſen ſcharret es auf den Boden, freuet ſich uͤber ſeine Staͤrke, und geht aus, den Waffen entgegen.
„Es ſpottet der Furcht und erſchrickt nicht! Vor dem Degen geht es nicht zuruͤck. Ueber ihm toͤ-
„nen Koͤcher, glaͤnzender Spieß und Waffen! Unter ihm bebt die Erde, und kaum beruͤhrt es ſie.
„Es wird frecher, wenn es den Schall der Trompete hoͤrt, und ſchnaubt aus der Ferne dem Tref-
„fen entgegen, dem Rufen des Feldherrn und dem Kriegsgeſchrey“ ....
Jch bin nichts weniger, als Pferdekenner; aber das iſt mir auffallend, daß es unter den
Pferden beynah eben ſolche Verſchiedenheit der Phyſiognomien giebt, wie bey den Menſchen —
und deswegen vornehmlich ſoll das Pferd einem Phyſiognomiſten merkwuͤrdig ſeyn, weil es eins
von denen Thieren iſt, deren Phyſiognomie wenigſtens im Profil ſo viel merkbarer, ſchaͤrfer und
charakteriſtiſcher iſt, als ſo mancher anderer Thiere.
„Das Pferd iſt von allen Thieren dasjenige, das mit einer großen Taille am meiſten Eben-
„maaß und Zierlichkeit in den Theilen ſeines Koͤrpers verbindet. Wenn man es mit den Thieren,
„die unmittelbar uͤber oder unter ihm ſtehen, vergleicht; ſo wird man finden: der Eſel iſt ſchlecht
„gebildet; der Loͤwe hat einen zu großen Kopf; der Ochs zu duͤnne Beine; das Cameel iſt unge-
„ſtalt, und der Rhinozeros und Elephant ſcheinen ſo zu ſagen nur große lebendige Maſſen zu ſeyn.“
Es iſt kaum ein Thier von ſo vieler, ſo allgemein anerkannter ſprechender Phyſiognomie,
wie ein ſchoͤnes Pferd.
„An einem wohl gebildeten Pferde muß der obere Theil des Halſes, der an die Maͤhne
„geht, oder der Kamm, ſich ſogleich in einer geraden Linie erheben, die vom Bug ausgeht, und
„indem ſie ſich dem Kopfe nahet, eine Kruͤmmung, dem Schwanenhalſe gleich, bilden muß. Der
untere
Phyſ. Fragm. III Verſuch. J
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