Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.III. Fragment. Drittes Fragment. Physiognomik, Pfeiler der Freundschaft und Achtung. (Beylage zur Revision des ersten Bandes.) Jm XIII. Fragmente Seite 160. des ersten Bandes heißt's: "Die Physiognomik reißt Herzen Wenn ein Mensch, der schlechterdings nicht an die Physiognomik glaubt -- nichts von Wie viele tausend Gesichter ließen sich zeichnen, die keine Menschenseele zur Freundschaft Wenn die festern Theile eines Menschen das Maaß seiner Kraft -- die Umrisse seiner Fä- Warum gefallen uns gewisse Leute beym ersten Anblicke -- und immer mehr, je mehr wir Warum streben wir von gewissen Leuten auf den ersten Anblick zurück -- und immer Warum
III. Fragment. Drittes Fragment. Phyſiognomik, Pfeiler der Freundſchaft und Achtung. (Beylage zur Reviſion des erſten Bandes.) Jm XIII. Fragmente Seite 160. des erſten Bandes heißt’s: „Die Phyſiognomik reißt Herzen Wenn ein Menſch, der ſchlechterdings nicht an die Phyſiognomik glaubt — nichts von Wie viele tauſend Geſichter ließen ſich zeichnen, die keine Menſchenſeele zur Freundſchaft Wenn die feſtern Theile eines Menſchen das Maaß ſeiner Kraft — die Umriſſe ſeiner Faͤ- Warum gefallen uns gewiſſe Leute beym erſten Anblicke — und immer mehr, je mehr wir Warum ſtreben wir von gewiſſen Leuten auf den erſten Anblick zuruͤck — und immer Warum
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0046" n="30"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">III.</hi> <hi rendition="#g">Fragment.</hi> </hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Drittes Fragment.<lb/> Phyſiognomik, Pfeiler der Freundſchaft und Achtung.<lb/> (Beylage zur Reviſion des erſten Bandes.)</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">J</hi>m <hi rendition="#aq">XIII.</hi> Fragmente Seite 160. des erſten Bandes heißt’s: „Die Phyſiognomik reißt Herzen<lb/> „zu Herzen; ſie allein ſtiftet die dauerhafteſten, die goͤttlichſten Freundſchaften; auf keinem unum-<lb/> „ſtoͤßlichern Grunde, keinem feſtern Felſen kann die Freundſchaft ruhen, als auf der Woͤlbung<lb/> „einer Stirne, dem Ruͤcken einer Naſe, dem Umriſſe eines Mundes, dem Blicke eines Auges!“</p><lb/> <p>Wenn ein Menſch, der ſchlechterdings nicht an die Phyſiognomik glaubt — nichts von<lb/> Harmonie zwiſchen dem innern und aͤußern Menſchen wiſſen will, dieſe Behauptung laut weghoͤhnt,<lb/> oder leiſe weglaͤchelt; — ganz natuͤrlich! Aber an die Phyſiognomik glauben — Freund, Verthei-<lb/> diger davon ſeyn — und dennoch das, was hier behauptet wird, als Unſinn und wahrheitloſen<lb/> Enthuſiasmus — verwerfen — das ſcheint, <hi rendition="#fr">mir</hi> wenigſtens, ſchlechterdings unbegreiflich. <hi rendition="#fr">Ja</hi><lb/> und <hi rendition="#fr">Nein</hi> ſind nicht widerſprechender, als dieſe Denkensart.</p><lb/> <p>Wie viele tauſend Geſichter ließen ſich zeichnen, die keine Menſchenſeele zur Freundſchaft<lb/> reitzen werden, die keiner Freundſchaft faͤhig zu ſeyn ſcheinen, weder aktifer noch paſſifer? — und<lb/> wie viele Dutzende, auf deren Treue, Guͤte und Liebenswuͤrdigkeit man ſich ſo ſicher, wie auf ſich<lb/> ſelber verlaſſen kann!</p><lb/> <p>Wenn die feſtern Theile eines Menſchen das Maaß ſeiner Kraft — die Umriſſe ſeiner Faͤ-<lb/> higkeiten, die beweglichen — den Gebrauch, den er von beyden zu machen pflegt, zeigen — und<lb/> wenn aus allem zuſammen — das <hi rendition="#fr">Verhaͤltniß</hi> zu <hi rendition="#fr">meiner Kraft,</hi> meiner <hi rendition="#fr">Reizbarkeit, Beweg-<lb/> ſamkeit, Empfindſamkeit, Faͤhigkeit</hi> offenbar wird .... Sollte ſich daraus nicht die wei-<lb/> ſeſte Wahl der Freunde herleiten laſſen? —</p><lb/> <p>Warum gefallen uns gewiſſe Leute beym erſten Anblicke — und immer mehr, je mehr wir<lb/> ſie anſehen? —</p><lb/> <p>Warum ſtreben wir von gewiſſen Leuten auf den erſten Anblick zuruͤck — und immer<lb/> mehr, je mehr wir ſie anſehen?</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Warum</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [30/0046]
III. Fragment.
Drittes Fragment.
Phyſiognomik, Pfeiler der Freundſchaft und Achtung.
(Beylage zur Reviſion des erſten Bandes.)
Jm XIII. Fragmente Seite 160. des erſten Bandes heißt’s: „Die Phyſiognomik reißt Herzen
„zu Herzen; ſie allein ſtiftet die dauerhafteſten, die goͤttlichſten Freundſchaften; auf keinem unum-
„ſtoͤßlichern Grunde, keinem feſtern Felſen kann die Freundſchaft ruhen, als auf der Woͤlbung
„einer Stirne, dem Ruͤcken einer Naſe, dem Umriſſe eines Mundes, dem Blicke eines Auges!“
Wenn ein Menſch, der ſchlechterdings nicht an die Phyſiognomik glaubt — nichts von
Harmonie zwiſchen dem innern und aͤußern Menſchen wiſſen will, dieſe Behauptung laut weghoͤhnt,
oder leiſe weglaͤchelt; — ganz natuͤrlich! Aber an die Phyſiognomik glauben — Freund, Verthei-
diger davon ſeyn — und dennoch das, was hier behauptet wird, als Unſinn und wahrheitloſen
Enthuſiasmus — verwerfen — das ſcheint, mir wenigſtens, ſchlechterdings unbegreiflich. Ja
und Nein ſind nicht widerſprechender, als dieſe Denkensart.
Wie viele tauſend Geſichter ließen ſich zeichnen, die keine Menſchenſeele zur Freundſchaft
reitzen werden, die keiner Freundſchaft faͤhig zu ſeyn ſcheinen, weder aktifer noch paſſifer? — und
wie viele Dutzende, auf deren Treue, Guͤte und Liebenswuͤrdigkeit man ſich ſo ſicher, wie auf ſich
ſelber verlaſſen kann!
Wenn die feſtern Theile eines Menſchen das Maaß ſeiner Kraft — die Umriſſe ſeiner Faͤ-
higkeiten, die beweglichen — den Gebrauch, den er von beyden zu machen pflegt, zeigen — und
wenn aus allem zuſammen — das Verhaͤltniß zu meiner Kraft, meiner Reizbarkeit, Beweg-
ſamkeit, Empfindſamkeit, Faͤhigkeit offenbar wird .... Sollte ſich daraus nicht die wei-
ſeſte Wahl der Freunde herleiten laſſen? —
Warum gefallen uns gewiſſe Leute beym erſten Anblicke — und immer mehr, je mehr wir
ſie anſehen? —
Warum ſtreben wir von gewiſſen Leuten auf den erſten Anblick zuruͤck — und immer
mehr, je mehr wir ſie anſehen?
Warum
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |