Oder Fragment einer Vorrede; -- denn ein Buch würde die Vorrede werden, wenn ich alles sagen wollte, was sich zur Wegräumung aller Vorurtheile, und zur Warnung vor allen schiefen Gesichtspunkten, aus welchen dieß Werk be- urtheilt werden wird, sagen ließe, und was, wenn's meine Muße erlaubte, um so vieler Schwacher willen gesagt werden sollte.
Also nur Fragment einer Vorrede.
Jch weiß nicht, welche von beyden Thorheiten die größere ist; "die Wahr- "heit der menschlichen Gesichtsbildung zu läugnen" -- oder: "Einem, der sie läu- "gnen kann, sie beweisen zu wollen?" --
Der erstern von diesen Thorheiten macht sich ein großer Theil der heutigen Welt schuldig; und die andere begeh' ich.
Jch Thor, der ich weiß, wie unüberzeugbar unter tausenden wenigstens neunhundert und neunzig sind; haben sie sich einmal vorher, mehr oder weniger öffentlich, wider die Sache erklärt, wovon man sie überzeugen will!
Aber -- nenn es nun Stolz oder Blindheit -- ich schreibe nicht blos, schreibe nicht sowohl für mein Zeitalter -- Nicht dieß, das folgende Jahrhundert soll urtheilen; denn ich weiß, daß ich bey dem gegenwärtigen, wenige Weise aus-
genom-
a
[Abbildung]
Vorrede,
Oder Fragment einer Vorrede; — denn ein Buch wuͤrde die Vorrede werden, wenn ich alles ſagen wollte, was ſich zur Wegraͤumung aller Vorurtheile, und zur Warnung vor allen ſchiefen Geſichtspunkten, aus welchen dieß Werk be- urtheilt werden wird, ſagen ließe, und was, wenn's meine Muße erlaubte, um ſo vieler Schwacher willen geſagt werden ſollte.
Alſo nur Fragment einer Vorrede.
Jch weiß nicht, welche von beyden Thorheiten die groͤßere iſt; „die Wahr- „heit der menſchlichen Geſichtsbildung zu laͤugnen“ — oder: „Einem, der ſie laͤu- „gnen kann, ſie beweiſen zu wollen?“ —
Der erſtern von dieſen Thorheiten macht ſich ein großer Theil der heutigen Welt ſchuldig; und die andere begeh' ich.
Jch Thor, der ich weiß, wie unuͤberzeugbar unter tauſenden wenigſtens neunhundert und neunzig ſind; haben ſie ſich einmal vorher, mehr oder weniger oͤffentlich, wider die Sache erklaͤrt, wovon man ſie uͤberzeugen will!
Aber — nenn es nun Stolz oder Blindheit — ich ſchreibe nicht blos, ſchreibe nicht ſowohl fuͤr mein Zeitalter — Nicht dieß, das folgende Jahrhundert ſoll urtheilen; denn ich weiß, daß ich bey dem gegenwaͤrtigen, wenige Weiſe aus-
genom-
a
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[Abbildung]
Vorrede,
Oder Fragment einer Vorrede; — denn ein Buch wuͤrde die Vorrede werden,
wenn ich alles ſagen wollte, was ſich zur Wegraͤumung aller Vorurtheile,
und zur Warnung vor allen ſchiefen Geſichtspunkten, aus welchen dieß Werk be-
urtheilt werden wird, ſagen ließe, und was, wenn's meine Muße erlaubte, um
ſo vieler Schwacher willen geſagt werden ſollte.
Alſo nur Fragment einer Vorrede.
Jch weiß nicht, welche von beyden Thorheiten die groͤßere iſt; „die Wahr-
„heit der menſchlichen Geſichtsbildung zu laͤugnen“ — oder: „Einem, der ſie laͤu-
„gnen kann, ſie beweiſen zu wollen?“ —
Der erſtern von dieſen Thorheiten macht ſich ein großer Theil der heutigen
Welt ſchuldig; und die andere begeh' ich.
Jch Thor, der ich weiß, wie unuͤberzeugbar unter tauſenden wenigſtens
neunhundert und neunzig ſind; haben ſie ſich einmal vorher, mehr oder weniger
oͤffentlich, wider die Sache erklaͤrt, wovon man ſie uͤberzeugen will!
Aber — nenn es nun Stolz oder Blindheit — ich ſchreibe nicht blos,
ſchreibe nicht ſowohl fuͤr mein Zeitalter — Nicht dieß, das folgende Jahrhundert
ſoll urtheilen; denn ich weiß, daß ich bey dem gegenwaͤrtigen, wenige Weiſe aus-
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/13>, abgerufen am 22.02.2025.
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